Die Karte zeigt die Verteilung von Einzelgrab-Beisetzungen in Südskandinavien zwischen 2850 und 2800 vor unserer Zeitrechnung. Die Einzelgrabkultur koexistierte mit der lokalen Trichterbecherkultur und übernahm von ihr zahlreiche Begriffe aus der Tier- und Pflanzenwelt.

Karte: University of Copenhagen

Kopenhagen – Vor etwa 5.000 Jahren wanderten Mitglieder der Jamnaja-Kultur von der kaspischen Steppe in Europa ein. Neben einigen technischen und landwirtschaftlichen Innovationen wie dem Wagen und Milchprodukten brachten die Neuankömmlinge auch eine neue Sprache mit, die wir heute als indoeuropäische Ursprache kennen – so zumindest lautet eine der Theorien zur Urheimat des Indoeuropäischen.

In den folgenden Jahrhunderten breitete sich das neue Idiom über den Kontinent aus, ersetzte die meisten lokalen Sprachen und wurde schließlich zur sprecherreichsten Sprachfamilie der Welt: Rund drei Milliarden Menschen rund um den Globus wachsen mit einer indoeuropäischen Sprache auf.

Die Veränderungen gingen freilich nicht nur in eine Richtung. Auch die ursprünglichen Kulturen beeinflussten die neue Sprache, was heute noch besonders gut in Nordeuropa erkennbar ist. Dort bereicherten neolithische Farmer nachhaltig das indoeuropäische Vokabular, ehe ihre eigene Sprache schließlich ausstarb, wie nun eine Studie dänischer Wissenschafter nachgewiesen hat.

"Wagen" und "Wolle" aus der kaspischen Steppe

Viele Sprachhistoriker stimmen darin überein, dass die proto-indoeuropäischen Wörter für "Rad", "Wagen", "Pferd", "Schaf", "Kuh", "Milch" oder "Wolle" vom Volk der Jamnaja in Europa eingeführt wurden, gemeinsam mit den entsprechenden neuen Kulturfähigkeiten. Andere Begriffe allerdings, Namen für Tiere und Pflanzen etwa, stammten nicht aus dem Indoeuropäischen, sondern müssen bei einem kulturellen Austausch eingeflossen sein. Wo ein solcher Kulturaustausch stattgefunden haben könnte, haben sich Rune Iversen und Guus Kroonen von der Universität Kopenhagen genauer angesehen – und wurden im Süden Skandinaviens rund um das Jahr 2800 vor unserer Zeitrechnung fündig.

"Die archäologischen Beweise lassen darauf schließen, dass vor etwa 4800 bis 4600 Jahren zwei sehr unterschiedliche Kulturen in Südskandinavien koexistierten: Einerseits die lokale neolithische Trichterbecherkultur mit den charakteristisch geformten Keramiken und kollektiven Begräbnistraditionen, und andererseits eine neue von der Jamnaja-Kultur beeinflusste Bevölkerungsgruppe, die ihre Toten in Einzelgräbern beigesetzt hat", sagt Iversen. Letztere verdrängte schließlich die Trichterbecherkultur in einem Jahrhunderte dauernden Prozess. "Während dieser langen Periode müssen sich die beiden Kulturen auch gegenseitig beeinflusst haben", so der Archäologe.

"Stör" und "Bohne" waren schon da

Der Sprachhistoriker Guus Kroonen fand in diesem Zusammenhang eine ganze Reihe von Wörtern für die lokale Fauna und Flora sowie domestizierte Pflanzen, die die Sprecher des Indoeuropäischen nicht mitgebracht haben könnten. Viele dieser Begriffe haben sich in modernen indoeuropäischen Sprachen wie Dänisch, Englisch oder Deutsch erhalten. "Es sind Wörter wie 'Stör', 'Shrimp' oder 'Bohne', die wir nicht bis in die Proto-Indoeuropäische Sprache zurück rekonstruieren können", erklärt Kroonen.

Die wahrscheinlichste Erklärung für ihre Existenz sei, dass sie von der lokalen Trichterbecherkultur stammen, schreiben die Wissenschafter im "American Journal of Archaeology". Damit bilden einige Wörter einen sprachlichen Nachhall aus der Jäger- und Sammler-Tradition sowie aus der frühen Landwirtschaft des Neolithikums in Skandinavien.

Die Terminologie der Landwirtschaft könnte überdies noch fernere Wurzeln haben, vermutet Kroonen: Sie könnten Überbleibsel der nun ausgestorbenen Sprache jener Menschen sein, die vor 9.000 bis 6.000 Jahren die Landwirtschaft von Anatolien nach Europa brachten. (tberg, 8.10.2017)