Dirty Campaigning kann man mit Humor betreiben, man kann Missstände aufdecken, oder man versucht den politischen Gegner psychisch zu zermürben. Neu ist es jedenfalls nicht.

Foto: AFP/JOE KLAMAR

Von 2003 bis 2005 war ich ÖH-Bundesvorsitzende für den VSStÖ und habe als solche sowohl Wahlkampagnen als auch Schmutzkübelkampagnen miterlebt. Von der Flö wurde ich beispielsweise einmal wegen Amtsmissbrauchs angezeigt. Kolleginnen und Kollegen erhielten Drohanrufe, man würde sie ins Gefängnis bringen, obwohl sie sich nichts hatten zuschulden kommen lassen. In der ÖH musste man dann schon einmal weinende Aktivistinnen und Aktivisten trösten und ihnen gut zureden, dass es keinen Grund zur Panik gebe.

Dirty Campaigning wurde also nicht 2017 von der SPÖ erfunden. Alle ÖH-Fraktionen haben sich damals in dieser Disziplin bewiesen. Und gelernt haben sie es von der Generation davor oder von der Mutterpartei. Dirty Campaigning ist ein wenig wie Computerspiele spielen. Man kämpft mit allen Mitteln um die Vorherrschaft und freut sich über gewonnene Punkte. Dirty Campaigning kann man mit Humor betreiben, man kann Missstände aufdecken, oder man versucht den politischen Gegner psychisch zu zermürben, die Wahrheitsfindung zu erschweren und Rufschädigung zu betreiben.

Interessante Statements

Sehr interessante Statements zu Dirty Campaigning liest man auch bei früheren ÖH-Politikern. Markus Keschmann etwa arbeitete nach seiner AG-Zeit beim "Kurier", danach unter anderem für die Raiffeisenbank und wechselte schließlich in die ÖVP. Er war Marketingleiter der Partei und als Geschäftsführer der Agentur Mediaselect in den Zehnerjahren in die sogenannte Inseratenaffäre rund um ÖVP und Telekom verwickelt. Bis März 2017 war er Direktor für Strategie und Kampagnen der ÖVP und außerdem Geschäftsführer von Alpha Medien-Service. Ein halbes Jahr vor der Wahl gründete er die Agentur MKE – Marketing Kampagnen Events. In seinem Blog finden sich zwar keine Angaben über aktuelle Kunden, aber Statements, die er im April und Mai 2017 verfasst hat. Seine Offenheit erstaunt. Er bezieht sich des Öfteren auf den amerikanischen Wahlkampf und die Methoden, die in den USA angewendet wurden:

"Interessanterweise rühmen sich ja Politiker/innen, Journalist/innen und Politikberater regelmäßig, die Wahlen in den USA ganz genau vor Ort beobachtet und studiert zu haben – wenn dann aber Werkzeuge aus diesen Wahlkämpfen hier auftauchen, tun dieselben Personengruppen erstaunt und überrascht ...", heißt es da etwa. Bezieht sich das auf Fokusgruppenanalysen via Facebook? Oder meint er vielleicht Dirty Campaigning?

"Handwerklich richtig gemacht"

"Also, ganz unaufgeregt: Dirty Campaigning gibt es auch bei uns seit Jahrzehnten und wird es auch weiterhin bei uns geben, im Idealfall halt handwerklich richtig gemacht", steht da weiters. Und: "'Negative/Dirty Campaigning' oder, hübscher gesagt, die Abgrenzung von den Gegnern gehört zum Handwerkszeug dazu. Das kann man charmanter, subtiler und unauffälliger machen, es ist aber Bestandteil jeder erfolgreichen Kampagne."

Nur zur Erinnerung: Keschmann ist nicht nur ein kleiner Funktionär, der einen privaten Blog betreibt. Er war von 2003 bis 2005 als Marketingleiter der ÖVP für alle Wahlkampagnen zuständig und zwischen 2011 und 2017 als strategischer Direktor der ÖVP gleichfalls für alle Kampagnen verantwortlich.

Was versteht er unter "handwerklich richtig" gemachter "Abgrenzung vom Gegner"? In seinem MKE-Blog steht dazu: "Dirty Campaigning findet gerade nicht (nur) 'kurz vor einer Wahl' statt, sondern ist ein langfristiger Prozess zur 'Positionierung' des politischen Gegners. Die Republikaner haben Hillary Clinton über zwei Jahre ins gewünschte Eck gestellt ..." Das heißt wohl, Dirty Campaigning sollte die ganze Zeit über betrieben werden.

