Unter den Geistern und Dämonen, die das Brauchtum und der Volksglauben kennen, ist die Percht einer der faszinierendsten Gestalten. Sie tritt uns zwischen dem Vorabend des Nikolaustages und jenem des Dreikönigstages immer wieder entgegen, allerdings in unterschiedlicher Gestalt und unterschiedlicher Funktionalität.

Diese geheimnisvolle Gestalt ist im gesamten Alpenraum verbreitet. Die Volkssage und der Volksglauben schildern sie uns unterschiedlich: als alte und/oder hässliche Frau, als schmutziges Weib, als felltragendes, zotteliges Wesen, das an den klassischen "Spitzbartl" (Krampus) erinnert, als Laub- oder Strohhaufen, gelegentlich sogar als Wesen ohne Kopf. In den Sagen des Kärntner Mölltales besitzt sie eiserne Handschuhe. Sie gilt in der Volkssage auch als tanzwütige Tochter des Herodes, die zur Strafe für ihre Laszivität und Exzessivität in einem Verlies in Köln festgehalten wird, das sie nur an einem Tag des Jahres verlassen darf.

Facettenreich und vielschichtig wie ihre volkskundlich-religionswissenschaftliche Ahnenreihe, sind Auftreten und Anspruch der Percht. Mitunter ist sie nicht mehr als die Begleiterin des Nikolaus, also Staffage könnte man sagen, wenn man ihr am 5. Dezember im Jauntal oder als Pəhtra Marjeta im Rosental begegnet. Als singuläre Gestalt kennt man sie am Vorabend des Dreikönigstages. Im Rosen- und Jauntal wird sie dann als Pəhtra baba bezeichnet, im Unteren Gailtal hingegen nur Perchtra/pəhtra. Diese Nacht jedenfalls ist ihr reserviert und heißt in Teilen Südkärntens bezeichnenderweise pernahtə (Perchtnacht).

Historische Aufnahme aus den 30er-Jahren: Percht mit Gefolge im Raum Fürnitz nahe Villach.
Foto: Georg Graber, Volksleben in Kärnten, 1934

Die Percht, ein ambivalentes Wesen

So unterschiedlich ihr Äußeres sein mag, ihre geschlechtliche Konnotation ist klar und eindeutig. Sie ist ein weibliches Wesen, ungeachtet ihres zumeist wenig ansprechenden Äußeren, und zudem eine der wenigen dämonischen Figuren, die sichtbar ist beziehungsweise der – in Brauchtum und Ritual – im wahrsten Sinne des Wortes Gestalt gegeben wird. Im Gailtal wird sie dabei stets von Burschen dargestellt. Im Rosental und im Sattnitzgebiet unterscheidet sich die Percht jedoch auch in diesem Punkt, da dort ihre Rolle von Frauen übernommen wird.

Höchst ambivalent sind auch ihre Intention und Funktionalität. Zum einen symbolisiert sie eine dunkle Macht, die domestiziert wurde, die es auch weiter scharf im Auge zu behalten gilt und die – mitunter sogar nur unter strenger Bedeckung – für einen Abend im Jahr in den Häusern einkehren darf, zum anderen verspricht man sich von ihrem Besuch Segen für das neue Jahr. Sie tritt auch als pädagogisches Korrektiv auf. Gerade in der Volkssage wird diese Funktion immer wieder thematisiert.

Die Percht in Unterkärnten

Darin und als gabenbringende Besucherin am Vorabend vor Dreikönig, wird sie gleichsam zum weiblichen Pendant des heiligen Nikolaus, zum Spiegelbild der italienische Befana oder der ursprünglichen, Geschenke bringenden heiligen Lucia. Deutlich wird diese Rolle der Percht im Rosental. Im mitgeführten Sack, Korb oder in der Schürze, brachte sie Nüsse, getrocknete Früchte, Äpfel, aber auch Feldfrüchte mit, die sie in der Stube verstreute. Gleiches wird von der Figur in Zell/Sele in den Karawanken berichtet. Auch dort verstreut sie bei ihrem Besuch Nüsse, getrocknete Früchte und Naschwerk am Stubenboden. Im Fall der Zellaner Figur wird besonders manifest, dass mit ihrem Kommen ein Glückszauber verbunden ist. Bei ihrem Besuch segnet sie zwei aus Roggen und Weizen gebackene Weihnachtsbrote, die während der Feiertage auf dem Stubentisch liegen, und beginnt diese zu zerkleinern. Am Morgen des nächsten Tages bekommt jedes Familienmitglied ein Stück davon. Auch das Vieh wird damit beteilt.

