Immer mehr junge Menschen streben ein Universitätsstudium an. Das ist ein gesundes Zeichen für den Wunsch nach Ausbildung, Erkenntnisgewinn, gesellschaftlicher Verantwortung und Sinnfindung.

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Die Diskussion über die Finanzierung und Reform der Universitäten kreist seit Jahren um das zum Dogma erhobene Phänomen des "Massenansturms auf die Universitäten", als gelte es, einer drohenden Naturgewalt mit Entschlossenheit entgegentreten zu müssen. Der von manchen Entscheidungsträgern als neue Politik bezeichnete Lösungsansatz ist die in Wahrheit überalterte Forderung nach Beschränkung.

Aufs Wesentliche beschränkt soll das Studienangebot sein, auf besonders leistungswillige und mit – im kompetitiven Verfahren nachgewiesenen – Vorkenntnissen ausgestattete Studienbewerberinnen und -bewerber eingeschränkt soll das erste Semester starten und nach idealtypischem und prüfungsaktivem Studium den Typus einer aktuell nachgefragten akademischen Arbeitskraft hervorbringen. Dieses Konzept ist weder neu noch innovativ, es behindert Lehre und Forschung und untergräbt die vielzitierte Wissensgesellschaft und damit die Zukunft von Generationen.

Frischer Innovationsgeist

Die wachsende Zahl junger Menschen, die ein Universitätsstudium anstreben, ist ein gesundes Zeichen für den Wunsch nach Ausbildung, Erkenntnisgewinn, gesellschaftlicher Verantwortung und Sinnfindung. Es ist töricht und falsch, diesen Menschen gegenüber das politische Signal "Wir brauchen euch nicht!" auszusenden, denn wir brauchen diese Menschen und ihren frischen Innovationsgeist.

Das muss in einer gegenüber den Nachkriegsjahren demografisch veränderten Gesellschaft selbstverständlich von unterstützenden flankierenden Maßnahmen begleitet sein, etwa einer professionell eingerichteten Studieneingangsphase, die diesen Namen verdient und entsprechend zu finanzieren ist. Wer jedoch den Wirkungsbereich der Universitäten beschränkt, schränkt Erkenntnis und Wissensdurst ein, statt mit Reformen anzusetzen, wo sie dringend nötig wären, wie zum Beispiel zur Beseitigung eines längst überholten Kuriensystems. Sehen wir uns doch an, was in den letzten 15 Jahren an Österreichs Universitäten reformiert wurde.

Was bisher geschah

2002 entließ der Gesetzgeber die Universitäten in die eigenverantwortliche Autonomie zur Selbstverwaltung eines Budgetnachlasses. 2009 trat für die Universitätsbediensteten ein Kollektivvertrag in Kraft, für dessen Starthilfe die zugesagte Finanzierung ausblieb. Der Nachlass sollte wohl oder übel dafür reichen. Längst profitieren die Universitätsleitungen von flacheren Jahresverdienstkurven und All-inclusive-Verträgen des Personals. Jedes Jahr verschlechtern sich die Betreuungsverhältnisse zwischen Lehrenden und Studierenden, obwohl in vielen Fachbereichen Zulassungsbeschränkungen bereits eingerichtet sind.

Universität als "Universitätsbetrieb"

Die Situation lässt sich in Zahlen sehr eindrucksvoll nachzeichnen, wenn man sich vor Augen hält, dass das Budget für die Universitäten im Zeitraum von 2009 bis 2015 jährlich im Schnitt um 4,47 Prozent gestiegen ist, während die Vollzeitäquivalente des Lehrpersonals um 1,75 Prozent zurückgegangen sind, andererseits die Anzahl der Studierenden um 13 Prozent und jene der Studienabschlüsse um 27 Prozent zugenommen hat. Man kann daher ohne jede Übertreibung von einem bemerkenswerten Anstieg des Wertschöpfungspotenzials bei gleichzeitig sich verschlechternden Arbeits- und Studienbedingungen sprechen.

Einsatz, Enthusiasmus, Improvisationsgabe

Und wer die Praxis an den 21 österreichischen "Universitätsbetrieben" kennt, weiß, dass diese "Leistungsbilanz" nur deshalb erreicht wird, weil tausende Universitätsangehörige dank ihres Einsatzes und Enthusiasmus mit innovativer Improvisationsgabe über weite Strecken unbezahlt dieses Ergebnis Jahr für Jahr im wahrsten Sinne des Wortes erarbeiten. Karriereperspektiven, Arbeitsplatzsicherheit und Kündigungsschutz sind dabei Vokabeln aus einer weit entfernt anmutenden Arbeitswelt-Vergangenheit, nicht zuletzt dank eigenwilliger Interpretationen von Kollektivvertragsbestimmungen durch die Arbeitgeberseite.

