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Steinberger-Kern und Kirmaci gehen getrennte Wege. Ein Umstand, der die Gerüchteküche weiter brodeln lässt.

Foto: Picturedesk/Kurier / Jeff Mangione

Wien – Zwölf Tage nach der offiziellen Eröffnung des Innovation-Hubs Wexelerate am Wiener Donaukanal am 25. September tritt der Geschäftsführer Hassen Kirmaci schon wieder zurück. Alexander Surowiec, stellvertretender Wirtschaftsbund-Obmann in Liesing, wirft Wexelerate-Mitgründerin Eveline Steinberger-Kern in seinem Blog Fass ohne Boden Mauscheleien, Erschleichen von Förderungen und Strohmann-Konstrukte vor. Viel komplexer Stoff vor der Wahl: DER STANDARD versucht, die Fakten darzustellen.

Kirmaci hält laut Firmenbuch 58,61 Prozent der Anteile an Wexelerate. Das war allerdings bei der Firmengründung noch anders. Eine Wiener Steuer- und Unternehmensberatungskanzlei war damals Mehrheitsgesellschafter. Geschäftsführer war Kirmaci zu diesem Zeitpunkt ebenfalls noch nicht. Sein Vorgänger Avihai Shmuel Lifshitz wurde bei einer außerordentlichen Generalversammlung am 25. April als Geschäftsführer abberufen und Oezkan Hassen Kirmaci – so lautet sein voller Name – bestellt. Medial wurde lediglich Kirmaci vorgestellt.

Munkeln in der Szene

Warum die Kanzlei ihren Geschäftsanteil veräußert hat, darf der zeichnungs- und vertretungsbefugte Geschäftsführer der Firma nicht sagen: "Das verstößt gegen die Geheimhaltungspflicht meines Berufsstandes." Seine Anfrage, die Geheimhaltungspflicht in diesem Fall aufzuheben, wurde von Klientenseite abgelehnt. Der Geschäftsanteil entsprach einer Stammeinlage im Nennbetrag von 20.513,50 Euro. Kirmaci kaufte der Kanzlei den Anteil um einen symbolischen Euro ab.

Was mit Kirmacis Anteil passiert, ist momentan noch unklar. Ebenso sind es die Gründe für seinen Rücktritt als Geschäftsführer. In der heimischen Start-up-Szene wird über persönliche, aber auch politische Gründe gemunkelt. Gewissheit gibt es aber keine. Kirmaci selbst und auch Steinberger-Kern waren in der ganzen Causa nicht zu erreichen.

Verkauf von Anteilen

Im November 2016 hat Steinberger-Kern ihren 50-Prozent-Anteil an der Blue Minds Solutions GmbH verkauft. Diese ist zu 17,6 Prozent an Wexelerate beteiligt. Ihren Angaben zufolge tat sie das, "um jegliche Interessenkonflikte in Bezug auf die politische Tätigkeit meines Mannes erst gar nicht aufkommen zu lassen", da sowohl die Blue Minds Solutions als auch Wexelerate um Förderungen buhlen. Käufer war die MS Beteiligungsgesellschaft mbH von Rechtsanwalt und Immobilientreuhänder Markus Singer.

Surowiec deutet an, Singer agiere nur als Strohmann. Er wittert einen perfiden Plan zwischen der 45-Jährigen und dem renommierten Anwalt. Als Begründung führt er einen Wohnungskauf des Ehepaars Kern im August 2016 an, bei dem Singer als Anwalt der beiden mitwirkte. Dass Singer beides mache, könne "kein Zufall sein". Singer selbst dementiert die Vorwürfe heftig: "Ich bin zur Hälfte wirtschaftlicher Eigentümer der Blue Minds Solutions, somit kann ich unmöglich Treuhänder sein. Wirtschaftliches Interesse war der einzige Grund, warum ich die Anteile gekauft habe. Dazu mache ich gern eine eidesstattliche Aussage", sagt Singer. Dass er auch beim Wohnungskauf involviert war, führt Singer darauf zurück, dass es nicht viele Rechtsanwälte gebe, die gleichzeitig Immobilientreuhänder sind.

Potenzielle Mauscheleien

Auch auf staatlicher Seite ortet Surowiec potenzielle Mauscheleien. Wexelerate erhielt im vergangenen Herbst eine Förderzusage in Höhe von 277.026 Euro von der Wirtschaftsagentur Wien. Dort wird die Abteilung Technologie Services von Eva Czernohorszky geleitet – von einer Freundschaft mit Steinberger-Kern aus einer gemeinsamen VSStÖ-Zeit könne nicht die Rede sein, so Czernohorszky gegenüber dem Standard. Sie ist die Gattin von Jürgen Czernohorszky, dem Wiener Bildungs- und Integrationsstadtrat (SPÖ), der aber zum Zeitpunkt der Förderung noch im Stadtschulrat war. Tatsächlich gibt es laut VSStÖ keinen belegbaren Nachweis einer Mitgliedschaft von Steinberger-Kern. Für Surowiec handelt es sich dennoch um einen klaren Fall von Freunderlwirtschaft – für die Wirtschaftsagentur nicht.

"Jeder Förderantrag wird streng geprüft und von einer externen Jury vergeben. Außerdem ist eine andere Abteilung als jene von Frau Czernohorszky dafür zuständig. Ein angebliches persönliches Naheverhältnis der beiden könnte gar nichts mit der Vergabe zu tun haben", betont Uschi Kainz, Pressesprecherin der Wirtschaftsagentur.

Das Gründerzentrum wie beispielsweise der Sektor5 im fünften Wiener Bezirk erhält allerdings keine weitere Förderung mehr. Die Initiative sperrt zu. Dass Wexelerate dank Verbindungen der Kanzlergattin besser ausgestiegen ist, wie Kritiker monieren, lässt sich nach derzeitigem Stand dennoch nicht belegen. (Andreas Danzer, 12.10.2017)


Anmerkung: Dieser Artikel wurde um die Reaktion von Eva Czernohorszky ergänzt.