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Die südkoreanische Armee reagierte am Montag mit einer Militärübung, in der ein Angriff auf Nordkorea simuliert wurde.

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"Wir werden sehen", sagte US-Präsident Donald Trump zu einem Reporter auf die Frage nach einem Militärangriff auf Nordkorea.

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Kim Jong-un besichtigt medienwirksam das Modell einer Bombe.

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Pjöngjang/Washington/Seoul/Peking – Nach dem bisher größten Atomwaffentest Nordkoreas spitzt sich der Konflikt erneut gefährlich zu: US-Präsident Donald Trump verwies explizit auch auf die Atomwaffen seines Landes, um die USA und ihre Verbündeten gegen jegliche Bedrohung aus Nordkorea zu verteidigen.

Trump erklärte die "Besänftigungspolitik" gegenüber Nordkorea für gescheitert. Auf die Frage eines Reporters, ob er einen Militärangriff auf Nordkorea plane, sagte Trump am Sonntag: "Wir werden sehen."

Später telefonierte er mit dem japanischen Regierungschef Shinzo Abe und sagte ihm laut Weißem Haus erneut zu, dass die USA ihr eigenes Gebiet sowie ihre Verbündeten verteidigen würden, wobei "die volle Bandbreite der diplomatischen, konventionellen und nuklearen Möglichkeiten eingesetzt" würde. Beide Seiten verurteilten die ständigen "Provokationen" Nordkoreas.

Japan und die USA wollen gemeinsam "maximalen" Druck auf das Land ausüben, verständigten sich auch der japanische Außenminister Taro Kono und sein US-Kollege Rex Tillerson in einem Telefongespräch am Montag.

Südkorea rechnet mit weiteren Raketentests Nordkoreas

Es gebe "kontinuierlich" Anzeichen dafür, dass Nordkorea ballistische Raketen einschließlich Interkontinentalraketen abfeuern könnte, hieß es in einem Bericht des südkoreanischen Verteidigungsministeriums in Seoul an das Parlament. Das Ministerium vermutete, dass Nordkorea mit einem neuen Test zeigen wolle, dass seine Raketen die USA erreichen könnten. Ob ein Test kurz bevorstehe, ging aus den Angaben nicht hervor.

Auch der südkoreanische Geheimdienst warnte, Nordkorea könne das nächste Mal eine Langstreckenrakete in den nördlichen Pazifik schießen. Die Vermutung habe der staatliche Aufklärungsdienst (NIS) in einer geschlossenen Sitzung vor Abgeordneten geäußert, berichtete die nationale Nachrichtenagentur Yonhap. Der Geheimdienst spekulierte demnach, dass Pjöngjang den Staatsgründungstag am 9. September oder den Gründungstag der herrschenden Arbeiterpartei am 10. Oktober zum Anlass nehmen könne, militärische Stärke zu demonstrieren.

Nordkorea hatte am Sonntag seinen sechsten und bisher größten Atomtest unternommen und damit den Konflikt mit der internationalen Gemeinschaft abermals deutlich verschärft. Das südkoreanische Verteidigungsministerium kündigte unterdessen am Montag die vorübergehende Stationierung des US-Raketenabwehrsystems THAAD an. Außerdem simulierte das Land in einer Militärübung den Angriff auf die nordkoreanische Testregion.

Gipfel der BRICS-Staaten von Konflikt überschattet

Die BRICS-Staaten haben den neuen Atomtest Nordkoreas "scharf verurteilt". Auf dem Gipfel von Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika in der chinesischen Hafenstadt Xiamen forderten die Staats- und Regierungschefs der aufstrebenden Volkswirtschaften am Montag, dass die Probleme "nur durch friedliche Mittel und direkten Dialog aller betroffenen Parteien gelöst werden sollen".

Sie äußerten ihre "tiefe Sorge" über die anhaltenden Spannungen auf der koreanischen Halbinsel und den Konflikt um das Atom- und Raketenprogramm, wie die amtliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua aus einer gemeinsamen Erklärung zitierte. Der Atomtest Nordkoreas überschattet das jährliche Treffen der BRICS-Staaten, zu dem der chinesische Staats- und Parteichef Xi Jinping geladen hat.

China und Russland rufen zu Zurückhaltung auf

Russland und China haben angesichts der wachsenden Spannungen über das nordkoreanische Atomprogramm zur Zurückhaltung aufgerufen. Jeder ungeschickte Schritt könne zur Explosion führen, warnte der russische Vize-Außenminister Sergej Rjabkow am Montag im chinesischen Xiamen. Es dürfe in der gegenwärtigen Situation keinen Platz für eine weitere Eskalation geben. Der "Stärkere und Klügere" müsse Zurückhaltung üben, forderte er mit Blick auf die US-Drohungen mit einem massiven Angriff für den Fall, dass Nordkorea die USA oder einen Verbündeten bedrohten.