Budgetäre Unterdotierung

Auf Grund des überraschenden Nationalratsbeschlusses über zusätzliche Finanzierungsmittel vom 28. Juni 2017 wird Vorsorge getroffen, dass der laufende Betrieb auch für die Leistungsvereinbarungsperiode ab 2019 gesichert ist, ohne die Substanz des Nachlasses angreifen zu müssen.

Das ist es – nicht weniger, aber auch nicht mehr! Denn was bitte will man denn bei der jahrelangen notorischen budgetären Unterdotierung mit der beschlossenen Finanzspritze "Zusätzliches" finanzieren? Studienplätze? Im Abhängigkeitsdreieck von Budget – Ressourcen – Studierenden wäre das nichts anderes als eine empfindliche Reduktion des dritten Postens, nämlich der Anzahl der Studierenden, eine Notbremse vor dem drohenden Konkurs!

Transparentes Return on Investment

Und vergessen wir nicht, aus welcher tagespolitischen Motivation dieser Nationalratsbeschluss zustande kam: aus antikoalitionärer Taktik und Trotzhaltung. Die Kommentare vieler für den Kompetenzbereich zuständiger Politiker liefern reichhaltige Beweise dafür. Mit großem Erstaunen erfährt der Steuerzahler, dass die Finanzierung der Universitäten die Republik ins finanzielle Chaos zu stürzen drohe, dass Geld hinausgeschmissen werde, welches wir nicht haben, dass Geld ohne Strategie keine Probleme löse und dass Geld nicht alles heilt. In welchem Ton und auf welchem Niveau wird hier diskutiert und was glauben diese Volksvertreter eigentlich, was mit Geld an Universitäten geschieht?

Der Return on Invest, den ein Bundesratsabgeordneter vermisst, ist an öffentlichen Universitäten so, wie es sich gehört – öffentlich: in Wissensbilanzen, in Publikationen, in Projekten, in Kooperationen, in den Biografien von Absolventinnen und Absolventen und – im Falle von Kunstuniversitäten – in zahllosen kulturellen Veranstaltungen im In- und Ausland. Abgesehen davon ist die Gebarung der Universitäten zu veröffentlichen und wird regelmäßig durch die Universitätsräte, Rechnungsprüfer und den Rechnungshof geprüft – das alles garniert mit einem verpflichtenden, beispiellosen, die Forschung und forschungsgestützte Lehre hemmenden Berichtswesen, das sich kein anderes Unternehmen gefallen lassen würde. Wo gibt es diese Transparenz in der übrigen öffentlichen Verwaltung? Und wenn hier angeblich Geld ohne Strategie fließt, erhebt sich die Frage, was das zuständige Ministerium in den letzten 15 Jahren beim Abschluss der Leistungsvereinbarungen eigentlich verhandelt hat.

Falscher Ansatz

Lassen wir die Ausreden und die vielzitierte "neue Politik" kurz beiseite: Die Universitäten benötigen zuallererst ein budgetäres Kontingent der Mindestplanbarkeit. Es geht nicht an, dass viele Rektorinnen und Rektoren von einer Budgetperiode zur nächsten nicht wissen, ob das Geld für den im Moment laufenden Betrieb im nächsten Jahr noch da ist. Dabei handelt es sich vornehmlich um Personalkosten, denn diese sind im Budgethaushalt jeder Universität der höchste Betrag.

Die wichtigste Forderung zielt auf eine grundlegende Neuausrichtung der Denkweise zur Ausgestaltung und Ausstattung des tertiären Bildungsbereichs ab. Es bedarf einer Neubewertung zur Prioritätensetzung mit dem Ziel einer auf friedlicher Koexistenz aufbauenden Wissens-, Werte- und Kulturgesellschaft. Ohne Zweifel haben Universitäten seit Jahrhunderten in diesem Bereich große Aufgaben und einen wichtigen Platz. Die zurzeit herrschende Doktrin einer Reduktion des tertiären Bildungsbereichs auf einen Lieferanten von Ausbildungsplätzen für vorgeblich planbare Arbeitsplätze ist ein komplett falscher Ansatz. Der Horizont der Universitäten muss weit darüber hinausgehen und müsste auch die für diesen Bereich politisch Verantwortlichen erfassen. (Stefan Schön, 28.7.2017)