Wien – Appelle zur Wahrung und Weiterentwicklung des demokratischen Rechtsstaates sind am Freitag im Mittelpunkt des Richtertages in Wien gestanden. Sabine Matejka als neu gewählte Präsidentin der Richtervereinigung stellte sich vor, ihr Vorgänger Werner Zinkl wurde verabschiedet und geehrt. Seinen Abschied, und zwar aus der Politik, gab auch Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) bekannt.

Festredner des nur alle fünf Jahre stattfindenden Treffens war Alt-Bundespräsident Heinz Fischer. Er schlug einen Bogen über "100 Jahre Republik – 100 Jahre Justizgeschichte" und stellte auch hier die Entwicklung der Rechtsstaatlichkeit in den Mittelpunkt. Dessen Aushebelung im Ständestaat unter Engelbert Dollfuß, weit schlimmer aber noch im Nationalsozialismus war dabei ebenso Thema, wie die Lehren daraus.

Die Menschen lernen dazu

"Die Ereignisse des Jahres 1945 und der nachfolgenden Jahre betrachte ich immer wieder als eindeutige Widerlegung des Satzes, dass die Menschen aus der Geschichte nichts lernen", zeigte er sich zuversichtlich. In der Justiz sei in der Zweiten Republik besonders ernsthaft und erfolgreich an Reformprojekten gearbeitet worden.

Für die Zukunft erinnerte Fischer an die wachsende Macht der Informationssysteme und der (sozialen) Medien, wodurch Emotionen, populistische Aktionen und unseriöse Informationen wachsende Bedeutung erlangen und zu einer wachsenden Bedrohung werden könnten. "Es wird eine der wichtigsten Aufgaben der Justiz sein, einer solchen Entwicklung Grenzen zu setzen und dem wachsenden Druck nach emotional und populistisch begründeter Anlassgesetzgebung – einmal in dieser und einmal in jener Richtung – zu widerstehen", warnte Fischer.

Unabhängige Richter

Die Bedeutung unabhängiger Richter in diesem Zusammenhang hob Bundespräsident Alexander Van der Bellen hervor – allerdings nicht in Person, war er doch durch Verpflichtungen rund um die Koalitionsverhandlungen verhindert, seine Grußworte wurden verlesen. Gegen Stimmungsmache und die Verkürzung der Demokratie auf reine Ja/Nein-Entscheidungen sprach sich Staatssekretärin Muna Duzdar (SPÖ) aus.

Brandstetter lobte die Richtervereinigung als "Bollwerk der Rechtsstaatlichkeit" mit 110-jähriger Geschichte. "Bleiben Sie so unbequem wie Ihr Vorgänger, dann machen Sie es richtig", sagte er zu Matejka. Er mahnte beim Einbau direktdemokratischer Elemente in das parlamentarische System zur Vorsicht und bekannte sich – in Richtung "populistischer Strömungen" – zur kompromisslosen Umsetzung von Grund- und Freiheitsrechten.

Mehr Transparenz

Verständnis zeigte Brandstetter für die Forderung der Richterschaft nach mehr Transparenz bei Personalentscheidungen. Bei den Koalitionsverhandlungen sei eine derartige gesetzliche Regelung Thema, er selbst werde dies allerdings nicht mehr umsetzen. "Ich werde zurückgehen an die Wirtschaftsuniversität Wien", gab er seinen Abschied aus der Bundesregierung nun auch offiziell bekannt: "Ich freue mich darauf, meinen Studenten Lehrinhalte, angereichert durch Erfahrungen aus meiner Regierungstätigkeit, die ich nicht missen möchte, anbieten zu können."

Matejka plädierte in ihrer Antrittsrede für eine gut ausgestattete Justiz und eine unabhängige Justizverwaltung. Wichtig sei es, das Vertrauen der Öffentlichkeit im Auge zu behalten. Man müsse sich nicht nur jenen entgegenstellen, die aus Machtgelüsten den Rechtsstaat infrage stellten, sondern sich auch jenen widmen, denen er gleichgültig sei. "Wir haben einen großartigen Beruf und können stolz auf unsere Arbeit sein, aber wir müssen das den Menschen auch vermitteln", so die Präsidentin. Wenn man das Vertrauen verliere, "ist es wie ein Giftstachel im Herzen der Demokratie". (APA, 24.11.2017)