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Sebastian Kurz (li.) und Heinz-Christian Strache sind sich einig: Die Mindestsicherung soll generell erst nach fünfjährigem Aufenthalt ausbezahlt werden.

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Beschließt die Regierung ein Grundsatzgesetz, könnte damit die Wiener Landesregierung von Michael Häupl und Maria Vassilakou unter Druck gesetzt werden.

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Wien – Bei den Regierungsverhandlungen von ÖVP und FPÖ wird aktuell auch wieder über die Mindestsicherung verhandelt. Wie berichtet haben die beiden Parteien in einem ersten Arbeitspapier vereinbart, einen neuen Anlauf für eine "österreichweit einheitliche Regelung" zu nehmen. Gefordert werden eine fünfjährige Wartefrist, eine Deckelung bei 1.500 Euro und eine "Mindestsicherung light" für Asylberechtigte. Vorbild sind Oberösterreich, wo schon Schwarz-Blau regiert, und Niederösterreich, wo die ÖVP sogar über eine absolute Mehrheit verfügt.

Da in der abgelaufenen Legislaturperiode alle Versuche, eine österreichweit einheitliche Regelung zu finden, gescheitert sind, stellt sich nun die Frage, warum das dieses Mal gelingen sollte. Klar ist: Die rot-grüne Regierung in Wien wird einem Modell mit Deckelung und "Mindestsicherung light" für Asylberechtigte nicht zustimmen.

Wiener Modell

Die beiden Wiener Regierungsparteien haben das bisher kategorisch abgelehnt, in ihrem Entwurf, der demnächst vom Landtag beschlossen werden soll, ist von einer Deckelung und einer Light-Variante auch nicht die Rede. Auch in jenen Bundesländern, in denen die ÖVP mit den Grünen regiert (Tirol, Vorarlberg, Salzburg), hat man sich für weniger strenge Modelle als in Ober- und Niederösterreich entschieden.

Rechtlich gäbe es aber für eine türkis-blaue Bundesregierung durchaus die Möglichkeit, die Länder zu überrumpeln und ein eigenes Modell vorzugeben. Darauf macht der auf Sozialthemen spezialisierte Salzburger Arbeitsrechtler Walter Pfeil im Gespräch mit dem STANDARD aufmerksam.

"Grundsatzgesetz" für "Armenwesen" möglich

Laut Artikel 12 der Bundesverfassung könnte die Regierung für den Bereich "Armenwesen", zu dem die Mindestsicherung gezählt werden kann, ein sogenanntes "Grundsatzgesetz" beschließen. In diesem könnte sie dann die von ihr gewünschten Eckpunkte wie die Deckelung und die Schlechterstellung von Asylberechtigten festschreiben. Für ein solches Gesetz würde eine einfache Mehrheit reichen, ÖVP und FPÖ bräuchten also weder die SPÖ noch die Neos.

Sollte Wien oder ein anderes Bundesland die Vorgaben dieses Grundsatzgesetzes nicht umsetzen (gezwungen könnte kein Land werden), müsste der Verfassungsgerichtshof prüfen, ob ein Verstoß gegen das Bundesgesetz vorliegt. Gleichzeitig könnte das Höchstgericht dann aber natürlich auch prüfen, ob das Bundesgesetz verfassungskonform ist.

VfGH prüft bereits

Die niederösterreichische Regelung ist, wie berichtet, ohnehin beim VfGH anhängig. Das Landesverwaltungsgericht hatte Bedenken gegen die geringeren Mindeststandards für Menschen, die weniger als fünf Jahre in Österreich sind, sowie gegen die Deckelung geäußert.

Sollte sich Türkis-Blau für ein Grundsatzgesetz entscheiden, würde man sich jedenfalls vom Konsensprinzip bei diesem Thema verabschieden. Bisher hatte man immer versucht, einen neuen Bund-Länder-Vertrag zu verhandeln. Der Unterschied hierbei: Ein solcher 15a-Vertrag kann nur in Kraft treten, wenn sich Bund und alle neun Länder einig sind. Das war aber eben in der letzten Legislaturperiode nicht möglich, weshalb der alte Vertrag ohne Nachfolgeregelung mit Ende 2016 auslief.

Alternativ dazu wäre auch noch möglich, die Mindestsicherung überhaupt zu einer alleinigen Kompetenz des Bundes zu machen. Da es sich hierbei um einen Eingriff in die Verfassung handeln würde, bräuchten ÖVP und FPÖ aber die Zustimmung von SPÖ oder Neos. Ein Vorgehen der SPÖ gegen die Interessen Wiens ist realpolitisch auszuschließen. Aber auch die Neos haben bereits deponiert, nicht für ein Modell nach Vorbild Ober- oder Niederösterreichs zu sein, weshalb eine Verfassungsmehrheit unwahrscheinlich ist. (Günther Oswald, 9.11.2017)