Die Überwachung von Messenger-Diensten über Schadsoftware sorgt in der SPÖ für intensive Debatten.

Foto: Getty Images/iStockphoto

Wien – In der SPÖ rumort es wegen des von Innen- und Justizministerium geplanten Sicherheitspakets. Als Erster wagte sich am Donnerstag Justizsprecher Hannes Jarolim aus der Deckung, der in mehreren Interviews meinte, es sei "absolut nicht vorstellbar", dass die SPÖ den Gesetzesentwürfen zur Ausweitung der polizeilichen Überwachungsmöglichkeiten in der aktuellen Form zustimmt.

Hauptstreitpunkt ist die geplante Überwachung von Messenger-Diensten wie Whatsapp und Skype. Da über sie verschlüsselt kommuniziert werden kann, soll der Polizei die Möglichkeit eingeräumt werden, eine Software auf den Handys oder Computern von Verdächtigen zu installieren. Im Visier hat man aber auch Online-Adressbücher, Mails und Newsgroups. Noch gibt es diese Schadsoftware freilich gar nicht, das Innenministerium müsste sich bis August 2019 erst einen Anbieter suchen – so steht es im Gesetzesentwurf. Für Jarolim zeigt das nur, dass kein Grund zur Eile besteht.

Grundsätzliche Bedenken

Er hat aber auch grundsätzliche Bedenken gegen den Einsatz eines solchen "Bundestrojaners", auch wenn die Software offiziell gar nicht so genannt wird. Ursprünglich sei vereinbart gewesen, im Kampf gegen organisierte Kriminalität und Terror nach anderen Möglichkeiten der Überwachung von Internettelefonie zu suchen.

Auf massive Kritik stößt bei Jarolim auch, dass die Polizei auch in Wohnungen eindringen dürfte, um das Programm auf Computersystemen zu installieren. Dadurch werde der Kreis der Zielpersonen "enorm erweitert", wie der Justizsprecher zum STANDARD sagt.

Schieder trägt Linie mit

Vom roten Klubchef im Parlament, Andreas Schieder, wird die Linie mitgetragen. "Ein Gesetz mit einem Bundestrojaner war nicht ausgemacht, dem werden wir sicher nicht zustimmen", sagt er zum STANDARD. Auch beim Rechtsschutz gehe die Vorlage des Justizressorts "weit über das Vereinbarte hinaus". Er will nun einmal die Begutachtung, die bis zum 21. August läuft, abwarten und dann über die weitere Vorgangsweise entscheiden.

Die Kritik des roten Parlamentsklubs ist jedenfalls deutlich schärfer als jene von Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil, der zuletzt gemeint hatte, er stehe grundsätzlich zum Sicherheitspaket, es brauche aber noch technische Präzisierungen.

Sicherheitsthema nicht ÖVP und FPÖ überlassen

Der Burgenländer ist in einer schwierigen Situation. Er hat von Kanzler und SPÖ-Chef Christian Kern eigentlich den Auftrag, das Sicherheitsthema nicht der ÖVP oder den Freiheitlichen zu überlassen.

Hinter vorgehaltener Hand erzählen daher Rote, dass man die Kritik der Parlamentsfraktion nicht überbewerten dürfe und es durchaus möglich sei, einen gemeinsamen Beschluss mit der ÖVP noch vor der Nationalratswahl am 15. Oktober zustande zu bringen.

Beschluss verschieben?

Diese Sicht der Dinge vertreten aber eben nicht alle Roten, es gibt auch einen Flügel, der vor allem auf die Datenschützer hört und darauf drängt, das Sicherheitspaket auf einen Termin nach der Nationalratswahl zu verschieben.

Die Überlegung dahinter: Da nicht nur die Grünen und die Neos Bedenken gegen die Vorhaben der schwarzen Minister Wolfgang Brandstetter und Wolfgang Sobotka haben, sondern auch die als ÖVP-Partner gehandelten Freiheitlichen eine Zustimmung kategorisch ausgeschlossen haben, "wäre es taktisch gescheiter, die ÖVP ausrutschen zu lassen", wie es ein Roter formuliert. Sobotka forderte Kern jedenfalls schon einmal auf, "hier für Ordnung zu sorgen". Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) warf der SPÖ "Flipflop-Mentalität" vor.

Schon vielem zugestimmt

Was für die Roten nicht unheikel ist. Bei vielen anderen Punkten des Sicherheitspakets haben sie längst grundsätzlich Ja gesagt.

  • Handywertkarten: Derzeit kann man sich einfach im Supermarkt eine SIM-Karte kaufen und damit anonym telefonieren und im Netz surfen. Das soll sich aufhören, da das Sicherheitspaket auch eine Registrierungspflicht für sogenannte Prepaid-SIM-Karten vorsieht. Die Regelung ist umstritten, da sie für Mobilfunker einen beachtlichen Mehraufwand bedeutet. Zudem ist die Mobilfunkbranche skeptisch bezüglich der Sinnhaftigkeit der Regelung. So könnten SIM-Karten etwa einfach weitergegeben oder mit gefälschten Dokumenten erworben werden.
    In Österreich nutzen derzeit mehr als 5,1 Millionen Kunden Wertkartenangebote. Davon dürften drei bis vier Millionen nicht registriert sein. Und die können weiterhin anonym genutzt werden, weil Aufwand und Kosten einer nachträglichen Registrierung zu hoch wären. Dennoch: Bereits im aktualisierten Regierungsprogramm vom Jänner hat die SPÖ einer Registrierung von Wertkartenhandys zugestimmt.

  • Quick Freeze: Durch eine Anordnung der Staatsanwaltschaft soll ein Telekombetreiber künftig auch Vorratsdaten bis zu zwölf Monate lang speichern müssen – auch das steht bereits im Regierungspakt.

  • Straßenüberwachung: Asfinag, Verkehrsbetriebe und Bahnhöfe werden verpflichtet, auf Ersuchen der Sicherheitsbehörden unverzüglich Bilddaten zu übermitteln oder Zugang zu Echtzeitstreamings zu gewähren. Nicht nur Autokennzeichen sollen gespeichert werden dürfen, auch Zusatzinfos wie Automarke, Typ und Farbe sollen für Fahndungszwecke verwendet werden können. Das war sogar ein expliziter Wunsch der Sozialdemokraten.

Was weiters geplant ist:

  • IMSI-Catcher: Auch der Einsatz sogenannter IMSI-Catcher soll nun gesetzlich geregelt werden. Ein IMSI-Catcher schaltet sich zwischen das Handy und die gemeinhin als "Handymast" bekannte Basisstation, sodass tatsächlich auch Gespräche belauscht werden können oder der Standort lokalisiert werden kann, ohne dass Netzanbieter und Kunden etwas davon mitbekommen.

  • Netzsperren: Künftig sollen Internetseiten mit Pornografie, gewaltverherrlichenden Darstellungen oder Urheberrechtsverletzungen einfach gesperrt werden können. Das sollen Mobilfunker oder Provider selbst machen – bisher war das nur via Gericht möglich. (Günther Oswald, Markus Sulzbacher, 27.7.2017)