Auch SOS-Kinderdorf leistet in über 25 Ländern Nothilfe. Aktuell etwa durch Wasserversorgung und Nahrung in den von Dürre und Hunger schwer betroffenen Ländern Ostafrikas und durch kostenlose medizinische Betreuung von Kindern und Familien, wie hier in Mogadischu und Baidoa.

Foto: SOS-Kinderdorf

Wien – Humanitäre Hilfe ist mehr als ein Akt selektiver Barmherzigkeit", versucht Gerald Schöpfer, Präsident des Österreichischen Roten Kreuzes, am Donnerstag im Vorfeld des Welttages der humanitären Hilfe den Begriff zu erklären. Es gehe darum, "Menschen, die durch Konflikte oder Katastrophen in Not geraten sind, nach dem Maß der Not zu helfen". Herkunft und Religion spielen dabei keine Rolle.

Doch diese Hilfe wird schwieriger. Helfer kommen vermehrt selbst in Gefahr. "Krisen dauern immer länger, Auseinandersetzungen werden brutaler, die Grundsätze der humanitären Hilfe werden nicht mehr eingehalten", sagt Schöpfer. Das Rote Kreuz und seine Schwesterorganisation Roter Halbmond helfen in 190 Ländern. In Syrien wurden seit 2011 50 Mitarbeiter getötet.

Kritik am Ton im Wahlkampf

In Vorwahlzeiten werde der Ton rauer, doch nie zuvor habe man sich so auf Hilfsorganisationen eingeschossen, so Schöpfer. Die Politik sollte nicht die "stille Masse" an Österreichern vergessen, die freiwillige Hilfe leistet. Im Roten Kreuz seien das 73.600 Mitarbeiter und eine Million Menschen, die durch Zeit-, Geld- oder Blutspenden unterstützen.

Man habe sich bis Ende 2016 auf Schiffen im Mittelmeer an Rettungsaktionen beteiligt, so Schöpfer, der betonte, dass er keine Belege für Kooperationen von NGOs mit Schleppern kenne. "Unreflektierte Kritik an NGOs, die Menschen nach Vorgaben der Behörden im Meer retten", lehne er ab.

"Man kann das Mittelmeer nicht einfach zusperren wie eine Skipiste", so Schöpfer. Menschen machen sich zudem auch dort – etwa aus dem Jemen – auf den Weg über das Wasser, wo keine Hilfsschiffe kreuzten. "Es ist Verzweiflung, die diese Menschen übers Meer treibt", so Schöpfer, der glaubt, dass die Zahl von rund 20 Toten am Tag steigen werde, wenn man Hilfe auf See unterlasse. Hier versage die Politik der EU, was "vollkommen inakzeptabel" sei und "Europas nicht würdig".

Österreich in Flüchtlingsfrage versagt

Kooperationen mit Ländern, aus denen Menschen nicht wegen akuter Katastrophen fliehen, wie Nigeria oder Mali, begrüße er. "Aber ein Lager zu betreiben, wo Menschenrechte nicht gelten", dafür sei man nicht zu haben. Libyen sei kein verlässlicher Verhandlungspartner, konkretisierte der einstige ÖVP-Landesrat Schöpfer und spielte auf innenpolitische "Lösungsvorschläge an, die keine sind". Überhaupt habe Österreich in der Flüchtlingsfrage versagt.

Caritas-Präsident Michael Landau warnte per Aussendung zum Welttag vor der Hungerkatastrophe in Ostafrika: "Solange Kinder verhungern, haben wir als Gesellschaft versagt", vor allem da man Technik und finanzielle Mittel habe, um das Leid zu verhindern.

128 Millionen Menschen benötigen derzeit weltweit humanitäre Hilfe, 65 Millionen von ihnen sind auf der Flucht, 40 Millionen davon sind Flüchtlinge im eigenen Land. Die verbleibenden 25 Millionen sind vor allem in der Türkei, Uganda, Jordanien und im Libanon, nur ein Bruchteil kommt nach Europa. Neben Einsätzen bei Hunger- und Klimakatastrophen gehe ein Großteil der humanitären Hilfe an Flüchtlinge. Hier wird man künftig mehr Mittel brauchen, darin sind sich alle Organisationen einig.

Reiches Armutschgerl

Die Uno schätzt, dass sie 2017 für humanitäre Aktivitäten ihrer eigenen Organisationen wie des World Food Programme (WFP) und des Flüchtlingshochkommissariats (UNHCR) insgesamt rund 21 Milliarden Euro benötigen wird. Das Internationale Rote Kreuz bräuchte für alle geplanten Einsätze rund 1,6 Milliarden, nur rund zwei Drittel davon werden vermutlich auch finanziert werden.

Bei den Ausgaben für humanitäre Hilfe im internationalen Bereich sei "das reiche Österreich ein Armutschgerl", so Schöpfer. 22,7 Millionen Euro gebe man hier aus, vergleichbare Staaten wie Dänemark (306 Mio.), die Schweiz (332 Mio.) und Schweden (409 Mio.) investierten viel mehr. Von der künftigen Regierung wünsche er sich "Planbarkeit durch mehrjährige Finanzierungen und eine stufenweise Erhöhung der Auslandshilfe von fünf Millionen im Jahr". (Colette M. Schmidt, 17.8.2017)