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Geschädigte kommen mangels Gruppenklage oft nicht zu ihrem Recht. Konsumentenschützer fordern daher die Einführung dieser Verfahrensmöglichkeit.

Foto: dpa/Frank Rumpenhorst

Wien – Das Beispiel Dieselgate zeigt einmal mehr, wie schwer es in Österreich ist, ein Massenverfahren durchzuführen. Sitzt der Beschuldigte – wie im Fall VW – nicht in Österreich, können Geschädigte ihre Ansprüche hierzulande gar nicht geltend machen. Jeder Geschädigte muss derzeit eine Klage in Deutschland einbringen. Ein Weg, den sich viele nicht zu gehen trauen.

Der Grund für diese mühsame Herangehensweise ist, dass es hierzulande noch immer keine Gruppenklage gibt. Ein Umstand, der Konsumentenschützern sauer aufstößt. Daher haben sie in den vergangenen Jahren die "Sammelklage österreichischer Prägung" aus der Taufe gehoben. Mit diesem Vehikel ist es zwar möglich, dass sich viele Geschädigte zu einer Klagsgemeinschaft zusammentun. Doch dieses Modell weist "viele Nachteile auf", sagt Gabriele Zgubic, Leiterin der Abteilung für Konsumentenschutz der Arbeiterkammer Wien.

Alles hängt am Sammelkläger

So muss sich derzeit ein Kläger finden, der als Sammelkläger auftritt. An ihn müssen die anderen Geschädigten ihren Anspruch abtreten. "Dass man damit die Hoheit über seinen eigenen Fall abgibt, verschreckt schon viele", sagt Thomas Hirmke, Leiter der Rechtsabteilung im Verein für Konsumenteninformation (VKI). Der damit verbundene organisatorische Aufwand wird dem Sammelkläger derzeit nicht ersetzt. Da der Sammelkläger die abgetretenen Ansprüche im eigenen Namen einklagt, ist der Streitwert oft entsprechend hoch. Wegen des damit verbundenen Prozesskostenrisikos ist oft ein Prozessfinanzierer notwendig. Findet sich kein Finanzierer, können Klagen oft nicht eingebracht werden – womit alle Geschädigten auf ihrem Schaden sitzenbleiben.

Gegner finanziell aushungern

Hat man es mit einem finanzstarken Gegner zu tun, versuche der nicht selten, den Kläger "finanziell auszuhungern", sagt Hirmke. Denn bei allen bisherigen Sammelklagen, die die AK und/oder der VKI eingebracht hat, erfolgte durch die Beklagten der Einwand der Unzulässigkeit der Sammelklage, was zu einer Verzögerung führt. Verfahren würden auch gerne durch Zwischenstreits in die Länge gezogen, denn je länger das Verfahren dauert und je umfangreicher verhandelt wird, desto mehr Kosten fallen an. Als Beispiel hierfür nennt Hirmke die Sammelklage gegen eine Salzburger Bank im Zusammenhang mit dem WEB-Skandal, wo man von 400.000 Euro Kosten pro Prozesstag ausgehen musste. Auch im aktuell laufenden Verfahren zu den Verkäufen der Alpine-Anleihen wird mit Kosten in Millionenhöhe gerechnet.

Ein Problem für geschädigte Konsumenten ist derzeit auch das Musterverfahren. Denn bis der Einzelfall geklärt und rechtskräftig ist, droht die Gefahr, dass alle anderen gleichartigen Ansprüche in der Zwischenzeit verjähren.

Die Vorteile der Gruppenklage

Mit einer Gruppenklage würde der Zugang zur Justiz entscheidend verbessert, sagen Hirmke und Zgubic. Auch die Verfahrensökonomie würde verbessert, denn die Entscheidung über viele gebündelte Fälle erfolgt dann nur durch einen Richter. Man bräuchte auch nur noch einen Sachverständigen. Damit würden die Verfahrenskosten gesenkt, da nicht mehrere Richter bei mehreren Gerichten mit den gleichen Fällen beschäftigt sind. Mit einem einzigen Urteil kann dann eine Rechtssicherheit erlangt werden. Auch das Prozessrisiko trägt nicht mehr nur einer (oder eine Organisation), sondern mehrere. Daher wird in vielen Fällen kein Prozessfinanzierer nötig sein, womit auch Fälle geklärt werden können, die jetzt nicht angegangen werden. Einer der Hauptgründe für die Gruppenklage ist laut Hirmke, dass der Verbrauchergerichtsstand nicht verlorengeht. Geschädigte VW-Anleger könnten das Unternehmen dann in Österreich klagen.

Die Regierung hat sich des Themas Gruppenklage schon mehrmals angenommen. Umgesetzt wurde sie bisher nicht. Auch im aktuellen Regierungsprogramm steht das Vorhaben. Passiert ist in der vergangenen Legislaturperiode aber auch nichts. "Unternehmer argumentieren oft gegen eine Gruppe, weil sie sich vor amerikanischen Verhältnissen fürchten", sagt Zgubic. Die Gefahr, dass Kläger sich mit absurd hohen Ansprüchen gegen ein Unternehmen stellen, sieht die Expertin aber für Österreich nicht gegeben. Letztlich könnten sich auch geschädigte Unternehmer via Gruppenklage zusammentun. Etwa all jene, die VW-Dieselfahrzeuge als Firmenautos haben. Auch sie sind Geschädigte im Fall Dieselgate.

Hoffen auf die Umsetzung

Innerhalb von Europa sind Gruppenklagen gut bekannt. In Belgien, Frankreich, Spanien oder auch Portugal – um nur einige Beispiele zu nennen – sind diese Klagen gang und gäbe. Die EU-Kommission hat 2013 eine unverbindliche Empfehlung für gemeinsame Grundsätze von kollektiven Unterlassungs- und Schadenersatzverfahren in den Mitgliedsstaaten veröffentlicht. Eine Evaluierung soll heuer noch erfolgen. Die Konsumentenschützer hoffen, dass mit dem Druck der EU sich hierzulande die Gruppenklage doch noch umsetzen lässt. (bpf, 12.9.2017)