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Bewohner der Inseln protestieren vor dem Migrationsministerium in Athen. Auf dem Banner steht: "Chios ist kein Depot für Menschen."

Foto: Reuters / Costas Baltas

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Das Flüchtlingslager Moria auf der Insel Lesbos. Von dort sollen Migranten aufs griechische Festland gebracht werden.

Foto: REUTERS/Alkis Konstantinidis

Seit die Deutschen kontrollieren, haben die Österreicher und Schweizer mehr zu tun. 20 bis 25 Flüchtlinge mit falschen Pässen werden an manchen Tagen in Athen am Abfluggate nach Wien oder Zürich aufgegriffen, heißt es aus Sicherheitskreisen. Weil Passagiere aus Griechenland seit November nach ihrer Ankunft in Deutschland Ausweise vorzeigen müssen, weichen Migranten auf andere Länder der grenzfreien Schengenzone aus. Denn Griechenland ist in der Flüchtlingskrise beides: Torwächter und Nudelsieb.

Griechlands konservativer Oppositionsführer Kyriakos Mitsotakis hat sich schon beklagt. Er habe sich geschämt, dass er als Grieche bei der Ankunft in Frankfurt zu einem Terminal für Nicht-Schengen-Länder geführt wurde und 20 Minuten auf die Kontrolle seines Ausweises warten musste, sagte Mitsotakis im Parlament. Auch Belgien, Italien und die Niederlande kontrollieren nun zumindest stichprobenartig, wie griechische Reisende berichten. Sie machen ihre Regierung für den De-facto-Hinauswurf aus Schengen verantwortlich.

Schlepper zum Festland

Athen führt genau Buch über die Flüchtlinge im Land. Aber dann wiederum doch nicht. Exakt 15.178 Flüchtlinge wurden zuletzt von den Inseln der Ostägäis gemeldet. Ob es auch so viele sind, ist keinesfalls sicher. Schlepper bringen Menschen von den Inseln zum griechischen Festland. Davon gehen Sicherheitsexperten in Athen aus. Es ist nur eine Frage des Geldes. Zwar verkaufen Reisebüros ohne Genehmigung der Behörden an Flüchtlinge keine Tickets mehr für Fähren nach Piräus oder nach Kavala und Thessaloniki im Norden Griechenlands. Den ganzen Schiffsverkehr zwischen den Inseln und dem Festland zu kontrollieren sei aber unmöglich, so heißt es.

Statistiken über die Zahl und die Verteilung Asylsuchender auf dem griechischen Festland werden schon seit dem Sommer nicht mehr veröffentlicht. Ein neugegründetes nationales Koordinierungszentrum der griechischen Polizei kündigte die Wiederaufnahme umfassender Statistiken an. NGOs und das UN-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) gehen von etwa 35.000 Menschen auf dem griechischen Festland aus. Doch über die Dunkelziffer wird nur spekuliert. 18.000 bis 20.000 untergetauchte Migranten allein in Athen ist eine dieser unbestätigten Annahmen.

Reißleine gezogen

Seit September steigen zudem die Ankunftszahlen auf den Inseln, von Lesbos im Norden bis Rhodos im Süden. So überfüllt sind die Aufnahmelager mittlerweile, dass die griechische Regierung nun die Reißleine zog. 5000 Migranten – rund ein Drittel der Lagerbevölkerung auf den Inseln – sollen bis Weihnachten auf dem Festland unter besseren Bedingungen untergebracht werden, kündigte Athen am Wochenende an. 262 Insassen aus dem Lager Moria auf Lesbos wurden bereits nach Kreta gebracht.

Regierungschef Alexis Tsipras verkündete während des Besuchs des türkischen Präsidenten Tayyip Erdogan in Athen vergangene Woche eine Übereinkunft mit der türkischen Seite über das weitere Verfahren mit den Flüchtlingen. Tsipras nannte keine Einzelheiten. Doch es soll um die Zusicherung Erdogans gehen, dass die Türkei auch Flüchtlinge zurücknimmt, die nun auf dem Festland untergebracht werden. Die Rückführungen gehen ohnehin nur langsam voran. Einen Teil der abgelehnten Asylbewerber findet die Polizei offenbar nicht mehr. (Markus Bernath aus Athen, 12.12.2017)