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Der in Ungnade gefallene Kampagnenleiter Tal Silberstein verteidigt Kanzler Christian Kern: Dieser habe von den Seiten nichts gewusst.

Foto: Reuters/Foeger

Wien/Berlin – Der frühere SPÖ-Berater Tal Silberstein gibt an, dass Kanzler Christian Kern nicht in seine verdeckten Facebook-Aktionen eingeweiht gewesen sei. "Der Kanzler hatte nicht einmal das entfernteste Wissen oder die entfernteste Information darüber", sagt Silberstein in "News". Und: "Es ist Teil einer Negativkampagne der Gegenseite, alles dem Kanzler und der SPÖ vorzuwerfen."

In einem Interview mit der Zeitschrift "News" schließt Tal Silberstein aus, dass SPÖ-Chef Christian Kern von seinen Aktivitäten gewusst habe und nimmt damit die Verantwortung für die rassistischen Vorwürfe gegen ÖVP-Kandidat Sebastian Kurz auf sich. Beitrag aus der ZiB um 13 Uhr.
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Öffentlich wurde die Causa laut Silberstein über einen "Maulwurf" in seinem Team, nicht aber über seinen Partner Peter Puller. Außerdem zitiert "News" Angaben aus dem "Umfeld" Silbersteins, wonach die beiden Facebook-Gruppen "Die Wahrheit über Sebastian Kurz" und "Wir für Sebastian Kurz" ohne Auftrag der SPÖ eingerichtet worden seien, um Daten über Zielgruppen zu sammeln. Der seitens der SPÖ involvierte Mitarbeiter habe nur Informationen aus Umfragen und Fokusgruppen beigesteuert, um die Seiten bestmöglich auf die Zielgruppen auszurichten. Die Kosten hätten nicht die kolportierten 500.000, sondern weniger als 100.000 Euro betragen.

Internet-Expertin Ingrid Brodnig und Wahlkampf-Experte Thomas Hofer analysieren, was die Facebook-Affäre für die Wahlchancen der SPÖ bedeutet. Beitrag aus der ZiB2 vom Montag.
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Warten auf Offenlegung des Beratervertrags

"Ich höre, der Maulwurf habe auch verbotenerweise versucht, geheime Chats zu veröffentlichen", erzählt Silberstein. Das alles werde rechtlich geprüft. "Das Eigenartige ist, dass Leute von anderen Parteien dazu verwendet wurden, Informationen zu stehlen, und was jeden aufregt, sind Facebook-Seiten", meint Silberstein.

Für den STANDARD war Silberstein nicht erreichbar. Ob die SPÖ den Vertrag mit dem Kampagnenberater am Dienstag offenlegen wird, ist noch unklar.

Christoph Matznetter, der die Causa für die SPÖ prüfen soll, hatte am Montag angekündigt, Facebook zur Offenlegung zwingen zu wollen, wer die Anti-Kurz-Seiten betrieben hat.

Kern sieht weiter Aufklärungsbedarf

Kanzler Kern nennt die jüngsten Wendungen "verrückt und unverständlich". "Faktum ist, dass die Facebookseiten von uns nicht gewünscht waren. Es war nicht nur unmoralisch, sondern auch unglaublich blöd", sagte Kern während einer Wahlkampftour durch die Obersteiermark. Es gebe bei ihm wegen der Silberstein-Entlastung "kein Aufatmen", meinte der SPÖ-Vorsitzende. Die Angelegenheit sei weiter "höchst aufklärungsbedürftig".

Da die manipulierten Facebookseiten laut Silberstein aus Teilen seines SPÖ-Honorars, das in Summe bei rund 400.000 Euro liegen soll, bezahlt wurden, will Kern prüfen lassen, ob wegen der Verwendung der SPÖ-Gelder Regressforderungen an Silberstein möglich sind. Die ganze Sache werde ein juristisches Nachspiel haben, das über den 15. Oktober hinausgehen wird.

Aufklärung fordert der SPÖ-Chef aber auch über die Umstände der Veröffentlichung der vielen internen SPÖ-Papiere in den vergangenen Wochen. Kern berichtete, dass nicht nur die bisher bekannten Mails und Dokumente, sondern auch andere SPÖ-Interna durch ein Datenleck den innersten Kreis der Kampagne verlassen haben. Jede interne Umfrage, jeder Werbe-Slogan und jede Rede des Kanzlers sei unmittelbar nach Fertigstellung und noch vor der Veröffentlichung durch die SPÖ beim politischen Mitbewerber gelandet, so ein hörbar verärgerter Parteichef. Kern spricht vom "strukturieren Absaugen von Daten".

SPÖ hat Anzeige eingebracht

Die SPÖ hat am Dienstag wie angekündigt rechtliche Schritte wegen der Dirty-Campaiging-Affäre eingeleitet. Die SPÖ geht dabei über die Kanzlei Freimüller/Obereder/Pilz auf drei unterschiedlichen Ebenen vor, wie Interims-Bundesgeschäftsführer Christoph Matznetter ausführte. Zunächst ersucht man mittels einer Anzeige bei der Polizei um die Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens, da die Urheber der Facebook-Fan Pages unter dem Namen "Wir für Sebastian Kurz", "Die Wahrheit über Sebastian Kurz" und "Die Wahrheit über Christian Kern" kein Impressum angegeben haben. In einem weiteren rechtlichen Schritt ermächtigen die Sozialdemokraten die Staatsanwaltschaft, Erhebungen wegen übler Nachrede einzuleiten. Schließlich richtet die SPÖ noch direkt ein Schreiben an Facebook. Innerhalb weniger Tage soll das Unternehmen bekannt geben, wer die Personen hinter den Seiten sind.

"Politischer Schaden"

Für Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) hat man mit der Dirty Campaigning-Affäre "einen absoluten Tiefpunkt erreicht". Es sei dadurch "ein politischer Schaden" entstanden. Für Sobotka sei es nun wichtig aufzuklären, wer die Facebook-Seiten betrieben habe. Zur Anzeige der SPÖ sagte er: "Die Staatsanwaltschaft wird dann beauftragen, was sie mit dieser Anzeige tut." Die Behörde werde entscheiden, ob sie die Polizei mit Ermittlungen beauftrage. Die von der SPÖ kolportierte Mitwisserschaft anderer in der Causa bezeichnete Sobotka als "unglaubwürdig". (APA, red, 3.10.2017)