Den Keim des Lebens zu fremden Exoplaneten bringen: Ein derartiges, sehr langfristiges Projekt wäre technisch bereits in absehbarer Zeit machbar, meint Claudius Gros.
Illustr.: Breakthrough Starshot

Frankfurt – Die astronomischen Entdeckungen der vergangenen Jahre – die jüngste wurde erst letzten Dienstag verkündet – lassen es durchaus plausibel erscheinen, dass unsere Galaxie voller erdähnlicher Exoplaneten ist. Ob diese Welten tatsächlich auch Leben beherbergen, ist jedoch mit den bisher verfügbaren Mitteln schlicht und einfach nicht feststellbar. Aber es ist vermutlich sehr wahrscheinlich, dass viele davon völlig steril sind. Hätten wir die technischen Grundlagen dazu, sollten wir diesen toten Exoplaneten Leben einhauchen?

Claudius Gros vom Institut für Theoretische Physik der Goethe-Universität Frankfurt ist jedenfalls der Meinung, dass wir den Keim des Lebens im All verbreiten sollten. Und er glaubt, dass die technischen Möglichkeiten für die menschengemachte Panspermie – sein "Genesis Projekt" – bereits in Reichweite sind: Ein vergleichbares System, wie es bereits im Rahmen des Breakthrough-Starshot-Projektes vorgestellt wurde, sei als Vehikel zur Verbreitung von Organismen im Kosmos durchaus geeignet, meint Gros.

Video: Juri Milner erklärt das Breakthrough-Starshot-Projekt.
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Bremsprobleme

Laut der vom russischen Milliardär Juri Milner, dem Astrophysiker Stephen Hawking und Facebook-Gründer Mark Zuckerberg präsentierten Breakthrough-Starshot-Initiative könnten mit großen Sonnensegeln ausgestattete miniaturisierte Raumsonden auf ein Viertel der Lichtgeschwindigkeit beschleunigen werden. Eine Reise zum nächstgelegenen Stern, Alpha Centauri, würde damit in 20 bis 50 Jahren zu bewältigen sein. Angetrieben werden die Sonden laut diesen Plänen von leistungsstarken Lasern auf der Erde.

Dieses Projekt hat allerdings einen großen Haken: Die Sonden wären zu klein, um ein geeignetes Bremssystem mitzuführen. Und ohne einen Mechanismus zum Abbremsen kann die Raumsonde nur im Vorbeiflug vom Stern und seinen Planeten Daten sammeln. In einen Orbit schwenken oder gar landen und Lebenskeime verbreiten ist nicht drin. Daher hat Gros nun untersucht, ob sich interstellare Raumsonden mit Hilfe von riesigen "magnetischen Segeln" abbremsen ließen.

Langsam zu den Sternen

Eine solche Sonde wäre allerdings bedeutend langsamer unterwegs. "Langsam würde in diesem Fall eine Reisegeschwindigkeit von 1.000 Kilometern pro Sekunde bedeuten, was zwar nur 0,3 Prozent der Lichtgeschwindigkeit ist, dafür aber etwa fünfzigmal schneller als die Voyager-Raumsonden", erläutert Gros. Um bei einem Bremsvorgang die Bewegungsenergie einer Raumsonde mit einer Masse von bis zu 1.500 Kilogramm auf das interstellare Gas zu übertragen, ist nach den im "Journal of Physics Communications" veröffentlichten Berechnungen ein magnetisches Segel notwendig, das aus einer großen supraleitenden Schlaufe mit einem Durchmesser von gut 50 Kilometern besteht.

In dieser Schlaufe wird verlustfrei ein Strom induziert, der seinerseits ein starkes Magnetfeld erzeugt. Der ionisierte Wasserstoff des interstellaren Mediums wird in der Folge vom Magnetfeld der Sonde reflektiert, wodurch diese nach und nach abgebremst wird. Das funktioniert, wie Gros zeigen konnte, trotz der extrem niedrigen Teilchendichte des interstellaren Raums (0,005 bis 0,1 Teilchen pro Kubikzentimeter).

Das Trappist-1-System mit seinen insgesamt sieben Exoplaneten wäre ein interessantes Ziel für Claudius Gros' "Genesis Projekt".
Illustr.: NASA/JPL-Caltech

"Genesis Projekt" mit Zellen an Bord

Für die Reise wären allerdings historische Zeiträume notwendig. Die sieben bekannten Planeten des Trappist-1 Systems in 40 Lichtjahren Entfernung beispielsweise könnten so in etwa 12.000 Jahren erreicht werden. Interessant ist auf der anderen Seite, dass für den Start der gleiche Laser geeignet wäre, mit dem sich nach bisherigen Planungen auch wenige Gramm schwere Raumsonden auf ein Viertel der Lichtgeschwindigkeit beschleunigen und nach Alpha-Centauri schicken ließen.

Missionen zu fremden Sternen, die Jahrtausende benötigen, kommen freilich nicht für wissenschaftliche Erkundungsmissionen infrage. Als Transportsystem zur Verbreitung von Leben im All – etwa als eine Art Backup für den Fall, dass das Leben auf dem Planeten Erde durch eine kosmische Katastrophe ausgelöscht wird – sei das Konzept sehr wohl geeignet, meint Gros. Sein "Genesis Projekt" könnte auf diesem Weg einzelliges Leben in Form von tiefgekühlten Sporen oder kodiert in einem miniaturisierten Gen-Labor mit sich führen. Für eine solche Genesis-Sonde sei nicht der Zeitpunkt der Ankunft wichtig, sondern die Möglichkeit abzubremsen und schlussendlich in eine Umlaufbahn um den Zielplaneten einzuschwenken, sagt Gros. (tberg,red, 19.11.2017)