Thomas Schmidt: "Viele Menschen erwarten vom Journalismus mehr Transparenz und Authentizität."

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USA: Demokraten schöpfen wieder mehr Vertrauen (72 Prozent) während Republikaner, im Bild US-Präsident Donald Trump, den Medien mit großer Skepsis gegenüberstehen.

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Für viele Journalisten ist es offensichtlich, dass sie einen gesellschaftlichen Nutzen erbringen. Schließlich liefern sie täglich Informationen, Service und oft auch einen Schuss Unterhaltung. Doch fürs Publikum ist diese Leistung nicht immer so eindeutig. Das zeigt sich nicht nur, wenn Journalisten pauschal verurteilt werden ("Lügenpresse"), sondern auch wenn das Vertrauen in den Journalismus sinkt.

In den USA lässt sich gerade beobachten, was passiert, wenn aus der Vertrauenskrise eine Legitimitätskrise wird. Dort ist das Vertrauen in den Journalismus im vergangenen Jahr auf einen historischen Tiefpunkt gesunken. Lediglich 32 Prozent der Befragten gaben in einer Gallup-Umfrage an, dass sie den Massenmedien vertrauen. Mittlerweile ist der Wert zwar wieder auf 41 Prozent angestiegen, doch gleichzeitig hat sich der Graben zwischen den politischen Lagern vertieft. Demokraten schöpfen wieder mehr Vertrauen (72 Prozent), während Republikaner den Medien mit großer Skepsis gegenüberstehen. Nur 14 Prozent von ihnen haben Vertrauen in den Journalismus.

Gute Werte in Österreich

Diese Vertrauenskrise hat zwar viel mit der spezifischen politischen Situation in den USA zu tun. Eine universale Entwicklung lässt sich nicht ableiten, wie der Münchner Professor Thomas Hanitzsch und seine Kollegen vor kurzem in einer Studie gezeigt haben. So ist etwa vor allem in Österreich das Vertrauen in die Medien im internationalen Vergleich relativ hoch. Laut einer Umfrage vertraut fast die Hälfte der Befragten den hiesigen Medien. Dennoch drängen sich wichtige Fragen auf, nicht zuletzt für die Journalismusforschung. Wie lässt sich diese Kluft zwischen Journalisten und dem Publikum analysieren? Und warum verlieren Menschen das Vertrauen in die Berichterstattung?

In der aktuellen Forschung gibt es wieder verstärktes Interesse daran zu untersuchen, wie Journalismus vom Publikum wahrgenommen wird. Dabei hat sich zum Beispiel gezeigt, dass viele Leute ihre eigenen Theorien haben, um zu beurteilen, was Journalismus ist, was Journalismus tatsächlich tut und was er leisten soll. Rasmus Nielsen, der Direktor des Reuters Institute an der Universität Oxford, spricht in diesem Zusammenhang von "folk theories", also "volkstümlichen Theorien". Diese stehen oft im starken Kontrast zu dem, von dem Journalisten glauben, dass sie es tun.

Arrogant und abgehoben

Diese selbstgebastelten Erklärungen sind nicht notwendigerweise dasselbe wie Vorurteile. Sie entstehen aus Erwartungen, Erfahrungen und einer Evaluierung, ob die Erfahrungen mit den Erwartungen übereinstimmen. Zur Illustration kann ich Ihnen Beispiele aus einem meiner aktuellen Forschungsprojekte in den USA berichten. Wenn man Menschen im direkten Gespräch fragt, was sie sich vom Journalismus erwarten, dann antworten sie häufig: Fakten. Wenn man sie nach ihren Erfahrungen fragt, erzählen viele von ihnen, dass die Nachrichten zu parteiisch, zu aufsehenerregend und zu oberflächlich seien. Wenn man sie nach Erklärungen fragt, antworten sie, dass Journalisten oft zu arrogant und abgehoben seien. Ein Gesprächspartner brachte es so auf den Punkt: "Die Journalisten reden zu uns, aber nicht mit uns."

Unterschiede zwischen Journalisten und ihrem Publikum zeigen sich auch im Rollenverständnis. Journalisten sehen sich oft als Aufpasser in der Politik und als Wächter der Demokratie. Diese Rollen werden vom Publikum zwar sehr wohl zugestanden. Doch als wir Teilnehmer in unserer Studie fragten, welche Qualitäten und Rollenbilder sie sich von Journalisten wünschen würden, erwähnten sie zum Beispiel auch die Verlässlichkeit eines Apothekers, die Aufmerksamkeit eines Barkeepers und die Hilfsbereitschaft des Nachbarn.

Transparenz und Authentizität erwünscht

Diese Ergebnisse lassen sich nicht einfach verallgemeinern, doch sie deuten darauf hin, dass sich viele Menschen vom Journalismus mehr Transparenz und Authentizität erwarten, aber auch Demut und Bereitschaft zur Interaktion. Sie bieten außerdem Anhaltspunkte für eine substanzielle Diskussion darüber, wie Journalisten ihr Verhältnis zum Publikum neu definieren könnten. In Zeiten der medialen Unübersichtlichkeit und der wachsenden Konkurrenz mit anderen Medienangeboten wäre damit nicht nur dem Publikum geholfen, sondern auch dem Journalismus. (Thomas R. Schmidt, 29.11.2017)