Neandertaler – im Bild eine Rekonstruktion im Neanderthal Museum in Mettmann – dürften große Nasen besessen haben, vermutlich als Anpassung an die eiszeitliche Kälte.

Foto: Neanderthal Museum

Buenos Aires – Die bisher bekannten Schädelfunde lassen vermuten, dass Neandertaler zu Lebzeiten ziemlich große Nasen besaßen. Warum das so war, ist allerdings ein Rätsel. Vertreter des anatomisch modernen Menschen, die sich an die Kälte angepasst haben, verfügen nämlich über verhältnismäßig kleine Riechorgane. Schmale Nasenöffnungen eignen sich besser, um die eingeatmete Luft anzuwärmen und vor allem den Wärme- und Feuchtigkeitsverlust beim Ausatmen abzuschwächen. Größere Nasen dagegen finden sich im Schnitt häufiger in tropischen Gefilden.

Die Nasen der Neandertaler widersetzten sich diesem Trend. Sie lebten zwar in einem großteils vereisten Europa, in dem es meist weit kälter war als heute – und doch müssen ihre Nasenöffnungen sehr groß gewesen sein. Bisher haben sich Paläoanthropologen diesen Umstand damit zu erklären versucht, dass die Gesichter der Neandertaler insgesamt wuchtiger waren. Große Münder und breite Kiefer sorgten für eine hohe Beißkraft, die notwendig war, um das Fleisch von erlegtem Wild vom Knochen zu lösen. Die großen Nasen seien damit nur Teil dieser charakteristischen Züge gewesen.

Lange zirkulierende Luft

Nun aber haben Forscher um Rodrigo Paz vom Nationalen Wissenschafts- und Technikforschungsrat (Consejo Nacional de Investigaciones Científicas y Técnicas) in Buenos Aires festgestellt, dass die großen Nasen doch eine Anpassung an das Leben im kalten Norden darstellten. Die Forscher analysierten Atemwege und Nasenpartien zweier digital rekonstruierter Neandertaler auf Grundlage fossiler Schädel. Dabei zeigte sich laut "Pnas", dass die Atemluft in der Nasenhöhle wesentlich länger zirkuliert und damit bessert erwärmt und angefeuchtet wird als bei einem durchschnittlichen Homo sapiens.

Obwohl die Forscher die genetischen Hintergründe dieser und anderer Anpassungen an die Kälte nicht untersucht haben, halten sie es für möglich, dass der nachgewiesene DNA-Austausch zwischen modernem Menschen und Neandertaler auch diesen Bereich umfasste. Immerhin liegen Hinweise darauf vor, dass verschiedene Kältetoleranzgenvarianten, die heute bei Inuit zu finden sind, ursprünglich vom Denisova-Menschen stammen, die ebenfalls unter eiszeitlichen Bedingungen lebten. (red, 31.10.2017)