Im Unteren Gailtal wiederum dient/e ihren Darstellern, Burschen im Alter zwischen zwölf und 14 Jahren, der klassische, aus Schaffellen hergestellte Wintermantel der Untergailtaler, der sogenannte kožek, den bis weit ins 19. Jahrhundert hinein Männer und Frauen trugen, als Kleidung. Zur Ausstattung gehörten die aus Schaffell hergestellte Larve – heute zum Teil geschnitzte Masken – und eine Kette, ein Strick oder ein Gürtel, an dem eine Kuhglocke angebracht ist. Bei ihrem Besuch tritt die Percht – mitunter sind es mehrere, die als Gruppe unterwegs sind – nun reihum in die Häuser ein. Die Perchten bringen ihre Glück- und Segenswünsche dar und singen eines oder auch mehrere Lieder. Ist der Gesang beendet, erhalten die Besucher für ihre Wünsche und ihre Darbietung von den Hausleuten eine kleine Aufmerksamkeit. Ursprünglich waren dies geselchte Würste, heute ist dies Geld, das zur Finanzierung eines gemeinsamen Abends verwendet wird.

Foto: Daniel Mešnik

Burschen aus Göriach (Gailtal) stellen die Percht dar. Diese trägt einen Mantel aus Schaffell sowie eine aus Schaffellen gefertigte Maske

Antik-Heidnische Vorbilder der Percht

Der Abend der Percht, der 5. Jänner, ist der zwölfte Tag seit Weihnachten und damit der letzte jenes Zeitabschnitts, in dem nach Volksglauben alle dämonischen Gewalten in einer Weise entfesselt sind, wie zu keinem anderen Zeitpunkt im Jahr. Gleichsam als abschließender Höhepunkt tritt in dieser Nacht die Percht auf, in der sich zahlreiche antik-heidnische Vorbilder zu einer dämonischen Gestalt vereinigen. Als Anführerin der Wilden Jagd erinnert sie an die altgriechische Hekate, Göttin der Zauberkunst und des Spuks, die nicht selten an Wegkreuzungen ihr Unwesen treibt und von einem Zug von Tieren begleitet wird. Deren indogermanische Entsprechung ist die Gestalt der Seelenführerin. Auch in der slowenischen Volkssage begegnen wir der Percht als Seelenführerin, die einen Zug friedloser Seelen in Gestalt von Tieren mit sich führt. In Sturm und Wind, die diesen Zug begleiten, äußern sich diese friedlosen Seelen und entsprechen damit dem Topos der in zahlreichen Volkssagen Europas auftretenden sogenannten Wilden Jagd, die sich aus ähnlichen Figuren beziehungsweise Elementen zusammensetzt.

Nach einer anderen antiken Vorstellung, die auch der römische Dichter Vergil kennt, führen diese Gestalten den Zug der vor der Zeit verstorbenen Kinder an – in christlicher Umdeutung waren dies später die ungetauft verstorbenen Kinder – oder waren kinderraubende Dämonen in Frauengestalt. Als solche kennt die Volkssage auch die Percht. Nach dem Beispiel der antiken Hexen mit ihren durchaus vampirhaften Zügen, bestrafte sie nicht nur ungehorsame Kinder, sondern raubte sie des nachts, um ihnen das Blut auszusaugen, ihre Bäuche aufzuschlitzen oder die Eingeweide herauszureißen.

Foto: Archiv des Hermagoras Verlages/Mohorjeva

Burschen aus Achomitz (Gailtal) erwarten die Percht, um sie ins Dorf zu führen. Kopie einer Fotografie aus den 1960er-Jahren.

Tanzend in der Hölle und der Erde

Die Volkssage bietet für die Figur der Percht jedoch noch eine andere Erklärung, die eine Adaption des Salome-Motivs ist, wie wir es aus dem Neuen Testament kennen. Danach war die Percht eine schöne Tochter des Königs Herodes – in der Bibel ist sie, historisch richtig, dessen Stieftochter –, die von ihrem Vater als Belohnung für ihren Tanz den Kopf Johannes' des Täufers forderte. Als Strafe dafür wurde sie in die hässliche Percht verwandelt. Nach einer anderen Version habe sie vor dem Hof hinreißend getanzt und sei dafür mit Lob und Zuspruch geradezu überschüttet worden. Dadurch übermütig geworden, tanzte sie mitten im Winter auf einem vereisten See, brach ein und ertrank. Tanzend kam sie in die Hölle und wurde für ihre Exzessivität und wohl auch Laszivität dadurch bestraft, dass sie fortan in jeder Perchtnacht die Erde tanzend umkreisen müsse.

Die Erzählung von der in die Percht verwandelten Tochter des Herodes besitzt noch einen bezeichnenden Zusatz, der auf die enge Verbindung zwischen ihr, ihrem Auftreten im Jahreslauf und -brauchtum und den Heiligen Drei Königen hinweist. Die zur Schreckensgestalt gewordene Prinzessin wird dieser Sage nach in Köln – seit dem Mittelalter ruhen dort die Reliquien der Heiligen Drei Könige – hinter neun eisernen Türen gefangen gehalten. Jeden, der ihr zu nahe kommt, erdrückt sie mit ihren eisernen Armen, da sie selbst eine eiserne Jungfrau ist. Für einen Tag im Jahr, vom Vorabend bis zum Abend des Dreikönigstages, darf sie ihr Verlies und auch Köln verlassen. In dieser Zeit besucht sie die Häuser der Menschen. Am Abend des Dreikönigsfestes muss sie jedoch wieder in ihr Gefängnis zurückkehren. (Peter Wiesflecker, 20.12.2017)

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