Bewegt die ÖVP: Sebastian Kurz

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Der Brenner als Wahlkampfthema, das sorgt für Spannungen zwischen Rom und Wien.

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Sebastian Kurz vergleicht sich gerne mit politischen Shootingstars wie Emmanuel Macron. Doch bei genauerem Hinsehen wirken die Parallelen zwischen dem Neo-ÖVP-Chef und dem ehemals sozialistischen Minister, der die links inspirierte Europakritik seiner politischen Förderer gegen einen glühenden Pro-EU-Kurs getauscht hat, fadenscheinig.

Jung, dynamisch, rechts

Kurz' jugendlicher Dynamismus, der regelmäßig in den Rechtspopulismus abgleitet, erinnert eher an jene Figur, die in den 1980er-Jahren eine andere etablierte österreichische Partei an den rechten Rand führte. Jörg Haider, vor rund 30 Jahren gefeiert als charismatischer Newcomer der heimischen Politik, marginalisierte damals den liberalen Flügel der zwischenzeitlichen Regierungspartei FPÖ und erhob die Antimigrationspolitik zur Grundprämisse seiner Gruppierung.

Die Forderungen nach Erneuerung und einer radikalen Reform der politischen Institutionen gipfelten darin, die Freiheitliche Partei 1995 in die "F-Bewegung" umzuformen. Parteien waren "out", das blaue Relabeling jedoch nur mäßig erfolgreich und von kurzer Dauer. Gewisse Ähnlichkeiten zur Kurz'schen Neuen Volkspartei sind augenscheinlich: Auch sie will angeblich mit etablierten Strukturen brechen und versucht ihre Verankerung in ebenjenem System mit dem rhetorischen Schwenk hin zur "Bewegung" zu maskieren.

Während Haider nicht zuletzt mit dem "Anti-Ausländer-Volksbegehren" einen Einwanderungsstopp in Österreich erwirken wollte, propagiert Kurz, dass Migranten und Flüchtlinge erst gar nicht das europäische Festland erreichen dürften, und ignoriert bei seinen Forderungen alle Hinweise auf die potenziell fatalen humanitären Folgen.

Europa: Ja, aber ...

Die aus diesen Forderungen resultierenden diplomatischen Verstimmungen zwischen Österreich und Italien könnten als Sinnbild für die unklare Europapolitik der "Neuen Volkspartei" verstanden werden. Obwohl VP-Urgesteine wie Erhard Busek, Franz Fischler und Othmar Karas nach wie vor unbeirrt hinter dem europäischen Integrationsgedanken stehen, zeichnen Kurz' Seitenhiebe auf Italien und eine zeitweise unakkordierte Südosteuropa-Diplomatie – Stichwort: Balkangipfel – ein fragwürdiges Bild.

Auch Haider lenkte ab den späten 1980ern die einstige Pro-EU-Partei FPÖ hin zu ihrer heutigen Euroskepsis. Auf die einstigen blauen Forderungen nach einer uneingeschränkten Westbindung (inklusive Nato-Beitritt) folgten Haiders Warnungen vor europäischer Blutschokolade und Läusejoghurt. Ob die jüngst eingeschlagenen Pflöcke am Brenner, die gegebenenfalls einen unüberwindbaren Grenzzaun tragen sollten, ähnlich absurd anmuten, sei dahingestellt. Nur so viel: Die permanenten Grenzbefestigungen um Ceuta und Melilla sind auch nicht unüberwindbar.

Freilich, Kurz' eindeutige Distanz zum Deutschnationalismus und damit einhergehender Vergangenheitsverklärung unterscheidet ihn klar von Haider und auch von der gegenwärtigen FPÖ. Doch ein Hype um eine junge, dynamische Galionsfigur an der Spitze einer nach Erneuerung strebenden "Bewegung" ist in Österreich nichts Neues – ebenso wie der rechtslastige Ton, der von diesen vermeintlichen Hoffnungsträgern angestimmt wird. (Patrick Utz, 24.7.2017)