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Mit der Xbox One X bringt Microsoft am 7. November die bisher stärkste Konsole auf den Markt, doch die internationale Presse zeigt sich bislang wenig begeistert von Microsofts Bemühungen, das neue Flaggschiff zu bewerben: Grafik-Upgrades für bestehende Spiele, 4K-Auflösung und höhere Bildraten klingen interessant, doch was eine neue Konsole in jedem Fall haben sollte, sind Spiele, so die Kritiker. Damit sind exklusive Spiele gemeint, die die Vorzüge der Hardware besonders hervorheben und den Kauf einer Xbox One X rechtfertigen. Genau hier liegt Microsofts größte Schwäche, denn außer ein "Forza 7" für Rennspiel-Liebhaber erscheint heuer kein einziger exklusiver Xbox-Blockbuster aus den eigenen Reihen mehr.

Lediglich optische Verbesserungen

Rund 100 Games sollen auf der Xbox One X zusätzlich optisch aufgewertet werden, sodass die Kraft der kleinen Maschine auch bei älteren Titeln vollständig genutzt wird. 4K-Auflösungen machen Spiele noch schärfer, wobei auch 60 FPS bei Full-HD möglich sein sollen. Für "Minecraft" erscheint beispielsweise ein Super Duper Grafik-Pack, das allerdings auch auf dem PC, One S und Switch erhältlich sein wird. Dank Downsampling sollen auch Besitzer eines 1080p-Fernsehers von der 4K-Auflösung profitieren. Auch 4K-Bildschirmvideos mit 60 FPS können aufgezeichnet werden, was besonders für Let’s-Player interessant sein dürfte. Der Controller der neuen Konsole bleibt unverändert und ist ident mit der Version für die Xbox One und One S.

"Xbox-Manager und Spielentwickler gaben uns einen Überblick über die coolen Dinge, die die X1X für Spiele ermöglichen. So wie bei der PS4 Pro zuvor, ist jedoch auch hier so manches verwirrend", berichtete Stephen Totilo vom Branchenblog Kotaku bereits im Anshluss an eine E3-Veranstaltung von Microsoft. "Einige der Verbesserungen haben nur eine Bedeutung, wenn man über einen 4K-Fernseher verfügt, andere wiederum nicht. Und manche der Dinge, die Microsoft zeigte – beispielsweise für 'Minecraft' – scheinen überhaupt keine X1X zu benötigen".

Fehlende Exklusivtitel

Microsoft scheitert allerdings im vielleicht wichtigsten Punkt beim Verkauf von Konsolen: Exklusivtitel. Nachdem "Crackdown 3" auf 2018 verschoben wurde, erwartet interessierte Käufer nur "Forza 7", wobei auch Besitzer der Xbox One und One S sowie PC-Spieler in den Genuss der Rennsimulation kommen. Im ewigen Kampf zwischen Sony und Microsoft konnten exklusive Triple-A Blockbuster Kunden zum Kauf bewegen. Während Playstation-Nutzer im Jahr 2017 Titel wie "Horizon Zero Dawn", "Uncharted: The Lost Legacy", "Hellblade", "LawBreakers" und viele andere exklusive Games spielen können, müssen sich XBO-Besitzer mit weniger begnügen. Lediglich "Forza 7", oder "Halo Wars 2" dürften eine größere Käuferschaft ansprechen.

"Es braucht neue, aufregende Spiele und einen Grund, der die Xbox One X essentiell erscheinen lässt – ein 'Uncharted' oder ein 'Zelda: Breath of the Wild'", meint Martin Robinson von der Seite Eurogamer nach dem jüngsten Showcase auf der Gamescom. "So schön 'Forza Motorsport 7' aussieht, das ist nicht genug und zusammen mit 'Gears of War' und 'Halo' wirkt es wie die News von gestern und nicht wie die Initialzündung , die es jetzt bräuchte. Man könnte argumentieren, dass die PS4 Pro zum start auch keinen großen Vorzeigetitel hatte, aber betrachtet man Sonys bisherigen Erfolg in dieser Generation, hatte sie es auch nicht notwendig." Den einzig klugen Schachzug machte Microsoft allerdings beim Erwerb der zeitlich exklusiven Konsolenvermarktungsrechte an "Playerunknown’s Battlegrounds". Das Hype-Spiel ist bereits in der Early-Access-Phase für PC ein gewaltiger Erfolg.

Wir spielen "Playerunknown's Battlegrounds"
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Abbau der eigenen Ressourcen

Dass Microsoft nach den Jahren der technologischen Nachzüglerschaft zum Start der als "We heard you"-Konsole titulierten Xbox One X mit gar so leeren Händen dasteht, ist zu großen Teilen dem stetigen Abbau der internen Entwicklerstudios zuzuschreiben. Einst etablierte First-Party-Entwickler wie Ensemble ("Age of Empires", "Halo Wars") und Lionhead Studios ("Fable"-Serie, "Black & White") wurden in den vergangenen Jahren aufgelöst und somit verringerte sich auch die Anzahl an Exklusivtiteln. Stattdessen setzte Microsoft vermehrt auf Marketing-Partnerschaften, die unter anderem für die zeitlich begrenzte Exklusivität von "Rise of the Tomb Raider" sorgte.

Für die Branchenseite VG247 sei nun sogar der Punkt erreicht, an dem sich Microsoft überlegen sollte, die offensichtlich von internen strategischen Zerwürfnissen gebeutelte Xbox-Sparte zu veräußern. "Wenn du keine Spiele produzierst, kannst du keine Spiele verkaufen. Microsoft hat sich selbst in eine lächerliche Position manövriert, in der die Hardware bereit ist und man nichts hat, um die tolle neue Technologie zu demonstrieren. Microsoft hofft, dass Leute die Xbox One X auf Basis des Versprechens erwerben, wonach nächstes Jahr Nachschub erscheint – selbst wenn 'Crackdown 3' wohl nicht das Game sein wird, das die neue Konsole verkauft", schreibt Autor Matt Martin. "Microsoft schert sich nicht um die Xbox-Sparte. Seit Jahren wird sie stückweise verkleinert. Phil Spencer ist gut darin, ein enthusiastischer Chef zu sein, aber seine Worte verhallen im Nichts. Erst im März erklärte er, dass Exklusivtitel aus den eigenen Reihen 'kritisch' für den Marktstart der Xbox One waren. Und jetzt befindet sich die Xbox One in einer kritischen Situation."

Unaufregendes, aber sinnvolles Upgrade?

Ganz so düster sieht es Kollege Totillo von Kotaku nicht, wenn man die Xbox One X nicht als großes Comeback für Microsofts Konsolensparte betrachtet, sondern einfach als technisches Upgrade für die bestehende Generation. "Es fällt leicht, der Xbox One S gegenüber skeptisch zu sein – wie es schon bei der PS4 Pro der Fall war. Beide Konsolen bieten oberflächliche Vorzüge, ohne irgendetwas zu tun, dass sie zu 'Must-Haves' macht. Positiv betrachtet ist die Xbox One X eine mächtige Maschine, die die aktuelle Konsolengeneration jedoch nicht frühzeitig beendet. Für Leute, die Spiele genießen, ist die Xbox One X einfach eine weitere Option. Sie ist eine Box, die Games besser aussehen lässt und ob dies 500 (Euro) wert ist, lässt sich schwer sagen." (ke, zw, 23.8.2017)