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Laut Studie fühlen sich überall mehr als vier Fünftel der Muslime dem Land, in dem sie leben, verbunden.

Foto: Reuters/Sezer

Wien – Es ist eine zwiespältige Situation, in der Österreichs Muslime leben. Rechtlich genießen die geschätzt 700.000 Bürger dieser Religion eine Stellung, die vorbildhaft ist – schließlich steht die islamische Glaubensgemeinschaft auf einer Stufe mit der christlichen Kirche. De facto aber ist die Kluft zwischen muslimischer Bevölkerung und dem Rest im Alltag größer als anderswo.

Zu diesem Befund kommt der neue "Religionsmonitor" der deutschen Bertelsmann-Stiftung. Aus einer Befragung von 10.000 Menschen in Österreich, Deutschland, Frankreich, Großbritannien und der Schweiz filterten die Autoren Dirk Halm und Martina Sauer heraus, wie es um die Integration von Muslimen in Europa steht.

Große Ablehnung

Ein wenig schmeichelhafter Spitzenplatz Österreichs: In keinem anderen der fünf Staaten schlägt Muslimen derart viel Ablehnung entgegen. 28 Prozent der Nichtmuslime wollen keinen Muslim als Nachbarn – in den anderen Ländern liegt die Rate bei 14 bis 19 Prozent. Kein Wunder, dass sich in Österreich besonders viele diskriminiert fühlen: Nur ein Drittel der Muslime wusste von keinen Benachteiligungen in den letzten zwölf Monaten zu berichten. In Deutschland und der Schweiz sind die Quoten fast doppelt so hoch.

Österreichs Muslime – drei Viertel haben türkische Wurzeln – bleiben hierzulande auch stärker unter sich. Ein gutes Drittel hat selten bis nie Freizeitkontakte mit Menschen anderer Religionen; in Deutschland und Frankreich trifft dies nur auf 22 Prozent zu, in der Schweiz gar nur auf 13 Prozent. Interessant ist dabei aber auch: Muslimische Männer haben durch die Bank nicht mehr interreligiöse Kontakte als Frauen. Diese Erkenntnis widerspreche der Behauptung von der besonderen Abschottung muslimischer Frauen, heißt es in der Studie.

Überhaupt sehen die Autoren das Glas eher halb voll als halb leer. In allen untersuchten Ländern habe eine Mehrheit der Muslime mindestens zur Hälfte andersreligiöse Personen in ihrem Freundeskreis, so die Conclusio, dies gelte besonders für die Nachwuchsgenerationen: "'Parallelgesellschaften' sind also nicht das vorrangige Integrationsproblem."

Zu dieser Feststellung passt: Laut Studie fühlen sich überall mehr als vier Fünftel der Muslime dem Land, in dem sie leben, verbunden. In Österreich ist der Wert zwar wieder am niedrigsten, liegt aber immerhin bei 88 Prozent.

Deutsch nicht erste Sprache

Ein anderer positiver Befund: In sämtlichen untersuchten Ländern verbessere sich die Sprachkompetenz mit jeder Generation. Doch für Österreich gilt auch: Selbst in der zweiten, also bereits hier geborenen Zuwanderergeneration stellt Deutsch für 30 Prozent nicht die erste erlernte Sprache da. Die Schweiz liegt mit 57 Prozent schlechter, Deutschland in etwa gleichauf. Den besten Wert hat Frankreich mit 93 Prozent – hier schlägt sich die Vergangenheit als Kolonialmacht, die ihre Sprache über den Erdball verbreitet hat, als Vorteil nieder.

Die Studie schreibt Frankreich noch einen anderen Pluspunkt zu. Das dortige Schulsystem sei für Einwanderer insofern vorteilhaft, als es sehr spät differenziere, also Schüler nicht bereits nach der Volksschule in Gymnasiasten und Hauptschüler einteile – im Gegensatz zum "nicht integrationsförderlichen" österreichischen Modell. Der Unterschied in Zahlen: Hierzulande erlangen 36 Prozent der im Land geborenen Muslime bereits vor dem 17. Lebensjahr ihren Schulabschluss, womit die Berechtigung für eine Hochschulkarriere fehlt. In Frankreich trifft dies nur auf ein Zehntel zu.

Bildung garantiert keinen Job

Die Grande Nation zeigt aber auch, dass Bildung allein keinen Job garantiert. Die Arbeitslosigkeit ist bei den dortigen Muslimen deutlich höher als beim anderen Bevölkerungsteil, das Gleiche gilt für Österreich: Laut Studie sind elf Prozent der Muslime arbeitslos, bei den Befragten anderen Glaubens beträgt der Anteil nur drei Prozent. "Mit Abstand" am besten schneide Deutschland ab, das bewiesen habe: Die Öffnung des Arbeitsmarktes für Einwanderer und die Förderung aktiver Erwerbsbeteiligung seien entscheidend für gelingende Integration. Allerdings tut sich Deutschland da auch leichter, weil die allgemeine Arbeitslosenquote deutlich unter der österreichischen und französischen liegt. Generell gelte: Die Einkommen von Muslimen seien überall nach wie vor stark im Hintertreffen.

Fromme Muslime arbeiteten und verdienten üblicherweise auch dann weniger, wenn sie gut gebildet sind. Dies könne an Diskriminierung liegen, aber auch daran, dass Jobs mit religiösen Symbolen und Pflichten nicht vereinbar sind. Erfahrungen aus Großbritannien, das diesbezüglich aus der Reihe tanzt, sprächen für letztere Erklärung, heißt es: In London dürfen muslimische Polizistinnen seit mehr als zehn Jahren Kopftuch tragen. (Gerald John, 24.8.2017)