In der zentralasiatischen Republik Kirgistan finden heute Präsidentschaftswahlen statt. Während in den Nachbarstaaten dieses  5,5 Millionen Einwohner umfassenden Staates solche Wahlen eher langweilig sind, bleiben sie in Kirgistan bis zuletzt spannend. Kirgistan ist einer der wenigen zentralasiatischen Staaten, bei denen die Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen nicht von vornherein feststehen und mehrere Kandidaten eine reale Chance haben, Wahlen zu gewinnen.

Kirgistan ist eine echte Mehrparteiendemokratie. Im Land herrscht verglichen mit allen Nachbarstaaten sehr viel mehr Presse- und Meinungsfreiheit. Politische Gefangene gibt es lediglich in der Form von Aktivistinnen und Aktivisten der islamistischen Hizb ut-Tahrir, die – allerdings ohne terroristische Methoden – für ein globales Kalifat kämpft. Vor allem im Vergleich zu Usbekistan und Turkmenistan kann sich die Menschenrechtsbilanz des kleinen Staates durchaus sehen lassen.

Sooronbay Jeenbekov kandidiert für die Sozialdemokraten.
Foto: Thomas Schmidinger

Die Kandidaten für die Präsidentschaft

Unter den insgesamt neun Kandidaten und einer Kandidatin, gelten allerdings nur wenige als chancenreich. Einer von ihnen ist Sooronbay Jeenbekov, der bis zum August als Premierminister Kirgistans im Amt war und nun von der Sozialdemokratischen Partei Kirgistans für die Kandidatur als Präsident unterstützt wird.

Der ehemalige Bauer blickt auf eine lange politische Laufbahn zurück, die ihn zuletzt an die Spitze der Regierung brachte. Seine Partei hält 38 von 120 Sitzen im kirgisischen Parlament und ist damit die mandatsstärkste Partei des Landes, gefolgt von der liberal-konservativen Respublika-Ata Zhurt. Der Kandidat dieser Unternehmerpartei, der steinreiche Milliardär Ömürbek Babanov, gilt neben Jeenbekov als der aussichtsreichste Kandidat um die Präsidentschaft des Landes.

Ömürbek Babanov lacht siegessicher von den Plakaten der kirgisischer Hauptstadt Bishkek.
Foto: Thomas Schmidinger

Babanov gilt als einer der reichsten Männer des Landes und agierte bereits zweimal als Premierminister. Der Oligarch und Öl-Unternehmer bekleidete Spitzenpositionen in einer ganzen Reihe von Firmen, darunter Arlan, Kirgisistan, Petro-Kasachstan Oil Products und Munay-Myrza Invest.

Im September 2012 musste Babanov wegen Korruptionsvorwürfen als Premierminister zurücktreten. Die nie strafrechtlich verfolgten und bewiesenen Vorwürfe stellen heute kaum noch ein Thema dar. Babanov werden durchaus gute Chancen eingeräumt, die heutigen Wahlen zu gewinnen.

Plakat für Temir Sariyev in der Kirgisischen Hauptstadt Bishkek.
Foto: Thomas Schmidinger

Außenseiterchancen

Außenseiterchancen werden jedoch auch einem weiteren ehemaligen Premierminister, Temir Sariyev, eingeräumt. Sariyev, von 2015 bis 2016 Premierminister, wird von der von ihm gegründeten Partei Akshumkar unterstützt, die allerdings mit unter fünf Prozent der Stimmen nicht den Einzug in das kirgisische Parlament schaffte.

Als weniger aussichtsreich gilt die Kandidatur von Toktaiym Umetalieva, der einzigen weiblichen Kandidatin dieser Wahlen, die sich als zivilgesellschaftliche Aktivistin einen Namen gemacht hat. Auch dem nationalistischen Kandidaten Adakhan Madumarov werden wenig Chancen eingeräumt. Seine Partei konnte nie den Einzug ins Parlament erreichen. Wenig Aussicht auf Erfolg haben zudem die Kandidaturen von Taalatbek Masadykov, Ulukbek Kochkorov, Ernis Zarlykov und Arslanbek Maliyev.

Plakate des parteiunabhängigen Kandidaten Arslanbek Maliyev sind in Kirgistan eher eine Seltenheit.
Foto: Thomas Schmidinger

Kein Winter in Kirgistan

Ebenso chancenlos, allerdings deutlich lustiger, ist der Kandidat Arstanbek Abdyldayev, der für sein Versprechen berühmt wurde, dass es in Kirgistan keinen Winter mehr geben würde. Zusammen mit seiner Aussage, wonach Kirgistan der Mittelpunkt der Erde wäre, machte ihn dies in der gesamten ehemaligen Sowjetunion zum Youtube-Star.

Armes Land mit Entwicklungschancen

Wer auch immer die nächste Legislaturperiode das zentralasiatische Land führen wird, wird sich mit der massiven Armut in den Städten und der hohen Arbeitslosigkeit ebenso auseinandersetzen müssen, wie mit der wachsenden Zahl kirgisischer Dschihadisten, die sich am syrischen Bürgerkrieg beteiligt haben und deren Rückkehr nach dem Ende des IS befürchtet wird.

Auch wenn sich die Wirtschaft des Landes von der neoliberalen Schocktherapie der 1990er-Jahre langsam erholt, bleibt Kirgistan eines der ärmsten Ländern Zentralasiens. Alte Menschen sind in den Städten immer noch vielfach gezwungen sich als Bettlerinnen und Bettler über Wasser zu halten. Viele der jüngeren versuchen ihr Glück immer noch in der Migration.

Alter und Gebrechlichkeit bedeutet oft auch Armut in Kirgistan.
Foto: Thomas Schmidinger

In der Hauptstadt Bishkek ist die Armut unübersehbar. Viele alte Frauen und Männer betteln. Wer keine Angehörigen hat, die ihn versorgen, ist darauf angewiesen, Mülltonnen nach Essbarem zu durchwühlen oder an einer der Straßen im Stadtzentrum zu betteln.

Für die Alten kommt die langsame Erholung der Wirtschaft zu spät. Sie sind bis heute die Hauptleidtragenden des Zusammenbruchs der sowjetischen Ökonomie in der Region. Der Ausbau des Tourismus und der wachsende Handel mit China könnten allerdings für einige ihrer Enkel Berufsperspektiven eröffnen. (Thomas Schmidinger, 15.10.2017)