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Wien/Rom – "10.000 Flüchtlinge in vier Tagen: Italien droht mit Hafensperre", "44 Prozent mehr Ankünfte in Italien", "In Italien stauen sich die Flüchtlinge" – so und so ähnlich lauteten Schlagzeilen deutschsprachiger Medien in den vergangenen Monaten. In Österreich warnten Politiker vor einer neuen "Flüchtlingskrise" und forderten Grenzsperren und die Verlegung von Panzern an die Grenze zu Italien. Tatsächlich hat sich die Zahl der an Italiens Küsten angekommenen Flüchtlinge und Migranten zuletzt markant verringert, im Vormonat halbierte sie sich gegenüber Juli 2016.

11.322 Personen gelang laut UNHCR die Überfahrt im vergangenen Juli, in den Vergleichsmonaten 2014 bis 2016 waren die Zahlen mit 23.186 bis 24.031 Personen jeweils mehr als doppelt so hoch.

Der starke Rückgang im Juli könnte auch eine Trendwende bedeuten. Von Anfang bis zum 2. August 2017 trafen 95.215 Migranten in Italien ein. Im Vergleichszeitraum 2016 waren es noch 97.892 Migranten gewesen, was einem Rückgang von 2,7 Prozent entspricht, berichtete das Innenministerium.

Der stärkere Einsatz der libyschen Küstenwache, der von Italien im Rahmen einer EU-Mission bisher mit einem Schiff unterstützt wird, zeige Resultate, teilte das Innenministerium in Rom am Mittwoch mit.

Parlament für Militäreinsatz

Wenig danach stimmte auch das Abgeordnetenhaus dafür, diesen Einsatz noch weiter auszubauen. Die Parlamentarier ermächtigten die Regierung zu einem Militäreinsatz vor der libyschen Küste, um so der Küstenwache des afrikanischen Staates noch effektiver helfen zu können. Italien werde der libyschen Küstenwache mit zwei Schiffen technische und logistische Unterstützung im Kampf gegen Menschenschmuggel leisten, bestätigte Verteidigungsministerin Roberta Pinotti. Die Mission soll vorerst bis zum 31. Dezember 2017 dauern.

Am Nachmittag gab dann auch der Senat in Rom Grünes Licht für den Militäreinsatz zur Bekämpfung des Menschenschmuggels. 170 Senatoren votieren für die Regierungsvorlage.

Laut dem italienischen Ministerpräsidenten Paolo Gentiloni könnte der Einsatz einen Wendepunkt in der Flüchtlingskrise darstellen. Italien erhofft sich davon eine Stabilisierung des vom Bürgerkrieg zerrissenen Landes und eine bessere Kontrolle der Flüchtlingsströme. Von Libyen aus starten die meisten Migranten die gefährliche Fahrt über das Mittelmeer in Richtung Europa. In diesem Jahr kamen in Italien bereits 95.215 Flüchtlinge an.

Die geringeren Ankünfte können nicht auf das Wetter zurückgeführt werden, denn das sei im Juli für Meeresüberfahrten sehr gut gewesen. Vor allem seit dem Treffen zwischen dem italienischen Innenminister Marco Minniti und 13 Bürgermeistern von libyschen Städten vor zwei Wochen sei die Zahl der Flüchtlingsankünfte zurückgegangen.

Schiff von deutscher NGO aufgehalten

Unterdessen sorgte am Mittwoch die Kontrolle eines Schiffes einer deutschen Hilfsorganisation für Aufsehen. Die italienische Küstenwache hielt in der Nacht auf Mittwoch ein Schiff der Nichtregierungsorganisation Jugend Rettet vor Lampedusa auf.

Die Staatsanwaltschaft der sizilianischen Stadt Trapani hat das Schiff beschlagnahmt. Die "Iuventa" sei wegen des Verdachts der Beihilfe zur illegalen Migration beschlagnahmt worden, teilte die Polizei mit. Demnach wurde das Schiff vor der Insel Lampedusa festgesetzt.

Die Besatzung des Schiffes mit niederländischer Flagge wurde von der Polizei befragt. An Bord befanden sich 16 Crewmitglieder. Bei den Ermittlungen, die bereits im April aufgenommen wurden, gehe es um mögliche direkte Beziehungen zwischen Crewmitgliedern und mutmaßlichen Schleppern, berichteten italienische Medien. Der Verdacht sei von abgehörten Telefongesprächen ausgegangen. Die Staatsanwaltschaft wollte den Medienbericht am Mittwoch nicht kommentieren.

Mögliche Beziehungen zu Schleppern

"Jugend Rettet" hatte am Mittwoch betont, es habe sich lediglich um eine Routinekontrolle gehandelt, bei der Papiere und das Schiff "Iuventa" kontrolliert worden seien. Solche Kontrollen kommen bei den NGOs, die Migranten aus dem Mittelmeer retten, öfter vor.

Zwei syrische Flüchtlinge, die sich an Bord des Schiffes befanden, wurden zu einer Flüchtlingseinrichtung auf der Insel gebracht.

Bei den Ermittlungen geht es laut italienischen Medien es um mögliche direkte Beziehungen zwischen Crewmitgliedern und mutmaßlichen Schleppern. Der Verdacht sei von abgehörten Telefongesprächen ausgegangen. Die Staatsanwaltschaft wollte den Medienbericht am Mittwoch nicht kommentieren.

Insgesamt kamen in den ersten sieben Monaten des Jahres 113.626 Menschen in den Mittelmeeranrainerstaaten der EU an. 2016 waren es im selben Zeitraum 257.393 und im Jahr davor 225.876 Personen. (mcmt, APA, 1.8.2017)