"Wenn Kunden Keys bei Resellern kaufen, ist das viel schlimmer als Piraterie, weil es uns tatsächlich direkt Geld kostet. Die Einzigen, die von diesem System profitieren, sind Kriminelle."

Screenshot: Kinguin

Es war diese Woche bereits Thema im GameStandard: Das atmosphärische Horrorspiel "Darkwood" (Windows, Mac, Linux, 13,99 Euro) des polnischen Drei-Mann-Studios Acid Wizard ist nach einer erfolgreichen Kickstarter-Kampagne, vier Jahren Entwicklung und Early Access vor kurzem final erschienen – und wie die meisten Releases nach kürzester Zeit als Raubkopie auf Downloadseiten wie The Pirate Bay gelandet. Es gibt allerdings einen Unterschied: "Darkwood" wurde ohne DRM von seinen Entwicklern selbst auf die Downloadplattform gestellt.

Warum, das erklären die Macher in einem detaillierten Blogpost über die Entstehung des Spiels. Weil die von vielen Seiten angeforderten Review-Keys für ihr Spiel regelmäßig nicht zu Rezensionszwecken verwendet werden, sondern direkt an große Key-Reseller wie G2A oder Kinguin weiterverkauft werden, sähen sie sich außerstande, Gratis-Exemplare an jene Fans weiterzugeben, die sich das Spiel zum regulären Preis nicht leisten könnten. Die "Raubkopie direkt vom Entwickler" solle dazu beitragen, dieses besonders für kleine Indie-Entwickler schädliche Geschäft mit den großen Key-Resellern einzuschränken.

Key-Reseller als "Krebsgeschwür"

"Wir haben nur eine Bitte", so die Entwickler. "Wenn euch ‘Darkwood’ gefällt und ihr wollt, dass wir weiterhin Spiele machen, kauft es doch vielleicht irgendwann in einem Sale auf Steam, GOG oder im Humble Store. Aber bitte, bitte, kauft nicht bei Key-Resellern. Wenn ihr das tut, füttert ihr nur das Krebsgeschwür, das diese Industrie aussaugt."

Der Schaden, den Key-Reseller anrichten, ergibt sich nämlich bei weitem nicht nur durch die von den Entwicklern angesprochene Unmöglichkeit, legitime Key-Anfragen von anderen zu unterscheiden, sondern durch weitaus kriminellere Quellen von "günstigen" Spielekeys. Wie oft gemutmaßt und von diversen Insidern immer wieder seit Jahren bestätigt, stammen wohl viele der Spielekeys oft aus Transaktionen mit gestohlenen Kreditkartendaten.

Die Keys werden mit gestohlenen Kreditkarten gekauft, zum halben Preis auf Key-Reselling-Plattformen weiterverkauft und von deren meist ahnungslosen Kunden aktiviert. Wenn der ursprünglich geschädigte Kreditkartennutzer allerdings den Missbrauch bemerkt, werden die Käufe rückabgewickelt. Die Entwickler müssen in diesem Fall dann nicht nur den vollen Kaufpreis für das Spiel rückerstatten, sondern auch eine Transaktionsgebühr zusätzlich zahlen, wie etwa der Entwickler des Aufbauspiels "RimWorld" schon letztes Jahr in einem Post betonte.

"Die Betrüger behalten das Geld, wir verlieren einen Verkauf und müssen die Chargeback-Gebühr bezahlen – das können pro Kopie bis zu 15 Dollar sein", so der "RimWorld"-Entwickler. "So können hunderttausende Dollar Schaden entstehen. Wenn Kunden Keys bei Resellern kaufen, ist das viel schlimmer als Piraterie, weil es uns tatsächlich direkt Geld kostet. Die Einzigen, die von diesem System profitieren, sind Kriminelle."

Aktuelle Games wie "F1 2017" sind besonders beliebt bei Key-Resellern. Wer die Arbeit eines Herstellers unterstützen will, sollte von derartigen Angeboten allerdings absehen.
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Geschäft im Graubereich

Große Key-Reseller wie G2A wehren sich seit Jahren gegen diese Vorwürfe, die dem Millionengeschäft im legalen Graubereich anhaften – der GameStandard berichtete. Erst letztes Jahr reagierte der Marktführer G2A mit Hauptsitz in Hongkong mit Verschärfungen seiner Geschäftsbedingungen und Zugeständnissen an Entwickler auf massive Kritik und Vorwürfe, einen kriminellen Marktplatz zum Schaden der Branche zu betreiben. G2A sieht sich nach Aussagen des Geschäftsführers Bartosz Skwarczek allerdings als "Marktplatz wie eBay", mit beschränkter Handhabe gegenüber den Verkäufern auf dieser Plattform.