Falscher Absender

Sehr Interessantes ist in Keschmanns Blog auch in Bezug auf die Broschüre zu lesen, die vor einigen Monaten von der ÖVP in Umlauf gebracht wurde und die Christian Kern verunglimpfen sollte. Kein handwerklich gelungenes Dirty-Campaigning-Produkt, laut Keschmanns Ausführungen: "Der handwerkliche Fehler bei der aktuellen Broschüre ist der Absender! So ein Pamphlet kann nicht direkt aus der Partei des Regierungspartners oder direkt aus dem Umfeld des Parteiobmanns kommen. So eine Unterlage muss über die Bande gespielt werden, über Interessengruppen, Vereine, eine strategische Gegner-Betreuung, über Social-Media-Kanäle oder die Weiten des Internets – egal, aber nicht direkt aus der Parteizentrale!" Das heißt, wenn man korrektes Dirty Campaigning macht, erledigt man den Job nicht aus der Parteizentrale, sondern lagert diese Aktivitäten ins Umfeld aus.

Nun steigt in mir eine Frage hoch: Warum verlässt der Chefstratege der ÖVP wenige Monate vor der Wahl seinen Posten und gründet eine Agentur für Medien, Kampagnen und Events, leitet aber weiterhin – laut Offenlegung – das Alpha Medien-Service? Dieses wickelt für die ÖVP alle Inserate ab, die in ÖVP-eigenen Druckwerken geschaltet werden. Mir ist aber nach einem Besuch auf ihrer Webseite nicht klar, wo konkret Inserierfreudige ihre Inserate unterbringen könnten. Wenn man auf "Zeitschriften" klickt, werden einem nicht die Druckwerke präsentiert, sondern man landet auf der allgemeinen Webseite der ÖVP. Auch die Reichweite der nicht präsentierten Medien kann man aus den Mediadaten nicht herauslesen. Aber die Preise der Inserate sind gelistet: Beispielsweise kommt ein Inserat über eine ganze Seite auf 15.000 Euro.

Ein Gedankenspiel

Da kommt mir ein Gedanke: Sagen wir, ich will der ÖVP eine Spende zukommen lassen. Da ich aber einen roten Background habe und viele meiner Freundinnen und Freunde entsetzt wären, spende ich lieber anonym. Könnte ich da zum Beispiel ein Inserat über Alpha Medien-Service buchen und hoffen, dass dieses dem Wahlkampf der ÖVP zugute käme? Vielleicht erhält das Alpha Medien-Service eine Provision für die Abwicklung der Buchung? Dieses Gedankenspiel kann man natürlich genauso auf Druckwerke anderer Parteien und Institutionen anwenden!

Einer der wichtigsten Fragen rund um die Dirty-Campaigning-Debatte wurde von den Medien bis jetzt kaum behandelt: die Frage ihrer Finanzierung. Dieser wird man spätestens dann begegnen müssen, wenn man tatsächlich ein Gesetz gegen Dirty Campaigning erlassen möchte, wenn es eine substanzielle Wirkung haben soll.

Kein Hobby

Das Problem von Dirty Campaigning ist nämlich nicht unbedingt strafrechtlicher Natur. Also zumindest Post-Lex-Silberstein. Sondern vielmehr: Wie bezahlt man sie? Wenn ÖH-Funktionäre Gerüchte weitererzählen oder eine Webseite mit kritischen oder spottenden Inhalten über den politischen Gegner bauen, dann passiert das in der Regel in ihrer Freizeit. Aber wenn man jemanden über Jahre "positionieren" will, Geldbeträge für heikle Informationen bietet oder negative Berichterstattung in Zeitungen über den Gegner platziert, muss das bezahlt werden. Das funktioniert nicht als Hobby. Meine Überzeugung lautet daher: Wo schmutzige Kampagnen vorkommen, findet man auch schmutziges Geld.

Die erlaubten sieben Millionen, die eine Partei ausgeben darf, beschränken erstens den Finanzplan eines Kampagnenleiters und zweitens auf Handlungen, für die nachvollziehbare Rechnungen gelegt werden müssen. Aber wie finanziert und wie umschreibt man die "Positionierung von Personen" über Jahre? Beziehungsweise die Erarbeitung von Strategien zur Abgrenzung von Gegnern? All das gehört ja laut Keschmann zum Handwerkszeug eines Politstrategen.

Und daher hoffe ich drei Dinge: 1) Wenn ein Dirty-Campaigning-Gesetz kommt, muss parallel eine strengere Überprüfung der Finanzgebarung der Parteien erfolgen. 2) Dass mich niemand aus der ÖVP "positioniert". Und 3) dass Markus Keschmann nach der Wahl nicht aufhört zu bloggen. (Patrice Fuchs, 13.10.2017)