Muss sich mit wenig schmeichelhaften Attributen herumschlagen: Kanzler und SPÖ-Chef Christian Kern.

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Wien – In der SPÖ ist man sich "hundertprozentig" sicher, wer der Übeltäter ist: Jener Mann, der einst im Kabinett von Kanzler Alfred Gusenbauer gewerkt hat und der mittlerweile bei einem Immobilienriesen untergekommen ist, sei "immer schon eine Lachnummer" gewesen, die es in der Partei "nie zu etwas gebracht hätte", erzählt ein Roter.

Bloß: Seit einigen Tagen lacht kaum noch ein Genosse über den ehemaligen SPÖ-Mitarbeiter. Denn seit die Tageszeitung Österreich dessen Schwächenanalyse über Kanzler und Parteichef Christian Kern geoutet hat, gilt der rote Spitzenkandidat als arg beschädigt. Damit nicht genug, bringt das Boulevardblatt nun auch noch dutzende Postings zu dem angeblichen Psychogramm.

Kränkendes Fazit

Dass Kern politisch unerfahren, unsicher und sprunghaft sei, sind noch die freundlicheren Attribute, die der Verfasser des Papiers offenbar dem ehemaligen Kanzlerberater Tal Silberstein, der sich nun mit Korruptionsvorwürfen herumschlägt, mitteilen wollte. Sein kränkendes Fazit über den SPÖ-Vorsitzenden droht an Kern noch lange nach dem Wahltag kleben zu bleiben – es lautet: "Er ist eine Prinzessin und ungemein eitel."

Obwohl sich in den sozialen Netzwerken längst eindeutige Hinweise auf die Identität des selbsternannten Kanzlerpsychologen finden, sieht DER STANDARD von einer Namensnennung ab. Zumindest ein Outing auf einer Homepage zog bereits eine anwaltliche Rechtsbelehrung für die Autorin nach sich. Dazu Medienanwältin Maria Windhager, die auch den STANDARD vertritt: Der Hauptverdächtige berufe sich in der Causa auf "sein Recht auf Anonymität" und mache dabei geltend, dass "die Nennung seines Namens rechtswidrig" sei – auch wenn er die Urheberschaft offenbar nicht bestreite.

Weil das kritische Kern-Papier augenscheinlich "für den internen Gebrauch und damit unter Geheimhaltung" geschrieben wurde, könne sich der mutmaßliche Verfasser – Beweise dafür liegen bis dato ja nicht vor – vor Gericht im Ernstfall darauf berufen, nie im Sinn gehabt zu haben, "im Zusammenhang mit den sensiblen Inhalten an die Öffentlichkeit gezerrt zu werden".

Zulässige Beschreibungen

Käme es zu einem Rechtsstreit wegen Namensnennung, erklärt Windhager, müsste ein Richter zwischen dieser Argumentation und einem möglichen öffentlichen Interesse an der Person abwägen – eine recht heikle Frage angesichts des strengen heimischen Persönlichkeitsschutzrechts und damit "riskant".

Auch wenn der in Verruf geratene Ex-SPÖ-Mitarbeiter Kerns Wahlkampf schwer geschadet haben könnte, seien "die bisher geleakten Beschreibungen des Kanzlers als subjektive Meinung des Verfassers zulässig", sagt Windhager. Wohl aber könne sich die SPÖ gegen jene Person wehren, die das Schreiben verbreitet habe: Denn das Publikmachen "eines internen Papiers" würde die "Verschwiegenheitspflicht und damit den Dienstvertrag verletzen".

Kern wirft "Österreich" Kampagne vor

Kern selbst reagierte am Montag via Facebook auf die Veröffentlichung des Papiers – und vor allem auf die Tageszeitung "Österreich", der er eine Kampagne gegen seine Person vorwarf. "Offenbar erwartet sich der Herausgeber dadurch mit anderen Kandidaten bessere Geschäfte." Die moralische Qualifikation in diesem Fall überlasse er gerne anderen, aber es sei sein gutes Recht zu sagen: "Ich mache da nicht mehr mit."

Kern will nun "keine Interviews mit mir in 'Österreich', keine TV-Diskussionen auf oe24. Und natürlich auch keine Wahlkampfinserate." Betroffen sind davon allerdings nur die Wahlkampfaktivitäten, nicht Werbeschaltungen des Kanzleramts. (Nina Weißensteiner, 25.9.2017)