Wien – Bei der letzten Nationalratssitzung am Donnerstag, also nur drei Tage vor der Wahl, dürften noch einige größere und kleinere Projekte auf Schiene gebracht werden. Und mit Stand Dienstag sieht es so aus, als würde die ÖVP vom Noch-Koalitionspartner mehrmals überstimmt. DER STANDARD gibt einen Überblick über die wichtigsten Materien, die wahrscheinlichen Mehrheiten und die möglichen Mehrkosten.

Ruhig wird es am Donnerstag im Nationalratsplenum wahrscheinlich nicht zugehen.
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  • Bankomatgebühr Die Banken werden nicht grundsätzlich verpflichtet, das Geldabheben gratis anzubieten. Sollte ein Institut aber eine Gebühr einheben wollen, muss es laut SPÖ-Antrag dem Kunden ein Alternativangebot mit einer Pauschale machen, durch das alle Bankomatfunktionen abgegolten sind. Wenn ein fremder Anbieter für das Abheben Geld verlangt, sollen die Banken verpflichtet werden, die Kosten zu übernehmen. Derzeit verrechnet ein US-Konzern rund zwei Euro pro Behebung.

    Wie aus den Fraktionen zu hören ist, dürften Grüne und FPÖ dem Antrag zustimmen. In der ÖVP hält man nichts von der Initiative. Den Staat kostet die Maßnahme nichts, die Banken nur dann, wenn sie die Mehrkosten nicht auf die Kunden überwälzen. Letzteres erwartet die ÖVP, die daher für mehr Transparenz statt Verboten ist.
  • Notstandshilfe Ebenfalls eine Mehrheit finden dürfte ein Antrag der Grünen: Derzeit wird bei der Berechnung der Höhe der Notstandshilfe – diese Leistung bekommt man, wenn das Arbeitslosengeld ausgelaufen ist – das Einkommen des Partners mitberücksichtig. Dadurch fallen vor allem Frauen um die Notstandshilfe um und geraten, so die grüne Sozialsprecherin Judith Schwentner, in ein Abhängigkeitsverhältnis zu ihrem Partner. Deshalb soll die Anrechnung des Partnereinkommens fallen. Rot und Blau dürften dem Antrag zustimmen. Die ÖVP wollte sich, wie bei einigen anderen Punkten, noch nicht festlegen. Profitieren würden von der Neuregelung rund 22.000 Menschen. Die Kosten belaufen sich laut Sozialressort auf 140 bis 160 Millionen Euro pro Jahr.

  • Mietvertragsgebühr Dem Antrag der FPÖ, die Mietvertragsgebühr bei Wohnungen abzuschaffen, haben im zuständigen Ausschuss bereits SPÖ und Neos zugestimmt. Ein Ja wird es aber auch von den Grünen geben. Die Gebühr beträgt ein Prozent der dreifachen Jahresmiete. Wer also beispielsweise 800 Euro monatlich an Miete zahlt, erspart sich 288 Euro. Der Staat würde nach Schätzungen um 50 bis 70 Millionen umfallen.

  • Angleichung Arbeiter und Angestellte Noch gerungen wurde um die Angleichung von Arbeitern und Angestellten. Laut dem SPÖ-Antrag sollen die derzeit besseren Kündigungsbestimmungen der Angestellten künftig auch für Arbeiter gelten. Die Kündigungsfrist würde also mindestens sechs Wochen betragen und mit dem Alter steigen. Bei der Entgeltfortzahlung ist geplant, dass bei Dienstverhinderung aus persönlichen Gründen (krankes Kind, Beerdigung) auch Arbeiter Anspruch auf Weiterbezahlung haben. Wird ein Mitarbeiter selbst krank, soll die Entgeltfortzahlung generell sechs Wochen betragen, was für Angestellte eine Verbesserung wäre.

    Die Änderungen bei der Entgeltfortzahlung würden die Betriebe laut SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch 25 Millionen Euro kosten. Umgekehrt sollen diese aber im Ausmaß von 46 Millionen Euro entlastet werden, indem der Insolvenzentgeltfonds künftig die Internatskosten für Lehrlinge übernimmt.

    Wirtschaft warnt

    Die Warnung der Wirtschaft, die besseren Kündigungsregeln würden deutlich über 100 Millionen Euro kosten, bezeichnet Muchitsch als "Schwachsinn". In der Praxis würden Menschen in der Regel auch nach Aussprache einer Kündigung noch eine Zeitlang weiterarbeiten, weshalb mit deutlich niedrigeren Kosten zu rechnen sei, sagt Muchitsch, ohne eine konkrete Zahl zu nennen.

    Da aber auch die FPÖ vor einer überhasteten Belastung der Betriebe warnt, sind nun längere Übergangsfristen sowie branchenspezifische Lösungen (vor allem für Bau und Tourismus) im Gespräch. Eine Einigung von SPÖ, FPÖ und Grünen gilt aber auch hier nach Informationen des STANDARD als wahrscheinlich.

    Ob die ÖVP an Bord sein wird, war am Dienstag noch nicht abschätzbar. Verwiesen wurde nur auf laufende Gespräche. Für die Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten hatte sich im Wahlkampf jedenfalls auch ÖVP-Chef Sebastian Kurz ausgesprochen. Der Wirtschaftsflügel der Partei sowie die Industriellenvereinigung machen aber massiven Druck gegen einen Beschluss, fordern eine öffentliche Begutachtung und warnen vor einem "Rosinenpicken".

  • Inklusionspaket Eine breite Mehrheit dürfte es bei der Aufstockung der Budgetmittel für die berufliche Integration behinderter Menschen geben. Das "Inklusionspaket" sieht eine Verdoppelung der Mittel auf 90 Millionen Euro vor. Zahlreiche Hilfsorganisationen und Behindertenverbände haben am Dienstag vehement auf einen Beschluss gedrängt. Der Aufschwung auf dem Arbeitsmarkt komme bei Menschen mit Behinderungen "leider nicht an", so die Begründung.
Im Wahlkampffinale sind auch ungewöhnliche Allianzen zwischen Blau, Rot und Grün möglich.

Schon länger nicht mehr strittig ist die jährliche Anpassung der Pensionen, wobei das Kompromissmodell ziemlich kompliziert geworden ist. Für Pensionen bis zu einer Höhe von 1.500 Euro monatlich gibt es ab 1. Jänner 2018 ein Plus von 2,2 Prozent. Zwischen 1.500 und 2.000 Euro ist eine pauschale Erhöhung um 33 Euro vorgesehen. Bei Ruhebezügen zwischen 2.000 und 3.355 Euro wird genau die Inflation von 1,6 Prozent abgegolten, danach sinkt der Wert linear, und ab 4.980 Euro Pension gibt es keine Anpassung mehr. Die Mehrkosten für den Staat liegen bei 111 Millionen Euro.

ÖVP, FPÖ und Neos würden auch noch gerne eine Schuldenbremse in die Verfassung schreiben. Die drei Parteien verfügen zwar über eine Mehrheit im Nationalratsplenum, für eine Verfassungsbestimmung ist aber eine Zweidrittelmehrheit nötig, die es angesichts des kategorischen Neins von SPÖ und Grünen definitiv nicht geben wird. (Katharina Mittelstaedt, Günther Oswald, Andreas Schnauder, 10.10.2017)