Gleichstellung geht weder von selbst, noch darf es zur Frauensache deklariert werden.

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Mann sein. Das ist schön für mich. Ich bin gerne der Mann meiner Frau, der Vater meiner inzwischen erwachsenen Töchter und Söhne, der Großvater meiner Enkel, der Bruder meiner Schwester, der Freund meiner Freundinnen und Freunde.

Mann sein? Es hat einige Jahre meines Lebens gebraucht, bis ich begriffen habe, dass ich als Mann zu den Profiteuren eines Frauen diskriminierenden Gesellschaftssystems gehöre. Und ich habe es lange unterschätzt, wie hartnäckig, subtil und träge diese Diskriminierung funktioniert.

Selbstverständliche Ungleichheit

Die Ungleichheit ist so selbstverständlich, dass wir sie oft nicht wahrnehmen. Wir haben über Jahrzehnte gelernt, dass es "normal" ist, dass aus unterschiedlichem Geschlecht auch unterschiedliche Partizipation wird. Es sind die unscheinbaren und unausgesprochenen Agreements, dann doch wieder Männer zu bevorzugen, Frauen in der zweiten Reihe stehen zu lassen.

Dabei gibt es schon so viele Leitbilder, Grundsatzpapiere und Visionsbroschüren, die die Gleichstellung preisen und hochjubeln. Viel Papier stemmt sich gegen das Unrecht. Aber die Praxis? Gesetze und Richtlinien sind Makulatur, wenn die Rechte der Frauen im Alltag dann doch wieder boykottiert werden.

Diskriminierung benennen

Mann sein! Das heißt, mich für die Rechte der Frauen einzusetzen. Wo immer mir Diskriminierung unterkommt, diese auch zu benennen. Wo immer es um Entscheidungen und Teams geht, auf ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis zu achten. Und grundsätzlich eine gleichgestellte Partizipation aller zu sichern. Denn selbst in Kreisen, wo das selbstverständlich zu sein scheint, ist dies in der Praxis ganz und gar nicht so. Es bedarf einer permanenten Achtsamkeit. Dazu gehört auch das Benennen von Strukturen und das Aufzeigen des Scheiterns. Das immer wieder Frauen diskriminierende System muss beendet werden.

Gleichstellung geht weder von selbst, noch darf es zur Frauensache deklariert werden. Wir Männer sind das Problem, wenn wir die Verantwortung zur Beendigung der Diskriminierung nicht übernehmen. Wir Männer haben noch viel zu tun. (Bernhard Jenny, 19.11.2017)