Wollen auch eine Reform der Mindestsicherung – Anspruchsvoraussetzung für den Bezug soll die österreichische Staatsbürgerschaft sein: FPÖ-Chef Strache und sein Vize Norbert Hofer.

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Wien – Der Ort der Präsentation reflektiert blaue Träume. Höher hinaus als in den 35. Stock des Twin Towers am Wienerberg in Favoriten ist in Wien kaum möglich. Doch Heinz-Christian Strache lässt sich vom luftigen Ambiente nicht mitreissen. Etwas angestrengt wirkt der FPÖ-Chef, als er sich bei spektakulärem Ausblick räuspernd vor die Kameras setzt. Den folgenden halbstündigen Monolog liest er über weite Strecken vom Blatt.

Die FPÖ hat ihr neues Wirtschaftsprogramm vorgestellt. Es sind Steuerentlastungen, die durch Einsparungen in der Verwaltung finanziert werden sollen, und weniger Hürden für Unternehmer geplant.
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Dabei war Strache angetreten, um Zweifel zu beseitigen: Er stand bisher nicht im Ruf, in ökonomischen Fragen besonders sattelfest zu sein. Den Gegenbeweis soll ein 55-seitiges Heft erbringen, das die FPÖ monatelang angekündigt hat. Nun liegt das neue blaue Wirtschaftsprogramm endlich vor.

Seit Jörg Haiders Zeiten schwanken die Blauen – zumindest rhetorisch – zwischen linken und liberalen Positionen hin und her. In welche Ecke die aktuelle Ideensammlung tendiert? Strache hält dies für die falsche Frage. Der "Klassenkampf", der Arbeitgeber und -nehmer gegeneinander ausspiele, habe ausgedient, sagt er: Deshalb auch sein unumstößliches Nein zu einer Reichen-, Erbschafts- und Maschinensteuern.

Die gleichen Ziele wie Kurz

Zentrales Versprechen des freiheitlichen Katalogs ist eine "Entlastung" um mindestens zwölf Milliarden Euro; denkbar sei ein Volumen von bis zu 16 Milliarden, ergänzt Strache. Die FPÖ will etwa die von Unternehmern bezahlte Körperschaftssteuer auf nicht entnommene Gewinne von 25 auf 12,5 Prozent halbieren, darüberhinaus Lohnnebenkosten sowie die Lohn- und Einkommensteuer in undefinierter Weise senken. Steuerzuckerln für Familien und das Aus für Bagatellsteuern runden die Wunschliste ab.

Die FPÖ teilt mit ÖVP-Chef Sebastian Kurz das Ziel, die Steuer- und Abgabenquote von derzeit über 43 auf unter 40 Prozent der Wirtschaftsleistung zu senken, und das bei einem "Nulldefizit". Doch da wie dort drängt sich die Frage auf: Wie soll sich der Staat das leisten können? Unter "Gegenfinanzierung" verbuchen die Freiheitlichen eine Reihe von nicht näher konkretisierten Vorhaben, von der "Redimensionierung des Föderalismus" bis zur Verwaltungsreform im Gesundheitssytem. Der größte Brocken firmiert aber unter "Optimierung der Sozialausgaben": 3,8 Milliarden sollen hier eingespart werden.

Fell des Bären zweimal verteilt

Will die selbst ernannte Partei der kleinen Leute also Sozialleistungen kürzen? Die Antwort übernimmt Vizechef Norbert Hofer, der Strache mit dem einen oder anderen Bonmot zur Seite steht: Die geplante Steuersenkung werde starkes Wirtschaftswachstum auslösen, argumentiert er – womit die Kosten für das Arbeitslosengeld von alleine sinken würden.

Das gedruckte Programm legt allerdings nahe, dass Hofer das Fell des Bären damit zweimal verteilt: Die "Selbstfinanzierungseffekte" der Steuersenkung sind dort an anderer Stelle gesondert ausgewiesen.

Maximal ein paar hundert Millionen verspricht ein etwas konkreter ausgeführter Plan: Die Mindestsicherung soll österreichischen Staatsbürgern vorbehalten bleiben, für Flüchtlinge sind nur mehr Sachleistungen vorgesehen. EU-Bürger, relativiert Hofer, sollen den Anspruch zwar nicht ganz verlieren, aber erst nach fünf Jahren Aufenthalt erhalten. Dies sei mit dem Europarecht vereinbar, glaubt er – eine Ansicht, der namhafte Juristen in der Vergangenheit freilich widersprachen.

Familienmodell für Besserverdiener

Anderer markanter Vorschlag: Familien sollen ein alternatives Steuermodell wählen dürfen. Statt den oder die Verdiener individuell zu besteuern, soll das Einkommen nach bestimmter Gewichtung auf alle Mitglieder inklusive Kinder aufgeteilt werden. Die Lohn- und Einkommenssteuer bemisst sich dann an den errechneten geringeren Teilbeträgen. Wer Kinder hat, würde somit in günstigere Steuerklassen fallen als im alten System – und sich somit viel Geld ersparen. Diesen Vorteil will die FPÖ mit 7000 Euro im Jahr begrenzen.

Das Wirtschaftsforschungsinstitut hat allerdings bereits im Jahr 2010, als ein solches "Familiensplitting" zuletzt zur Debatte stand, Nebeneffekte aufgezeigt. Dieses Modell verspreche nicht nur umso höhere Vorteile, je größer das Einkommen ist, analysierten die Expertinnen. Die Ersparnis nehme auch mit dem Einkommensunterschied zwischen den Ehepartnern zu und sei dann am höchsten, wenn nur einer der beiden verdient. Steuersplitting fördere deshalb das traditionelle Familienmodell mit (männlichem) Alleinverdiener und stelle eine Barriere für Frauenerwebstätigkeit dar, lautete das Urteil.

Noch ein paar Milliarden für Mindestpension

Ebenfalls im blauen Programm: Bekenntnisse zur Entbürokratisierung, Kampf gegen "Pensionsprivilegien", Zusammenlegung der Sozialversicherungen, Abschaffung der "Zwangsmitgliedschaft" in den Kammern und der ORF-Rundfunkgebühren. Die Ausbildung von Lehrlingen soll stärker gefördert werden ("Blum-Bonus neu"), für die Gewerbeordnung ist eine Liberalisierung vorgesehen. Für Tourismusbetriebe sollen steuerliche Verschlechterungen der jüngeren Vergangenheit zurückgenommen werden.

Nicht auf der Agenda findet sich die Erhöhung von Mindestlohn und Mindestpension. Diese Forderungen seien aber nicht ad acta gelegt, sondern für das Sozialprogramm reserviert, erläutern Strache und Hofer. Dann werden die blauen Pläne allerdings noch um ein Eck teurer: Laut Sozialministerium würde eine generelle Mindestpension auf dem von den Freiheitlichen genannten Niveau von 1200 Euro den Staat zusätzlich zwölf Milliarden kosten.

Ob all diese Vorhaben Chance auf Umsetzung haben? Listig adaptiert Hofer sein "Sie werden sich noch wundern"-Zitat aus dem Präsidentenwahlkampf: "Sie werden sich noch freuen, was alles möglich sein wird." (Gerald John, 23.8.2017)