Carles Puigdemont ist auf ganzer Linie gescheitert, und die Schuld an dieser Niederlage trägt zunächst einmal er selbst. Man muss keine Sympathie für den spanischen Regierungschef Mariano Rajoy hegen, um dem abgesetzten katalanischen Regierungschef einen gehörigen Teil der Schuld an der Eskalation zu geben: weil er weiterhin die Wahrheit verdreht, mit Falschaussagen Propaganda betreibt und damit Sehnsüchte bedienen mag, die Katalanen aber noch mehr zu spalten droht.

Aber gut, fangen wir bei den Fehlern Rajoys an, derer nämlich gibt es schließlich genug: Den Grundstein des Konflikts hat bekanntlich er selbst gelegt, als er ein fix und fertiges, neu ausverhandeltes Autonomiestatut für Katalonien verhindert hat. Ihre Unterschrift daruntergesetzt hatten zuvor sowohl das Parlament in Madrid als auch jenes in Barcelona sowie der spanische König. Die Sturköpfigkeit, mit der Rajoy dieses und jedes andere Entgegenkommen bekämpft hat, zeugt von einer unglaublichen Kurzsichtigkeit. Die Krise befeuert hat also auch Spaniens konservativer Premier mit seiner Holzhammerpolitik gegen die katalanische Regionalregierung und die selbstbewusste Bevölkerung.

So hat er erst recht noch mehr Katalanen, die die Loslösung allen Umfragen zufolge mehrheitlich die meiste Zeit nie angestrebt haben, in die Arme der Sezessionisten getrieben. Auch der überbordende Polizeieinsatz während des Referendums war nicht nur unnötig brutal, sondern in seiner Härte generell völlig unnötig: Welche Gefahr geht von einem Votum aus, das laut Verfassung – der im Übrigen auch die Katalanen zugestimmt haben – illegal, selbst den von Barcelona entsandten internationalen Beobachtern nach unzulässig und dessen Ergebnis nicht überprüfbar ist?

Der Abgesetzte will weiterhin den Helden spielen

Doch vor den getroffenen Zwangsmaßnahmen war es Rajoy, der etwas mehr Dialogbereitschaft an den Tag gelegt hatte. Sein Zugeständnis, bei einem Einlenken Puigdemonts Verhandlungen über eine Ausweitung der Autonomierechte zu beginnen, war so eine Brücke. Das Einbringen von Neuwahlen ebenso, da es erlaubt hätte, für klare Verhältnisse zu sorgen. Puigdemont ging nicht darauf ein, denn diese erwischten ihn auf dem falschen Fuß. Er wollte ursprünglich weder das Bündnis aus seiner rechtsliberalen Partei mit der antikapitalistischen Linken erneuern, noch konnte er sich des Rückhalts der Bevölkerung sicher sein.

Das Mandat der inzwischen abgesetzten Regionalregierung, die das Wort "Demokratie" stets im Mund führt, wenn sie Madrid die Verletzung ebendieser vorwirft, ist ohnehin schon denkbar schwach: Gewählt hatten sie nicht einmal 48 Prozent der Katalanen. Puigdemont ging nicht darauf ein, stattdessen machte er sich gen Brüssel aus dem Staub. Zurückgelassen hat er Verwirrung und Verbündete, die sich nun von ihm abzuseilen beginnen. Der Abgesetzte will zwar weiterhin den Helden spielen, aber er will die Konsequenzen daraus nur bedingt selbst tragen.

Das ist zwar nicht heldenhaft, aber durchaus nachvollziehbar angesichts des harten Vorgehens der Justiz und der bis zu 55 Jahre Haft, die ihm drohen. Es erklärt aber nicht, warum er den zivilen Widerstand nun aber von den Katalanen einfordert.

Dass er sie anpeitscht, statt zu kalmieren, offenbart, wie unerträglich verbohrt, kleingeistig und verantwortungslos sein Nationalismus ist. Es ist nun nicht Spanien, das zu zerbrechen droht, sondern Katalonien. (Anna Giulia Fink, 4.11.2017)