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STANDARD: Mit dem Sequel eines Klassikers wie "Blade Runner" liefert man sich Vergleichen aus. Was hat Sie dazu bewogen, den Job zu übernehmen?

Villeneuve: Es war schon immer ein Traum von mir, einen Sci-Fi-Film dieser Größe zu machen. Aber kein Skript war es wert. Hier war das anders, es fühlte sich schicksalshaft an: Als sie mir das Projekt antrugen, gab es ein Geheimtreffen in New Mexico. Sie gaben mir einen Umschlag, auf dem "Queensborough" stand und schauten mir in die Augen: "Dieser Film existiert nicht, das ist das Skript zum neuen Blade Runner."

STANDARD: Sie haben dann überhaupt nicht gezögert?

Villeneuve: Ich wusste, dass ich es technisch nach einem Film wie Arrival tun könnte, aber ich habe lange gebraucht, um das Risiko zu akzeptieren: Wie würden die Reaktionen ausfallen? Ich sagte am Anfang zu Ryan Gosling, dass wir zum Scheitern verurteilt sind. Aber dann habe ich damit meinen Frieden gemacht. Sobald man das akzeptiert, tief im Inneren, ist man frei. Wir konnten tun, was wir wollten. Es ist eine künstlerische Geste, ein Liebesbrief.

STANDARD: Wie viel haben Sie am Drehbuch geändert?

Villeneuve: Es gab ein paar Elemente, bei denen ich Unbehagen hatte. Ich schlug ein paar Änderungen vor, bei denen es vor allem darum ging, dass man sich innerhalb der Form einer Detektivgeschichte bewegt, die dem Realismus des ersten Teils verpflichtet bleibt. Das Duell zwischen Roy Batty und Deckard war so einnehmend, weil es so realistisch war. Wir wollten diese Materialität erhalten, diese Größe und auf keinen Fall in Richtung eines Teenagerfilms gehen.

STANDARD: Was gleich zu Beginn auffällt: Es herrscht Tageslicht, keine Nacht mehr. Ihr Input?

Villeneuve: Die große Frage war, wie ich dieses Universum zu meinem mache. Ich wollte nicht wie ein Vandale in einer Kirche sein. Doch Ridley Scott gab mir die Erlaubnis und den Schlüssel! Alles sollte in Kontinuität zur Technologie des ersten Teils sein. Auch ästhetisch, das war für mich und Kameramann Roger Deakins sehr wichtig. Es musste ein Film noir bleiben. Zugleich wollte ich mir Freiheiten nehmen. Das Buch brachte uns hinaus aus dem Lebenskreis von Deckard, in Außenbezirke von Los Angeles. Das Klima in dieser Zukunft ist auch anders, was mir die Möglichkeit gab, andere Lichtverhältnisse, intimere nämlich, zu verwenden: Winterlicht. Das war sehr kraftvoll.

STANDARD: Weil Sie Roger Deakins erwähnen: Die Farbskala des Films ist außergewöhnlich. Wie haben Sie diesen Look kreiert?

Villeneuve: Ich habe Wochen mit Roger verbracht, um den Film zu storyboarden. Wenn man das tut, visualisiert man den Film so, dass man Wörter in Bilder übersetzt, das ist ein Transformationsprozess, der die Szenen nicht unbeeinträchtigt lässt. Letztlich ist es eine neue Version des Drehbuchs. Danach war es mehr oder weniger mein Buch. Die Farbskala sollte den Emotionen folgen. Ich wollte eine Symphonie der Farben, wobei die Farbe Gelb die wichtigste ist – sie soll sich wie eine Spur durch den ganzen Film ziehen.

STANDARD: Und der Schnee?

Villeneuve: Es ist seltsam, im Traum von jemand anderem zu arbeiten. Schnee in diesem Film zu haben machte für mich einen Riesenunterschied. Das mag trivial klingen, aber das ist eine Welt, die mir sehr nahe ist. Der erste Film wurde von einem Engländer aus London inszeniert, der zweite von einem Kanadier aus Montreal.

STANDARD: Eines schönes Detail ist, dass es auch in "Blade Runner 2049" immer noch Unternehmen wie Pan Am gibt.

Villeneuve: Die Frage war, um welches 2049 es sich handeln soll. Wird es eine Verlängerung von heute sein oder die Zukunft der Gegenwart des Originalfilms? Im ersten Teil gab es keinen Steve Jobs, keine Céline Dion, keine Handys – ich entschied mich dazu, den ersten Film als Anknüpfungspunkt zu nehmen, um mir eine Welt 30 Jahre später vorzustellen. Es handelt sich also um eine alternative Zukunft, was ich als poetischen Kommentar zur Gegenwart verstand – wie in einem Philip-K.-Dick-Roman.

STANDARD: Noch etwas anderes: Werden Sie den neuen James Bond drehen?

Villeneuve: Sagen wir so: Es wäre ein "dirty deep pleasure". (Interview: Dominik Kamalzadeh, 4.10.2017)