Wien – In Österreich leiden knapp 13.000 Menschen an Multipler Sklerose (MS), jedes Jahr kommen etwa 400 Neuerkrankungen hinzu. Bislang ist MS nicht heilbar. Mit einer optimalen Therapie lässt sich aber der typische Verlauf der Erkrankung verzögern. Jetzt haben Forscher der MedUni Wien in Kooperation mit Wissenschaftern aus Japan, Deutschland und der Schweiz im Tiermodell entdeckt, dass die Familie der Histon-Deazetylasen (HDACs) bei der Entwicklung dieser Art von Autoimmunerkrankungen eine große Rolle spielt. Das könnte in der Zukunft und nach nötigen Folgestudien zu einem neuen therapeutischen Ansatz für Multiple Sklerose führen, wie die Forscher betonen.

Das menschliche Immunsystem basiert auf einem regen Informationsaustausch der Zellen untereinander, in dem auf fremde Keime oder krankhaft veränderte Zellen reagiert wird. Dazu müssen die in den Zellen enthaltenen Informationen der DNA ausgelesen werden. Häufig passiert das über sogenannte "epigenetische" Prozesse. Dabei spielen spezielle Enzyme eine maßgebliche Funktion, besonders die Familie der sogenannten Histon-Deazetylasen (HDACs). Insgesamt gibt es 18 verschiedene HDACs. Sie bestimmen den "Verpackungsgrad", also wie effizient die Information gelesen werden kann.

Wird der "Verpackungsgrad" – aufgelockert, kann die DNA leichter ausgelesen werden – wodurch die Expression einer Vielzahl von Proteinen gesteuert wird. Zusätzlich können HDACs auch die Aktivität und Funktion von Eiweißmolekülen regulieren. Dies führt zu einer Erhöhung der Zellaktivität und Anregung der Kommunikation zwischen den Immunzellen. Im Immunsystem macht sich eine erhöhte Zellaktivität während einer Immunantwort vor allem durch ein verstärktes Auftreten von speziellen Immunabwehrzellen, den T-Zellen bemerkbar. Das Ausmaß einer Immunreaktion wird dabei durch die HDAC-Familie reguliert.

Weiter Studien notwendig

Jetzt konnten die Forscher der MedUni Wien in ihrer Studie feststellen, dass sich bei Mäusen, bei denen HDAC1 in den T-Zellen durch einen "molekularen Trick" ausgeschaltet wurde, die Experimentelle autoimmune Enzephalomyelitis (EAE) nicht ausbildet – selbst wenn die Erkrankung künstlich hervorgerufen wurde. EAE ist eine Autoimmunerkrankung, die im Tiermodell analog zu MS betrachtet werden kann, wie die Wissenschafter betonen.

"Allerdings ist uns noch nicht bekannt, welcher genaue Mechanismus dahinter steckt, der diesen schützenden Effekt bewirkt.", erklärt Studienleiter Wilfried Ellmeier. Viele präklinische Studien im Tiermodell weisen darauf hin, dass HDAC-Inhibitoren auch bei Immunsystem-bedingten Erkrankungen, wie Autoimmunerkrankungen, wirksam sein könnten. Allerdings stehen den möglichen therapeutischen Effekten von Breitbandinhibitoren zum Teil erhebliche Nebenwirkungen gegenüber.

"Unsere Studie zeigt auf, dass die Entwicklung und Verwendung von HDAC1-spezifischen Inhibitoren, mit potenziell weniger Nebenwirkungen als Breitbandinhibitoren, ein möglicher therapeutischer Ansatz gegen MS sein könnte", meint Erstautorin Lisa Göschl. "Es sind aber noch einige weiterführende Studien notwendig, um das herauszufinden" ergänzt Ellmeier. (red, 17.10.2017)