Der ÖSV steht da, wie er dasteht, weil sein Präsident ist, wie er ist.

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Die Skiberge des Peter Schröcksnadel.

Grafik: Der Standard

Alpenkönig. Herr der Berge. Der Präsident. Der mächtigste Liftkaiser Österreichs. Visionär, Pionier, Goldschmied. Selfmademan. Beinharter Businessman. Ein lustiger Bursch. Der Professor. Ski-Napoleon.

Eine Geschichte über Peter Schröcksnadel ist kaum originell zu titeln, man kann sich da fast nur wiederholen. Im Lauf seiner Karriere als Präsident des Skiverbands (ÖSV) hat Schröcksnadel praktisch jeden Titel schon verliehen bekommen, sei es medial oder tatsächlich, wie vom Wissenschaftsministerium 1992 den Professorentitel. Aus der jüngeren Vergangenheit und von den Vorarlberger Nachrichten stammt ein weiterer Titel: "Opfer".

Opfer. Das passt. So sieht sich der seit 1990 an der ÖSV-Spitze amtierende Schröcksnadel (76) in der Debatte um Missbrauchsfälle im Skisport, so geriert er sich seit Wochen. Der Skiverband tat sich schwer damit, den richtigen Ton zu finden im Umgang mit Nicola Werdenigg, die Mitte November im STANDARD-"Sportmonolog" ihre Geschichte von Übergriffen in der Skihauptschule Neustift und der Vergewaltigung durch einen Teamkollegen in den 1970ern öffentlich gemacht hatte.

Als sich nach der Abfahrts-Olympiavierten weitere Betroffene aus Skisportschulen wie auch Stams und aus ÖSV-Kadern meldeten, fühlte sich der Skiverband erst recht verfolgt. Halbgelungene TV-Auftritte rundeten das Bild ab. "Ein Pantscherl ist kein Übergriff" wurde zum geflügelten Wort, und Schröcksnadel wurde Täter-Opfer-Umkehr vorgeworfen. Er stellte Werdenigg ein Ultimatum, eine Klage in den Raum, zog zurück, verlangte eine Entschuldigung. Immer wieder erzählte er seine eigene Schulgeschichte und von gewalttätigen Übergriffen seiner Lehrer im Internat.

Mit 15 Jahren ist der Tiroler Schüler Schröcksnadel aus einem Internat aus- und auf einem Bauernhof in der Nähe eingezogen. Hätten ihm die Eltern das untersagt, so hätte er die Schule abgebrochen. Für den Unterhalt musste er selbst aufkommen, deshalb gab er Nachhilfe. Heute sagt er, er sei mit 15 Jahren "selbstständig geworden".

Fast alles wird zu Geld

Der Skiverband steht da, wie er dasteht, weil Schröcksnadel so ist, wie er ist. Das mag sich auf die aktuelle Turbulenz beziehen und bezieht sich nicht minder auf die ÖSV-Erfolgsgeschichte – auch das wird oft getitelt. Als Schröcksnadel 1990 Präsident des Verbands wurde, stand dieser tatsächlich finanziell schlecht da. Doch fast alles, was der Tiroler angreift, wird zu Geld.

Die außergewöhnliche Karriere des Unternehmers Schröcksnadel beginnt 1964. Per Zufall stößt der 23-jährige Jusstudent in der Schweiz auf den Werbefachmann Leo Chavanne, der ihn, den begeisterten Skifahrer, für eine Idee zu gewinnen versucht. Es geht um verschiedenfarbige Markierungen für Skipisten. Schröcksnadel ist zunächst skeptisch. "Wie soll man damit Geld verdienen?" Chavanne klärt ihn auf: Auf die Markierungstafeln kommt Werbung, die blauen, roten und schwarzen Schilder schenkt man dem Skigebiet. Jetzt wittert der Tiroler ein Millionengeschäft.

