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"Ergebnis ist wenig überraschend. Flüchtlingskrise ist von vielen Politikern & Parteien in Europa nicht ernst genug genommen worden", richtete Kurz der deutschen Kanzlerin per Twitter aus.

Foto: Reuters/LEONHARD FOEGER

Die Rede vom Rechtsruck ist in Österreich ein alter Hut. In dem Land, in dem die Freiheitliche Partei seit Beginn der 1990er-Jahre zweistellige Ergebnisse bei Nationalratswahlen einfährt, gibt es in Sachen rechter Hetze nur noch wenige Tabus. Von der ordentlichen Beschäftigungspolitik über "Daham statt Islam" bis hin zum Genderwahn – stets verrückte die FPÖ das Sagbare ein Stückchen weiter nach rechts und trieb dabei die politischen MitbewerberInnen vor sich her. Trotzdem: In Sachen rechter Rhetorik hebt sich der aktuelle Wahlkampf von den vorangegangenen ab – ein Verdienst der politischen "Mitte".

Sebastian Kurz und seine neue ÖVP lassen Heinz-Christian Strache blass aussehen, indem sie dessen Agenda fast zur Gänze übernehmen, dabei aber in bürgerlicher Manier auf rechte Rülpser verzichten. Ob Wohnen, Mindestsicherung, Erbschaftssteuer oder Gleichstellung – stets wartet Kurz mit dem Link zum Thema Migration beziehungsweise der "Zuwanderung ins Sozialsystem" auf. Während im TV eifrig darüber diskutiert wird, ob Geflüchteten dieselben Sozialleistungen wie StaatsbürgerInnen zustehen sollen, scheinen Fragen wie jene nach adäquater Unterstützung für auf der Flucht traumatisierte und gewaltbetroffene Frauen Lichtjahre entfernt.

Feminismus als Bezugs- und Abgrenzungspunkt

"Ergebnis ist wenig überraschend. Flüchtlingskrise ist von vielen Politikern & Parteien in Europa nicht ernst genug genommen worden", richtete Kurz der deutschen Kanzlerin am Sonntagabend per Twitter aus. Dass er keine Stimmen an rechts außen zu verlieren gedenkt, beweist er mit der gebetsmühlenartigen Wiederholung vom Schließen der Mittelmeerroute und der schützenswerten christlichen Werte – zu denen Frauenrechte zählen, "die uns heilig" sind, wie er in der "Elefantenrunde" auf Puls 4 verlauten ließ.

Die herbeizitierten Frauenrechte müssen freilich in ein Wertekorsett passen, das den Feminismus sowohl als Bezugspunkt als auch zur Abgrenzung braucht: Frauenpolitische Errungenschaften sind, sofern sie der Rede von der Leitkultur oder dem Schüren rassistischer Ressentiments dienen, hohes Gut, während gegenwärtige Reformideen stets "über das Ziel hinausschießen".

"Unsere Frauen"

Rechte und konservative Parteien zeigen für gewöhnlich kein Interesse an langfristig finanziell abgesicherten Frauenhäusern, an Investitionen in Präventions- und Täterarbeit oder an einem dichten Netz an Sozialleistungen, die sich nicht am Einkommen des Partners orientieren. Sicherheit ist für sie verbunden mit vermeintlichen Bedrohungen von außen, so auch nachzulesen im Wahlprogramm der FPÖ.

"Unsere Frauen", schreiben die Freiheitlichen, müssten vor Diskriminierung geschützt werden – dem entgegen stehe die "Einwanderung von Menschen aus patriarchalen Kulturen". Unter den vorgeschlagenen Maßnahmen ist – wenig überraschend – kein politisches Konzept zu finden, wie dem Patriarchat beizukommen sei, die geforderte härtere Bestrafung von Gewaltverbrechen zählt wohl kaum dazu.

Angriffe auf Abtreibungsrecht

Zugleich planen sowohl ÖVP als auch FPÖ Einschränkungen beim Schwangerschaftsabbruch, wie sie der "Aktion Leben" auf eine Anfrage hin mitteilten. Eine umfassende anonymisierte Statistik zu Abbrüchen – eine Forderung, für die die Lebensschutzorganisation seit Jahren und auch aktuell wieder lobbyiert – solle in Österreich umgesetzt werden, die Freiheitlichen fordern zusätzlich eine Wartefrist von 48 Stunden vor einer Abtreibung.

In Europa stehen sie damit keineswegs alleine da: Allerorts stellen Rechte und Konservative das Selbstbestimmungsrecht von Frauen über ihren Körper (wieder) infrage, nicht selten verbunden mit der Klage über die niedrige Geburtenrate unter "heimischen" Frauen. Beispiele wie Polen und Ungarn zeigen, dass frauenpolitische Errungenschaften in Europa tatsächlich keineswegs in Stein gemeißelt sind. Auf die selbsternannten Frauenschützer wird man nicht zählen können. (Brigitte Theißl, 27.9.2017)