Wien – Die Zeit wurde knapp. Am 15. Dezember wäre die Zulassung des umstrittenen Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat in der Europäischen Union ausgelaufen. Am Montag hat nun die Kommission eine Zulassung für weitere fünf Jahre beschlossen. Nach mehrmaligen Pattsituationen hat eine Abstimmung im zuständigen Unterausschuss eine Mehrheit für die Verlängerung ergeben.

Insgesamt seien 18 Länder dafür gewesen, Österreich war unter den Gegnern, heißt es aus Diplomatenkreisen. Bereits bei früheren Abstimmungen gab es mehr Befürworter als Gegenstimmen, allerdings haben Enthaltungen großer Länder, wie Deutschland und Frankreich, wiederholt die Wiederzulassung verhindert.

Vorangegangenes Tauziehen

Der Entscheidung war ein über ein Jahr dauerndes Tauziehen zwischen Befürwortern und Kritikern vorangegangen. Letztere befürchten, das Glyphosat krebserregend sei und stützen sich auf eine Auswertung der Internationalen Krebsforschungsagentur (IARC), die zur Weltgesundheitsorganisation (WHO) gehört, wonach Glyphosat als "wahrscheinlich krebserregend" eingestuft wurde. Damit steht die IARC allerdings überraschend isoliert da. Das Mittel wird seit 40 Jahren weltweit eingesetzt. Nationale und europäische Gesundheitsbehörden, darunter die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA sowie Schwesterbehörden in den USA, Kanada und Japan, stufen Glyphosat nicht als Karzinogen ein. Auch eine Neubewertung der EFSA sieht im Einsatz des Herbizids keine Gefahr für den Menschen.

Grund für die unterschiedlichen Resultate sei laut EFSA mitunter, dass die EU-Behörde Glyphosat isoliert betrachtet und nicht etwa Pflanzenschutzmittel, die Glyphosat in Verbindung mit anderen Substanzen einsetzen. Die Mitgliedsstaaten sind für die Bewertung jedes einzelnen Pflanzenschutzmittels selbst verantwortlich, heißt es seitens der EFSA. Seit August 2016 sind in Österreich glyphosathaltige Produkte mit dem Beistoff Tallowamin verboten.

Frage des Risikos

Ein weiterer Unterschied in der Bewertung ist die allgemeine Risikoeinschätzung, die von der EU-Kommission letztlich getroffen werden muss. Dabei müssen die europäischen Experten berücksichtigen, in welchen Mengen ein potenzieller Gefahrstoff tatsächlich beim Mensch oder in der Umwelt auftritt und entsprechende Anwendungen vorschreiben. Das IARC sichtet nur die Beweislage dafür, dass Glyphosat prinzipiell karzinogen ist. Die EU-Behörden bewerten letztlich auch das Risiko, tatsächlich an Krebs zu erkranken, wie die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (Ages) erklärt. Letztlich betrifft der Konflikt die Auslegung des Vorsorgeprinzips. Die Ages, zuständig für die fachliche Position Österreichs, sah weitere Einschränkungen in der Anwendungsweise von Glyphosat als Voraussetzung für eine Wiederzulassung.

Glyphosat-Gegner hoffen nun auf nationale Verbote in den Mitgliedsstaaten. So zeigte sich Greenpeace zwar zufrieden, dass eine ursprünglich geplante 15-jährige Verlängerung verhindert wurde, fordert aber einen nationalen Ausstiegsplan. Eine Forderung, die auch von den Sozialdemokraten aufgegriffen wurde. Die SPÖ werde einen entsprechenden Gesetzesantrag einbringen, sagte Klubobmann Andreas Schieder per Aussendung. Alle Parlamentsparteien bis auf ÖVP und Neos haben sich bereits in der Vergangenheit gegen die Wiederzulassung des Herbizids gestellt. Allerdings hat auch Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter (ÖVP) bereits vor der letzten Abstimmung hinter dem Nein Österreich gestanden, so die Forderungen der Ages unerfüllt bleiben.

Anders ist die Situation in Deutschland. Vor der Abstimmung hatte Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) gegenüber Agrarminister Christian Schmidt (CSU) ihre Ablehnung einer Neuzulassung telefonisch mitgeteilt. Trotzdem stimmte Deutschland im Ausschuss am Montag für die Neuzulassung. Offenbar sei zur selben Zeit eine andere Weisung nach Brüssel gegangen, ärgerte sich Hendricks. (slp, 27.11.2017)