Die beste Investition

Schröcksnadel bricht das Studium ab und zahlt 10.000 Franken für die Lizenz. Das sind damals rund 70.000 Schilling – die rentabelste Investition seines Lebens. Heute hat Sitour, seine Firma, bei Pistenmarkierungen und Werbeflächen im Alpenraum einen Marktanteil von mehr als 95 Prozent. Signalisation Touristique ist mit Töchtern auch in Japan, den USA und Kanada vertreten. Über Umsätze redet Schröcksnadel nicht, entlocken ließ er sich, dass gut 80 Prozent des Geschäfts im Ausland gemacht werden. Die ehrenamtliche ÖSV-Tätigkeit sei vielleicht hilfreich in Österreich, "sicher nicht im Ausland".

Die 1988 erfolgte Gründung von Feratel ist Schröcksnadels Erzählung zufolge ebenfalls zufällig passiert. "Ich bin ins Walsertal gefahren, habe ein Zimmer gesucht, aber keines gefunden." Das habe ihn dazu inspiriert, in Skiorten Infotafeln aufzustellen, die freie Zimmer anzeigen. Gegen Gebühr sollten Hotels den Belegungsstand melden. Als Schröcksnadel anfing, Hotels als belegt anzuzeigen, bis diese freie Zimmer meldeten, hob die Firma ab.

Noch eine Idee sollte bares Geld wert sein: Schröcksnadel begann, mithilfe von Panoramakameras bei Bergstationen Bewegtbilder an TV-Sender, ins Internet oder auf Handys zu schicken. Wer wissen wollte, wie das Wetter oben auf dem Berg ist, konnte dies fortan schon zu Hause sehen. Der spätere Börsengang der Firma Feratel war für die meisten Aktionäre ein Verlustgeschäft. Der Kurs des Feratel-Papiers wollte und wollte nicht steigen. Bei Beendigung des Börsenabenteuers erhielten die Aktionäre 4,90 Euro je Aktie. Der Ausgabekurs lag bei 16,50 Euro.

Immer dieselbe Masche

Derweil hatte Schröcksnadel begonnen, ein Skigebiet nach dem anderen zu kaufen. Die Masche war immer dieselbe: vergleichsweise günstig bei einem maroden Skigebiet einsteigen, es fit machen und wieder in die schwarzen Zahlen bringen. Das war in Kössen so, in Hinterstoder nicht anders und wiederholte sich von Hochficht über Lackenhof (am Ötscher, siehe Grafik) bis Heiligenblut am Großglockner. Weniger gut lief es für Schröcksnadel ausgerechnet am Patscherkofel, dem Innsbrucker Hausberg. Dort stieg der ÖSV-Präsident nach dem Verkauf der Bergbahnen an die Stadt mit Verlust aus. Neben Savognin im Schweizer Kanton Graubünden hält Schröcksnadel seit 2014 gemeinsam mit dem Bozner Verlagshaus Athesia auch die Mehrheit an den Schnalstaler Gletscherbahnen in Südtirol.

Längst hat Peter Schröcksnadel das operative Geschäft an seinen Sohn Markus abgegeben. Er selbst konzentriert sich auf die Krebsforschung, in die er investiert, aufs Fliegenfischen – und auf den ÖSV. Dessen aktuelle Krise erinnert an jene nach dem olympischen Dopingskandal 2006. Auch in Turin verharrte der ÖSV-Chef ("Austria is a too small country to make good doping") lange in Beratungsresistenz. Spät, aber doch zog er Heidi Glück, die ehemalige Beraterin Kanzler Wolfgang Schüssels, hinzu. Spät, aber doch steht ihm Glück auch jetzt zur Seite, wie DER STANDARD erfuhr.

"Wahrscheinlich bin ich der modernste Mensch im Verband", hat Schröcksnadel, nebenbei Vizepräsident des heimischen olympischen Komitees (ÖOC), kürzlich gesagt. Er bestreitet, ein Machtmensch zu sein. Wie groß seine Macht ist, merkt, wer sich über ihn erkundigt. Selbst in der ÖSV-Präsidentenkonferenz stehen dem Chef einige mittlerweile durchaus kritisch gegenüber. Doch niemand will die Kritik öffentlich kundtun. Alle sind von Schröcksnadel irgendwie abhängig. Im vergangenen Juni wurde der Präsident bis 2020 wiedergewählt. Schon jetzt wird da und dort der Wunsch laut, er möge danach eine weitere Periode anhängen. Möglicher Titel: der ewige Imperator. (Fritz Neumann, Günther Strobl, 14.12.2017)