Als langfristige Maßnahmen gegen Verstopfung taugen Massagen, Bewegung und ballaststoffreiche Ernährung.

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Sammelt sich der Stuhl über mehrere Tage an, wird hart und klumpig und der Darm lässt sich nur stückweise durch starkes Pressen entleeren, dann spricht der Mediziner von einer Verstopfung. Meist tritt sie nur gelegentlich auf. Etwa zehn Prozent der Bevölkerung aber leiden chronisch darunter. Kommt die Verstopfung regelmäßig wieder und hält auch über mehrere Wochen lang an, sollten ernsthafte organische Ursachen medizinisch ausgeschlossen werden. Häufig findet der Arzt aber keine klare Ursache für das Entleerungsproblem.

Gleich Medikamente zu verabreichen ist aber meist unnötig, sagt der Darmexperte Urs Marbet vom Kantonsspital im Schweizer Uri. Er empfiehlt als ersten Schritt mehr zu trinken, sich mehr zu bewegen und zusätzlich Ballaststoffe zu konsumieren. Das bringe den Darm in Bewegung und halte den Stuhl geschmeidig. Der abführende Effekt dieser Maßnahmen mag zwar häufig bescheiden sein, aber sie sind harmlos und günstig.

Als Ballaststoff gut untersucht sind Flohsamen. Sie erhöhten in Studien die Zahl der Stuhlentleerungen und linderten die Verstopfungssymptome. Nachteil von Ballaststoffen: Sie wirken nicht schnell, sondern ihre abführende Wirkung tritt erst nach mehreren Tagen ein. Außerdem muss genügend getrunken werden, damit die Fasern im Darm aufquellen. Zu Beginn kann es zudem zu Blähungen kommen. Mehr Ballaststoffe sind daher eher eine längerfristig angelegte Nahrungsergänzung.

Damm und Bauch massieren

Hilfreich kann auch eine Massage sein: Forscher der Universität Los Angeles hatten an 100 Patienten mit Verstopfung gezeigt, dass eine Dammmassage bei drei von vier Betroffenen zu häufigerem und weicherem Stuhl geführt habe. Der Damm gehört zur Beckenbodenmuskulatur und liegt beim Mann zwischen After und Hodensack beziehungsweise bei der Frau zwischen After und hinterem Schamspaltenwinkel. Als altes Hausmittel gilt auch die Bauchmassage, bei der die Hand in Uhrzeigerrichtung um den Bauchnabel kreisend sanften Druck auf den Darm ausübt.

Eher kritisch sehen Experten mittlerweile Zäpfchen wie beispielsweise aus Glycerin. Sie sollen die Darmschleimhaut reizen und den Reflex zur Stuhlausscheidung auslösen. Diese Wirkung ist aber kaum in Studien belegt. Auch Paraffinöl macht den Stuhl zwar weicher und gleitfähiger, allerdings kommt es häufig zu leichter Stuhlinkontinenz, und die Aufnahme bestimmter Vitamine im Körper wird behindert. Auch Einläufe (Klistiere) eignen sich eher nur für den gelegentlichen Einsatz, sie können bei Dauergebrauch zu Verletzungen an Darm und After sowie zur Veränderung des Salzhaushalts führen.

Bringen die nichtmedikamentösen Maßnahmen keinen befriedigenden Erfolg, kann auf Medikamente ausgewichen werden. Mittel der ersten Wahl sind hier laut Studien Abführmittel mit Lactulose oder das rasch wirkende Macrogol, sagt Darmexperte Marbet. Die Moleküle dieser Substanzen binden Flüssigkeit im Darm. Das macht den Stuhlgang weicher und erhöht die Zahl der Stuhlgänge. Diese Substanzen haben sich seit langer Zeit bewährt und sind gut untersucht. Die Anwendung scheint auch langfristig gut verträglich zu sein. Nebenwirkungen beschränken sich mit Blähungen, Bauchschmerzen und Durchfällen auf den Magen-Darm-Bereich und treten meist nur bei Überdosierung auf.

Darmschleimhaut anregen

Wirken die wasserbindenden Substanzen nicht zufriedenstellend, können als Mittel zweiter Wahl Wirkstoffe ausprobiert werden, die die Darmschleimhaut dazu anregen, mehr Sekret im Darm zu bilden und so den Stuhl weicher machen. Sie gibt es in natürlicher Form zum Beispiel aus Sennes-Blättern und -Früchten oder synthetisch mit dem Wirkstoff Bisacodyl. Die Substanzen wirken binnen Stunden und sind für eine gelegentliche Anwendung gut verträglich.

Zur längerfristigen Anwendung gibt es hingegen kaum Untersuchungen. Da die Mittel rasch und zuverlässig wirken, kann es bei häufiger Anwendung zu Gewöhnung, Abhängigkeit und Missbrauch kommen. Die Folge können chronische Durchfälle sein, die lebenswichtige Salze wie Kalium, Natrium oder Kalzium aus dem Körper spülen. "Früher hatten wir daher erheblichen Respekt vor diesen Substanzen", sagt Marbet. Doch sie hätten sich in der Praxis bewährt. Heute gebe er sie recht locker, wenn die wasserbindenden Abführmittel nicht genügend ansprechen. "Meistens werden sie gut vertragen, Krämpfe und Blähungen kommen vor, aber dann müssen sie eben reduziert oder gestoppt werden."

Vorsicht ist noch bei den in den letzten Jahren gegen chronische Verstopfung entwickelten neuen Medikamenten angeraten wie Resolor, Amitiza oder Constella. Sie ziehen ebenso Wasser in den Darm oder bilden im Darm vermehrt Sekret, das den Stuhl weicher machen soll. Die Nebenwirkungen beschränken sich jedoch nicht immer nur auf den Magen-Darm-Bereich.

Medikamente auf "Reserve"

Das Risiko von Nebenwirkungen ist bei den neuen Arzneien derzeit noch kaum abzuschätzen und ihre Wirksamkeit nur schwer einzuordnen, da es kaum Studien gibt, die die neuen Medikamente direkt mit den bewährten Abführmitteln vergleichen. Auch für Marbet sind die neuen Medikamente daher "ganz klar nur Reserve", und ihr Einsatz mache erst dann Sinn, wenn alle anderen Bemühungen vorher erfolglos waren. Er musste bereits Behandlungen damit abbrechen, Grund waren starke Durchfälle als Nebenwirkung.

Auch Schwangere sollten auf die neuen Medikamente besser verzichten, da eine für den Fötus schädliche Wirkung nicht ausgeschlossen werden kann. Für Schwangere und auch Stillende unbedenklich sind hingegen Ballaststoffe und Abführmittel, die Wasser im Darm binden. (Andreas Grote, 8.10.2017)