Rjabkow zeigte sich überzeugt, dass Nordkorea durch die Vorlage von Gesprächsangeboten beeinflusst werden könne. Die gegen das isolierte Land verhängten Sanktionen hätten das Maximum dessen erreicht, was möglich sei. Alle weiteren Strafmaßnahmen hätten einzig den Zusammenbruch der gesamten nordkoreanischen Wirtschaft zum Ziel. Zugleich schloss Rjabkow weitere Sanktionen aber nicht aus. Darüber werde angesichts der aktuellen Entwicklung entscheiden.

Auch das chinesische Außenministerium erklärte, man setze darauf, dass sich alle Seiten zurückhielten. Es müsse nun darum gehen, die Temperatur zu senken und nicht darum, den Konflikt weiter anzuheizen, sagte ein Ministeriumssprecher in Peking. Der Regierung in Pjöngjang sei deutlich gemacht worden, dass China den neuerlichen Atomtest missbillige, sagte der Sprecher.

Kritik aus Europa und von der Uno

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident Emmanuel Macron verurteilten den neuen Atomtest "aufs Schärfste". Beide seien sich bei einem Telefonat darin einig gewesen, "dass Nordkorea das internationale Recht mit Füßen tritt und dass daher die Staatengemeinschaft auf diese erneute Eskalation geschlossen und entschieden reagieren muss", teilte das deutsche Bundespresseamt mit.

Deutschland hat Nordkorea die alleinige Schuld für die neuen Spannungen auf der koreanischen Halbinsel gegeben und fordert weitere Sanktionen gegen die Regierung in Pjöngjang. "Frankreich und Deutschland werden die Europäische Union bitten, in den kommenden Tagen über zusätzliche Sanktionen zu beraten", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag.

Der österreichische Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) erklärte als amtierender OSZE-Vorsitzender, Nordkorea müsse aufhören, seine Fähigkeiten im Bereich Raketen und Atomkapazitäten zu erweitern; es müsse an den Verhandlungstisch zurückkehren.

Schweiz bietet Vermittlung an

Die neutrale Schweiz bot sich unterdessen als Vermittlerin an. Das Land könne Schauplatz für Gespräche der zuständigen Minister sein, sagte die Schweizer Bundespräsidentin Doris Leuthard am Montag. China und die USA müssten nun ihre Verantwortung übernehmen. "Wir sind bereit, unsere Rolle als Vermittler anzubieten", sagte Leuthard auf einer Pressekonferenz. "Es ist nun wirklich Zeit, sich an den Tisch zu setzen. Großmächte haben eine Verantwortung."

Uno-Generalsekretär Antonio Guterres sprach von einer "weiteren schwerwiegenden Verletzung" internationaler Abkommen. EU-Ratspräsident Donald Tusk drohte Nordkorea mit einer Verschärfung der Sanktionen. Der Atomwaffentest zwinge die internationale Gemeinschaft zu einer raschen und entschlossenen Reaktion: "Die Risiken werden zu groß."

Gewaltige Sprengkraft

Der Atomtest war der bisher stärkste Nordkoreas. Erste Hinweise gab ein Erdbeben der Stärke 6,3 in der Provinz Nord-Hamgyong im Nordosten, wo auch schon frühere unterirdische Nuklearversuche unternommen worden waren. Das Beben war in Südkorea und in Nordostchina spürbar.

Chinas Erdbebenamt meldete ein zweites Erdbeben der Stärke 4,6. Es seien wohl Hohlräume im Versuchsstollen zusammengebrochen. Chinas Umweltbehörden konnten vorerst keine auffällige radioaktive Strahlung in den Grenzprovinzen messen. Das norwegische seismologische Institut Norsar vermeldete am Sonntag eine Erdbebenstärke von 5,8 in der Region. Sollte Strahlung ausgetreten sein, könnte das aber auch erst in einigen Tagen oder Wochen gemessen werden.

Die Sprengkraft war um ein Vielfaches stärker als bei den letzten Tests, die bei 15 bis 25 Kilotonnen lagen. Nach eigenen Messungen geht die deutsche Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) von "wenigen hundert Kilotonnen" aus. Die Atombombe, die im Zweiten Weltkrieg von den USA über der japanischen Stadt Hiroshima abgeworfen worden war, hatte eine Sprengkraft von 15 Kilotonnen TNT. (APA, Reuters, red, 4.9.2017)