Linien, die zu wabern scheinen. Objekte, die gleich groß sind, obwohl sie nicht so aussehen. Farben, die unterschiedlich wirken, aber eigentlich ident sind. Es gibt so einige Wege, unser Gehirn aufs Glatteis zu führen. Und viele davon sind ein wiederkehrendes Phänomen auf sozialen Netzwerken.

Stumm – und doch zu hören

So auch die "GIFs, die man hören kann", wie sie mittlerweile genannt werden. Es handelt sich um kleine Animationen, die – obwohl formatbedingt absolut stumm – beim Betrachter einen Hörreiz auslösen. Ein populäres und gerade wieder herumgereichtes Beispiel ist etwa dieser schnurspringende Strommast, den die Forscherin Lisa DeBruine auf Twitter geteilt hat.

Erstellt wurde es ursprünglich vom britischen Künstler "Happy Toast" im Jahr 2008 im Rahmen eines Wettbewerbs. Es ist nicht das erste Mal, dass die Animation in diesem Kontext auftaucht.

Auch der Autor dieser Zeilen nimmt ein kurzes "Wumpern" wahr, wenn der Mast am Boden aufkommt. Vielen anderen scheint es ähnlich zu gehen, wenn man die von DeBruine lancierte Twitter-Umfrage als Indiz betrachtet. Von allen, die eine faktische Antwort gewählt haben, geben 72 Prozent an, eine akustische Wahrnehmung zu haben.

Akustischer Reflex

Warum dieses Phänomen auftritt, ist allerdings nicht endgültig geklärt. DeBruine und verschiedene User vermuten, es könnte sich um den sogenannten "akustischen Reflex" handeln. Dieser ist eigentlich eine Art Selbstschutzmechanismus für das Ohr, um sich besser vor zu lauten Geräuschen abzuschirmen, in dem die Übertragung von Vibration ins Innenohr verringert wird. Die Erwartung einer lauten Erschütterung, so die Theorie, könnte diesen Reflex triggern, der wiederum Ursache für das "Geräusch" ist.

Synästhesie

Eine weitere mögliche Antwort, gibt der Akustikforscher Trevor Cox gegenüber Alphr. Er erklärt, dass alle Leute, die bei diesen Animationen etwas hören, einen synästhetischen Effekt zwischen Sehen und Hören erleben. Dabei löst ein visueller Reiz ein akustisches Empfinden aus. "Wir denken oft, dass unsere Sinne voneinander getrennt sind", so Cox, "aber unser Gehirn kombiniert Eindrücke aller Sinne, um das aktuelle Geschehen zu verarbeiten." Er denkt, dass das gehörte "Geräusch" im Gehirn erzeugt wird und nicht auf einem physischen Vorgang beruht.

Noch ein "hörbares Gif".

Julia Simner vom Multisense-Labor der University of Sussex schließt sich dieser These an. Sie selbst hört beim springenden Strommasten zwar nichts, doch prinzipiell habe dieses Gif alle Merkmale, um bei Menschen mit entsprechender Ausprägung ein synästhetisches Erlebnis auszulösen.

DeBruine denkt derweil darüber nach, dies weiter zu erforschen. So könnte man etwa im Rahmen eines Studentenprojektes testen, wie wichtig die Erschütterung des Bildes für die Erzeugung des Hörreizes ist. (red, 04.12.2017)