Den meisten Spielerinnen und Spielern, die sich günstig Spiele bei Key-Resellern kaufen, sind die finanziellen Schäden, die dieser Kauf unter Umständen direkt bei den Entwicklern verursacht, meist nicht bewusst – und wenn doch, so lockt der niedrige Preis oft mehr, als das schlechte Gewissen drückt. Zweifelsohne werden bei Resellern auch legal erhaltene Spiele-Keys angeboten – aus Käufen diverser Sales-Aktionen oder durch Massenrabatte. Die schwarzen Schafe von den legalen Anbietern zu unterscheiden, ist allerdings fast unmöglich, und die bei vielen Kleinstudios Monat für Monat anfallenden Kosten für Rückzahlungsspesen beweisen, dass das Geschäft mit gestohlenen Kreditkartendaten und Spiele-Keys kein Einzelfall, sondern ein höchst lukratives kriminelles Geschäft ist.

Risiko bei den Käufern

Die Aktion der "Darkwood"-Macher hat erneut ein Schlaglicht auf das Schattenbusiness geworfen, dem nur schwer beizukommen ist. Die naheliegendste Lösung, nämlich die Spiele, die auf diese Weise in den Besitz von – ahnungslosen – Key-Reselling-Kunden gekommen sind, einfach nachträglich zu sperren, scheitert oft an technischen Hürden oder der einwandfreien Identifikation der jeweiligen Keys. Doch sie wird immer öfter Realität: Sobald Entwickler Kenntnis davon erlangen, dass eine bestimmte Reihe von Keys auf kriminelle Art und Weise verkauft wurden, können sie diese auch nach der Aktivierung auf den diversen Plattformen einfach sperren lassen – und der Käufer oder die Käuferin dieser Codes kann das Spiel nicht mehr spielen.

Die Chancen für Käuferinnen und Käufer, bei einer der Key-Reselling-Plattformen in diesem Fall sein Geld zurückzubekommen, sind im Normalfall minimal. Stattdessen bieten manche der Reseller gegen genau diesen Fall gegen Gebühr "Priority"-Programme wie G2A-Shield an, die unter anderem vor genau diesem Fall schützen sollen.

Zynischer geht es kaum: Falls ein bei einem Reseller gekauftes Spiel also tatsächlich aus illegaler Quelle stammt und deaktiviert werden sollte, versichert dieser "Zusatzservice" per monatlicher Gebühr gegen den möglichen Verlust des Spiels. Wenn man dieses Geschäftsmodell auf physische Güter umlegt, wird die Absurdität noch deutlicher: Was würden Sie davon halten, wenn Ihnen der Verkäufer eines möglicherweise gestohlenen Gebrauchtwagens eine Versicherung dagegen anbietet, dass Ihnen der Wagen bei Auffliegen des Diebstahls wieder weggenommen wird? Natürlich dementierte G2A auch anlässlich eines heuer im Frühjahr eskalierenden Streits mit Gearbox sämtliche diesbezüglichen Vorwürfe.

Dann schon lieber gleich gestohlen

Die Aktion der "Darkwood"-Macher demonstriert eine Wahrheit, die allen Spielerinnen und Spielern zumutbar ist: Wer Spiele zu einem absurd niedrigen Preis aus zweifelhaften Quellen kauft, muss sich dessen bewusst sein, dass damit unter Umständen genau jenen Entwicklern finanzieller Schaden entsteht, an deren Spielen er oder sie Gefallen findet. Und das eben nicht im abstrakten Sinne, dass diesen "ein Verkauf verloren geht", wie beim Raubkopieren, sondern direkt durch Strafgebühren, die dieser Entwickler dann abzuführen hat.

Gerade Kleinstudios, die ihre Spiele meist ohnedies zu günstigen Preisen anbieten und keine nennenswerten Rücklagen haben, werden durch den Kauf bei Key-Resellern so direkt in den Ruin getrieben. Wer meint, mit einem Kauf bei Key-Resellern "wenigstens etwas" zu bezahlen, sollte seine Entscheidung im Licht dieser Tatsachen nochmals überdenken.

Klingt radikal, aber ja: Wer nicht kaufen will oder kann, sollte dann sogar lieber raubkopieren – und, wie die "Darkwood"-Entwickler vorschlagen, zumindest später in einem Abverkauf zuschlagen, wenn der erste Verkaufspreis zu hoch sein sollte. Auch bei Spielen gilt: Wenn ein Deal zu gut ist, um wahr zu sein, ist er meist weder das eine noch das andere. Und höchstwahrscheinlich zahlt jemand anderer die Zeche. (Rainer Sigl, 2.9.2017)

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