Erneuerbare Energieträger zu fördern ist nur eines der Ziele.

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17 Ziele, die bis 2030 weltweit umgesetzt werden sollen. Damit es nicht bei leeren Worten bleibt, sollen hunderte Indikatoren beim Messen der Fortschritte helfen.

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Nicht weniger als die großen Probleme dieser Zeit lösen – das sollen die neuen Ziele der Vereinten Nationen, die Sustainable Development Goals (SDGs). Nachdem es beim letzten globalen Kompass dieser Art vor allem um Entwicklungsländer ging, sind dieses Mal alle Uno-Mitgliedsstaaten und ihr Engagement im eigenen Land gefordert, um Herausforderungen vom Klimawandel über Gleichberechtigung bis zu steigender Ungleichheit zu meistern. Für Guido Schmidt-Traub vom UN Sustainable Development Solutions Network ist auch klar, warum: "Wenn wir nichts ändern, wird uns in Zukunft einiges um die Ohren fliegen", sagte der Deutsche bei einem Besuch in Österreich.

Von Dringlichkeit ist hierzulande aber kaum etwas zu spüren. Mit Sebastian Kurz (ÖVP) war zwar ein Vertreter der aktuellen Regierung bei der feierlichen Verabschiedung der Ziele in New York dabei. Seither wurde eine interministerielle Arbeitsgruppe unter Leitung von Bundeskanzleramt und Außenministerium eingesetzt und vor einem halben Jahr ein erster Bericht veröffentlicht. Die Umsetzung der Ziele erfolge durch alle Bundesministerien in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich, ist dort zu lesen. 2020 wolle man Umsetzungsstrategien vor der Uno präsentieren.

Für Vertreter einiger Nichtregierungsorganisationen ist dies erstens zu langsam und zweitens zu wenig; "Der Bericht ist im Wesentlichen eine Zusammenstellung bereits bestehender Maßnahmen", sagt Thomas Alge, Geschäftsführer des Ökobüros. Es sei nicht klar, wie der Bericht in ineinandergreifende Politiken, Strategien und Gesetze münden solle. "Mit der Ankündigung für 2020 sieht es danach aus, dass Österreich eines der letzten Länder weltweit sein wird, das Bericht erstattet." Mehr als 60 Staaten hätten dies bereits getan. "In Deutschland sind die SDGs längst Chefsache", sagt Alge. Bundeskanzlerin Angela Merkel erwähnte die Ziele nicht nur prominent in der Abschlussrede beim G20-Gipfel, sondern setzte sich auch für die Gründung eines wissenschaftlichen Beirats ein, der sich mit der Umsetzung beschäftigt.

Offener Brief an Regierung

Mit seiner Kritik ist Alge nicht allein: 144 Organisationen wandten sich Anfang des Jahres in einem offenen Brief an die Regierung. Die Organisationen vermissen einen strategischen und übergreifenden Ansatz, beginnend bei einer Analyse des Status quo und der Identifikation von Lücken.

Einen Antwortbrief gab es zwar. Aber: "Seitens der Ministerien ist kein weiterer Wille zu Einbindung und Partizipation erkennbar", sagt Alge. Auch in die reguläre Arbeit der Arbeitsgruppe seien Vertreter der Zivilgesellschaft nicht wirklich eingebunden. "Wir gehen nicht davon aus, dass die SDGs auf Regierungsebene Thema sind oder dass auf politischer Ebene an der Umsetzung gearbeitet wird."

Wie die Umsetzung voranschreitet, interessiert auch Teile der Regierungsparteien selbst: SPÖ-Abgeordnete und Vorsitzende des Entwicklungspolitischen Unterausschusses Petra Bayr stellte im Juli parlamentarische Anfragen an Sebastian Kurz und Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ). Auch sie vermisst unter anderem eine öffentlich zugängliche Analyse der Herausforderungen.

Hier sollte sich in den nächsten Monaten etwas tun – die Statistik Austria arbeite aktuell an einem ersten nationalen Indikatorenset. "Auf dieser Grundlage sollte aus unserer Sicht eine Lückenanalyse im ersten Halbjahr 2018 abgeschlossen sein", heißt es in einer Stellungsnahme der SPÖ. In der Beantwortung der parlamentarischen Anfrage betont Kern außerdem, dass die Umsetzung der Ziele ein wichtiges Anliegen sei und während der EU-Ratspräsidentschaft weiter vorangetrieben werde. Man vernetze sich mit zahlreichen Stakeholdern, die Idee eines wissenschaftlichen Beirats werde aktuell geprüft.

Keine Rolle im Wahlkampf

Oppositionsparteien sind mit der Vorgehensweise unzufrieden. "Wir haben mehrfach von der Regierung gefordert, dass die SDGs besser verankert werden und Leitlinien für die Politik festgelegt werden müssen", sagt die grüne Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek. Eine solche Analyse sollte Basis für die Arbeit der nächsten Bundesregierung sein und müsse daher sofort angegangen werden.

Für die Neos sind die SDGs ein Kernaspekt der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit. Diese leide aber "unter fehlenden Strukturen, einem Mangel an Strategie und Transparenz sowie darunter, dass eine ganze Reihe von Ministerien zuständig ist", heißt es.

Im Wahlkampf spielen die neuen Uno-Ziele keine Rolle. ÖVP und Grüne erwähnen die SDGs zwar in ihren Wahlprogrammen, das Thema Nachhaltigkeit schafft es abseits der Dieseldebatte allerdings nur selten in den Vordergrund. "Sachliche Debatten über große Zukunftsfragen werden in Österreich generell immer schwieriger", sagt Leonore Gewessler, politische Geschäftsführerin von Global 2000 und Mitunterzeichnerin des offenen Briefs. Man habe das bei der Diskussion um die dritte Piste des Flughafens in Wien gesehen, mit dem anschließenden Vorhaben, Wirtschaftswachstum in der Verfassung zu verankern.

"Um Gottes willen nicht nur den Regierungen überlassen", rät Schmidt-Traub von der Uno. Er sieht auch Unternehmen in der Pflicht. Sie seien schließlich direkt betroffen, "wenn es etwa darum geht, den Produktionskreislauf nachhaltiger zu gestalten oder die Emissionen einzugrenzen".

Nicht gelten lassen dürfe man jedenfalls die Argumentation, wonach sich Österreich in einer komfortablen Ausgangslage befinde. Zu tun gäbe es einiges – in allen Bereichen. Die Analyse des UN Sustainable Development Solutions Network ergab etwa, dass vor allem bei Ziel 13 – Maßnahmen gegen den Klimawandel – in Österreich viel Aufholbedarf besteht.

Das Klimaabkommen von Paris ist zwar seit November vergangenen Jahres in Kraft, aber auch hier gibt es breite öffentliche Kritik, wonach konkrete Maßnahmen und deren Umsetzung bislang fehlen. (Lara Hagen, 18.9.2017)