Was Frauen hilft, wirkt bei Männern oft nicht.

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Männern und Frauen sind auf sehr unterschiedliche Art und Weise anfällig für bestimmte Krankheiten, diese Tatsache haben Mediziner und Pharmazeuten seit einigen Jahren immer stärker im Blick. "Wir wissen, dass etwa entzündliche Erkrankungen wie Asthma, Psoriasis oder Rheumatoide Arthritis bei Frauen sehr viel häufiger vorkommen als bei Männern", sagt Oliver Werz von der Friedrich-Schiller-Universität Jena.

Der Pharmazeut und sein Team haben jetzt gemeinsam mit Fachkollegen aus Italien, Dänemark und Schweden eine wesentliche Ursache für diese Unterschiede auf molekularer Ebene aufgeklärt. In zwei Publikationen in den Magazinen "Journal of Clinical Investigation" und "Scientific Reports" zeigen sie, wie das männliche Sexualhormon Testosteron in die Biosynthese von Entzündungssubstanzen eingreift und darüber hinaus auch die Wirksamkeit von entzündungshemmenden Medikamenten vermindert.

Dazu haben die Forscher in unterschiedlichen Tiermodellen, aber auch an Immunzellen aus dem Blut von männlichen und weiblichen Versuchspersonen, Entzündungsprozesse detailliert analysiert und verglichen. Möglich machte das ein eigens entwickeltes Zellsystem, mit dem sich die ablaufenden Prozesse zeitaufgelöst und hochpräzise im Mikroskop beobachten lassen. "Wir haben die Bildung von entzündungsfördernden Substanzen, wie Leukotrienen und Prostaglandinen, untersucht und geschaut, ob sich die Wirkung von Entzündungshemmern in männlichen und weiblichen Zellen unterscheidet", so Werz.

Ausgeprägteres Entzündungsgeschehen

Erwartungsgemäß war die Wirkung der untersuchten Substanzen in den weiblichen Zellproben deutlich größer als in den männlichen – schließlich ist bei ihnen das Entzündungsgeschehen insgesamt deutlich ausgeprägter. "Diese Unterschiede lassen sich aber durch die Gabe von Testosteron komplett ausgleichen", sagt Simona Pace, die Erstautorin der beiden Publikationen. Dass Testosteron vor Entzündungserkrankungen schützen kann, haben verschiedene Studien bereits früher belegt. "Jetzt konnten wir aber den molekularen Wirkmechanismus aufklären und zeigen, dass dies auch die therapeutische Wirkung von Arzneistoffen beeinflusst", so Pace.

So zeigten die Forscher zum einen, dass das Sexualhormon unmittelbar in die Biosynthese der Leukotriene eingreift, indem es die Wechselwirkung der dafür notwendigen Eiweiße "5-Lipoxygenase" und "FLAP" blockiert. Zum anderen konnten sie nachweisen, dass durch die verminderte Leukotriensynthese vermehrt Prostaglandine entstehen, die ihrerseits das Entzündungsgeschehen fördern. Dem Testosteron kommt damit eine Schlüsselrolle bei der Entstehung von Entzündungen und der Modulation der Immunantwort zu.

Die Ergebnisse sind ein konkreter Anhaltspunkte für die Notwendigkeit einer geschlechtsspezifischen Medizin. "Entzündungshemmende Wirkstoffe, die für Frauen geeignet wären, zeigen bei Männern unter Umständen nur eine geringe Wirkung und umgekehrt", bringt Werz es auf den Punkt. Der Griff in den Medizinschrank könne also zu ganz unterschiedlichem Behandlungserfolg führen. Eine Tatsache, der in der Entwicklung neuer Medikamente – insbesondere zur Behandlung von Entzündungserkrankungen – künftig deutlich stärker Rechnung getragen werden müsse, so die Wissenschafter. (red, idw, 29.7.2017)