Andrea Vaz-König war früher Bankerin, heute betreibt sie zwei Lokale in Wien. Am liebsten verbringt sie ihre Zeit aber in ihrem Haus in Klein-Mariazell, wo die Möbel Geschichten erzählen und die Bäume wie Freunde sind.

"Eigentlich bin ich eine Städterin. Bevor ich hierherkam, kannte ich nur Rosen, Tulpen und Gänseblümchen. Aber als wir Eltern wurden, wuchs in uns der Wunsch nach einem Platz im Grünen. Ich wollte in der Einöde sein, damit mir niemand auf den Bauch schauen kann. Dieses Haus haben wir dann durch eine frühere Arbeitskollegin gefunden.

Andrea Vaz-König in der Küche ihres Hauses in Klein-Mariazell. Das ehemalige Mesnerhaus aus Stein war ursprünglich einstöckig, wurde aber vor einigen Jahren um- und ausgebaut.
Foto: Pilo Pichler

Ausschlaggebend war, dass das etwa 2000 m² große Grundstück flach und somit perfekt zum Spielen für die Kinder war. Der Bach, der über das Grundstück verläuft, hat mich total verzaubert. Und das Haus, das ehemalige Mesnerhaus, ist aus Stein und angeblich 300 Jahre alt. Wir haben es 2004 gekauft – aber unter Vorbehalt: Mein Mann hätte sich ein Haus auf einer Anhöhe gewünscht. Wir haben dann vereinbart, dass wir es verkaufen, wenn wir ein solches finden.

Seither hat mein Mann, ein gelernter Tischler, so viel Zeit und Liebe in das Haus investiert, dass das nicht mehr infrage käme: Erst haben wir über einem Eiskeller am Grundstücksrand ein Büro inmitten der Bäume gebaut. Dann haben wir dieses Haus umgebaut und aufgestockt. Unser Baumeister nannte uns Zweckarchitekten, weil wir während des Umbaus so viele spontane Ideen hatten. An der aufgehängten Stiege aus Stahl etwa haben wir ewig herumgetüftelt. Auch die Idee zu den Dachflächenfenstern hatten wir erst, als die Arbeiten schon im Gange waren. Dann haben wir beschlossen, auf eine Wand zu verzichten, die statisch wichtig war. Am Ende wurden stattdessen Pfeiler eingebaut. Der Umbau hat über zwei Jahre gedauert, weil wir im Innenausbau alles selbst gemacht haben. Fertig sind wir seit 2012 – wobei, wirklich fertig werden wir wohl nie werden.

Fotos: Pilo Pichler

Ich würde sagen: Hinter unseren Möbeln steht die Geschichte unseres Leben. Einiges war schon hier und wurde von meinem Mann optimiert, die Küche zum Beispiel. Im Zuge des Aus- und Umbaus haben wir auch realisiert, dass wir sehr viele Sachen haben. Den Schreibtisch meines älteren Sohnes hat mir mein Vater geschenkt. Der vom jüngeren und die Kuckucksuhr sind vom Großvater meines Mannes – ich habe die Uhr aber deaktiviert, weil sie mir zeigt, wie schnell die Zeit vergeht. Dann haben wir Möbel von meiner Schwiegermutter, einiges haben wir gebraucht online erstanden. Außer einem Sofa haben wir am Ende nichts neu gekauft.

Fotos: Pilo Pichler

Wir haben noch eine Mietwohnung in Wien. Aber hier auf dem Land fühlt es sich mehr wie Leben an. Der Garten ist mein Outdoor-Wohnzimmer, auch im Herbst und Winter. Diese Jahreszeiten haben mich in Wien immer deprimiert. Hier ist das anders: Im Winter bleibt der Schnee liegen. Und den Herbst erlebe ich hier nicht als grau, sondern als bunt.

Foto: Pilo Pichler

Wenn man viel Zeit in der Natur verbringt, dann macht das etwas mit einem – im positivsten Sinn. Ich habe das Gefühl, man schließt Freundschaft mit den Bäumen und den Pflanzen, weil man sie jeden Tag sieht. Früher habe ich ganze Samstage im Gartencenter verbracht und angekarrt ohne Ende. Irgendwann hab ich meine Strategie geändert und begonnen, mit einem Bestimmungsbuch zu schauen, was hier wächst: Bärlauch, Taubnesseln, Holler, Johanniskraut zum Beispiel. Das inspiriert mich für mein Lokal.

Unseren Wohntraum haben wir uns längst erfüllt. Als ich noch in der Bank gearbeitet habe, habe ich mir für das Wochenende immer Arbeit mitgenommen. Ich konnte nie richtig abschalten. Heute ist es schon bei der Autofahrt hierher, als würde jemand meine Festplatte löschen. Und wenn ich etwas in Wien vergesse, dann ist das auch egal. Dann setze ich mich einfach an den Bach zu meinen Libellen." (31.7.2017)