Erfüllt die Discovery die moralischen Ansprüche des Star-Trek-Universums?

Foto: CBS/Jan Thijs
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Die neue "Star Trek"-Serie "Discovery" beginnt Schlag auf Schlag. Waghalsige Manöver, Phaser- und Torpedoschlachten, ein Krieg wird begonnen, Verrat wird begangen, viele sterben, es fühlt sich fast so an wie ein "Game of Thrones" für Trekkies. In den Wirren des Krieges kristallisiert sich langsam eine bipolare Galaxisordnung heraus, wir wissen also ziemlich früh wer der Gute und wer der Böse ist. Spock würde dazu wohl "faszinierend" sagen, denn diese radikale Schwarz-Weiß-Malerei ist äußerst selten im "Star Trek"-Universum und höchstens eine punktuelle Anomalie wie Borg oder Spezies 8472.

Neu ist, dass eine ganze Serie auf diesem Schwarz-Weiß-Prinzip aufgebaut ist, und dabei so intensiv auf das Böse gerichtet ist, dass sogar das Raumschiff Discovery einen "Schwarzen Alarm" hat. "Gewalt sells" könnte man jetzt einwenden, doch sollte man sich als mündiger Trekkie die Mühe machen, genauer hinzusehen und zu fragen, ob die Discovery die moralischen Ansprüche des "Star Trek"-Universums erfüllt.

Das ultimative Böse: Die religiösen Fanatiker

Dass ein Klingone nicht gerade am Lagerfeuer sitzt und Kumbaya my Lord singt, ist wohl allseits bekannt. Den einen oder anderen Krieg anzufangen, ist für die klingonische Kultur auch nicht abwegig. Doch widerfährt der Kriegerzivilisation in "Star Trek: Discovery" ein radikaler Kulturwandel, hin zu einem Feindbild, der unserer sicherheitspolitischen Lage mehr entspricht: den radikalen Islamisten.

Sieht man sich die alten "Star Trek"-Interpretationen des Klingonischen genauer an, erkennt man einen Kriegerkult, der eher an die Wikinger erinnert: man kämpft, man feiert, man trinkt, man vergnügt sich, prügelt sich untereinander und bleibt trotzdem ehrenhaft. Schon in den ersten zwei Folgen der neuen Serie ist davon nichts mehr zu sehen. Jetzt hat man einen getöteten religiösen Märtyrer, einen internen Nachfolgekrieg, man betet, man fastet, man verhält sich asketisch, verstümmelt sich selbst und man bricht Wort.

Kriegerisch waren sie schon immer, in der neuen Serie sind die Klingonen auch religiös-fanatisch.
Foto: CBS/Jan Thijs

Die Analogie zwischen den zerstrittenen klingonischen Adelshäusern, die das einende Feindbild in der Föderation sehen, und zu den zerstrittenen islamischen Richtungen dessen Terrororganisationen das Feindbild in der westlichen Welt aufbauen wollen, ist wohl auch kaum zufällig.

So rechtfertigt das neue klingonische Feindbild plötzlich eine Reihe fragwürdiger militärischer Mittel und Strategien: Die Vulkanier, die mit "Lebe lang und in Frieden" grüßen, schießen sofort wenn ein klingonisches Raumschiff auch nur in die Nähe kommt. Die "guten" Protagonisten der Serie präparieren einen toten Klingonen mit Sprengstoff, der nach der Schlacht detoniert. Die Option eines Friedens scheint es nicht mehr zu geben, Klingonen sind vogelfrei geworden, mit Fanatikern kann man nicht verhandeln, so der neue, raue Star-Trek-Ton.

Das subtile Böse: Die Intellektuellen

Schon die gewalttätige Interpretation der Vulkanier wirkt verstörend. Doch auch hier setzen die Schreiberlinge der Serie einen drauf und lassen einen vulkanischen Logik-Fanatiker ein Selbstmordattentat durchführen. Einem älteren Trekkie sollte es spätestens hier den Magen umdrehen. Dass Logik und Vernunft immer ein integraler Bestandteil von diversen Kriegen und Missetaten in der menschlichen Geschichte waren und auch heute noch sind, ist nicht zu bezweifeln. Doch repräsentierte die vulkanische Kultur immer auch den Frieden und die Besonnenheit. So musste der Regisseur J. J. Abrams in seinen Star-Trek-Actionfilmen den Planeten Vulkan zerstören, um den Weg für ein gewalttätigeres Star-Trek-Universum zu ebnen – ohne Vulkanier geht das nun mal leichter.

Doch nicht nur die Spitzohren erfahren einen moralischen Abstieg. Auch die Wissenschaftsoffiziere werden zu mehr oder weniger willigen Gefolgsleuten eines Krieges mit fragwürdigen Mitteln. So ist auch der Wissenschaftsoffizier der Discovery, der später erster Offizier wird, mit einem ängstlichen, an sich zweifelnden schlaksigen Wesen besetzt, und passt so gar nicht in die Reihe des Spock, Data, Doktor und Seven-of-Nine. So erfahren beide Vertreter des typischen Intellektuellen im Star-Trek-Universum eine fragwürdige Abwertung, die der einen oder anderen Ideologie nur gelegen kommt.

Kämpfende Wissensarbeiter

Star Trek hat immer die politischen und sozialen Missstände unserer Zeit benannt: So sitzen ein Russe und eine Afroamerikanerin auf der Brücke der Enterprise in den 60er Jahren unter Kirk. Ein liebenswürdiger Androide und ein ehemaliges klingonisches Feindbild in den 80er und 90er unter Picard. Ein Afroamerikaner kommandiert die Sternenflottenbasis Deep Space Nine und ein ehemaliger Rebell/Terrorist ist erster Offizier auf der Voyager unter einer Frau. Star Trek zeigt uns was möglich ist, was möglich sein soll.

Doch selbst die pseudohaften Gender- und Diversity-Charaktere der Discovery ändern nichts an den fragwürdigen moralischen Entscheidungen und Handlungen. So ist die Protagonistin Michael Burnham bereit zuerst zu schießen – auch wenn die Option des Rückzugs da ist. Der kriegsgeile Kapitän wird zwar als böse dargestellt, doch als notwendiges Böse, jemand, den es braucht um Kriege zu führen, und die Crew akzeptiert das. Gezeichnet werden die idealen Soldaten und Soldatinnen, hochfunktionale Wissensarbeiter, die kämpfen und vor allem töten können. Der Corpsgeist steht über den ethisch höheren Prinzipien der Föderation. Der Satz "Rufen Sie sie!" ist selten geworden, "Phaser auf Betäuben stellen" gibt es nicht mehr. Das ist nicht Star Trek, das ist klassische militärische Propaganda. (Stefan Pfeifer, 7.11.2017)