Kanzler Kern und ÖVP-Chef Kurz beim Sondierungsgespräch am Sonntag.

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Kern will die SPÖ auf die Opposition vorbereiten.

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Wien – Für Noch-Bundeskanzler Christian Kern war das kein angenehmer Termin, er wurde am Sonntagabend von Wahlsieger Sebastian Kurz im ÖVP-Klub im Ausweichquartier des Parlaments auf dem Heldenplatz zu einem "Annäherungsgespräch" empfangen. Hoffnungen auf eine Koalition mit der ÖVP hegte Kern da keine mehr. Nach dem Gespräch sagte er, dass sich die SPÖ nun auf ihre Rolle in der Opposition vorbereiten werden, offensichtlich gab es keinerlei Annäherung. Am Montag tagen die SPÖ-Parteigremien.

Schon zuvor hatte Kern festgehalten: "Dass wir wenig Gemeinsamkeiten finden würden, ist sonnenklar." Er sei "überzeugt" davon, dass es zu einer türkis-blauen Regierung komme.

Auch Kurz sandte keine Signale aus, dass er mit der SPÖ noch weiter verhandeln wolle. Immerhin sei es in dem Gespräch am Sonntag gelungen, die Unstimmigkeiten bezüglich des Dirty Campaigning im Wahlkampf auszuräumen. Es sei eine "gute Gelegenheit" gewesen, um mit den Konflikten im Wahlkampf abzuschließen. Er wolle den "Blick in die Zukunft" richten. Der Versuch, eine mögliche Zusammenarbeit mit der SPÖ auszuloten, blieb offenbar schon im Ansatz stecken.

Kompromissfähige Themen

Kern hatte sich im Vorfeld des Gesprächs darum bemüht, seinen Termin mit Kurz nicht als reine Formsache abtun. Es gebe durchaus etwas zu bereden. Es gehe darum, was man die nächsten fünf Jahre in einer Regierung tun sollte, selbst wenn man dieser nicht angehöre. Und es gebe durchaus kompromissfähige Themen, bei denen sich ÖVP und SPÖ treffen könnten. Bei der Begrenzung der Migration etwa. Nach Türkis-Rot sieht es derzeit aber definitiv nicht aus, eine Regierungsbeteiligung der FPÖ scheint auf Schiene zu sein.

Bereits am Samstagnachmittag gaben sich Kurz und Strache voneinander sichtlich angetan. Nach einer guten Stunde Unterredung betonte Kurz, er habe "das starke Gefühl", dass bei Straches FPÖ nun Veränderungs- und Gestaltungswille sowie Verantwortungsbewusstsein" herrschten. Der Freiheitliche wiederum sah sich "guter Dinge", demnächst zu Koalitionsverhandlungen eingeladen zu werden.

FPÖ bleibt in EU-Fraktion

Am Sonntag legte Straches Vize Norbert Hofer im APA-Interview nach: Er sehe derzeit nur eine Koalition mit der ÖVP als realistische Möglichkeit, dazu stichelte er in Richtung SPÖ: "Derzeit ist nicht klar, in welche Richtung sich die Partei entwickelt und welcher Flügel sich durchsetzt."

Dazu betonte Hofer "den Veränderungswunsch" der Wähler. Neben Strache sind er und Generalsekretär Herbert Kickl fix im blauen Verhandlungsteam. Als wichtige Koalitionsthemen nannte Hofer ein Mehr an direkter Demokratie, wobei der Verfassungsgerichtshof ein Vetorecht bei Volksabstimmungen bekommen soll, die Senkung der Steuer- und Abgabenquote sowie der bürokratischen Hürden – und natürlich die Frage der Sicherheit.

Dass die FPÖ bei einer Regierungsbeteiligung die Rechtsfraktion im EU-Parlament verlässt, hält Hofer jedoch "für ausgeschlossen, weil in welcher Fraktion man eine Arbeitsebene bildet, überhaupt nichts über die inhaltliche Ausrichtung der einzelnen Parteien aussagt. Auch die ÖVP befindet sich in einer Fraktion mit Viktor Orbáns Fidesz-Partei."

Bei "stillem Wasser und Schwarzbroten" lotete Kurz mit Neos-Boss Matthias Strolz schon am Freitag aus, welche Reformen mit einer Zweidrittelmehrheit mit dem Sanktus der Neos – also mit einer Zweidrittelmehrheit im Parlament – beschlossen werden könnten. Neben einer Schuldenbremse im Verfassungsrang konkretisiert Strolz im STANDARD-Gespräch, dass sich der ÖVP-Chef und er auch über eine Stärkung des Persönlichkeitswahlrechts und die Zusammenlegung der Sozialversicherungen ausgetauscht haben – für Änderungen des Status quo bräuchten diese beiden Materien ebenfalls eine Verfassungsmehrheit.

Neos als "Wertewächter"

Dennoch hält Strolz für die Neos in der kommenden Legislaturperiode fest: "Wir wollen auch Kontrollpartei und Wertewächter sein – bei Anträgen, die von dumpfen Rechtspopulismus geprägt sind, gehen wir sicherlich nicht mit."

Peter Pilz war Samstagvormittag zu Gast bei Kurz am Heldenplatz. In den eineinhalb Stunden sicherte der ÖVP-Chef Pilz zu, dass die unterbrochene parlamentarische Untersuchung rund um die Eurofighter fortgesetzt werden soll. Im STANDARD-Gespräch präzisiert Pilz, dass er "freilich nicht daran" denke, "den Antrag" zu der einst schwarz-blauen Abfangjägerbeschaffung "mit der ÖVP zu formulieren" – vielmehr galt es im Gespräch sicherzustellen, dass die Bald-wieder-Kanzlerpartei hier "keine Obstruktion" betreibe.

Auch bei den neuen Mehrheitsverhältnissen im Nationalrat braucht die Liste Pilz für das Einsetzen eines U-Ausschusses allerdings die Zustimmung der SPÖ oder der FPÖ, weil dafür ein Viertel der Abgeordneten nötig ist – ein Ja der Neos reicht dafür nicht aus. (Michael Völker Nina Weißensteiner, 22.10.2017)