Dass Kurz das Außenamt, sein bisheriges Ministerium, so ohne mit der Wimper zu zucken der FPÖ abgibt, zeigt, dass ihm sein Ressort eigentlich nur als Karrierehebel wichtig war. Als Außenminister hatte er die Möglichkeit, sich mit großen Männern der Weltpolitik – Frauen waren ja nur wenige darunter – ablichten zu lassen und sich wichtig zu machen. Wäre ihm das Ressort jedoch wichtig gewesen, wäre der Außenminister an Außenpolitik interessiert gewesen, würde er dieses nicht an Karin Kneissl abtreten, die dieses nun für die FPÖ verwalten soll. Dass er das Außenamt dabei auch noch zerschlagen soll und die EU-Agenden im Kanzleramt ansiedeln will, macht die Situation nicht wirklich besser.

Im Außenamt selbst haben wir demnächst eine Ministerin, die sich in der Vergangenheit mehrfach als Verteidigerin des syrischen Regimes einen Namen gemacht hat. Sie und ich hatten unsere erste direkte Auseinandersetzung auf einem Podium der Internationalen Sommerakademie der Friedensburg Schlaining 2011, als sie sich bedauernd darüber äußerte, dass die Kurden im Irak nun ihre Autonomie hätten und sie ihre nostalgischen Gefühle für den Irak unter Saddam Hussein kaum verbergen konnte.

Föderalismus würde den Irak zerstören und es bräuchte nun mal eben eine harte Hand, solche Länder zusammenzuhalten, meinte Kneissl damals. Noch im August 2014, als der so genannte Islamische Staat (IS) gerade die Jesiden im Irak abschlachtete, erklärte sie im "Ö1"-Mittagsjournal den IS zum "unmittelbaren Ergebnis der Invasion der USA und ihrer Verbündeten 2003". Anstatt sich die Mühe zu machen, konkrete politische und ökonomische Entwicklungen zu analysieren, sieht Kneissl im Islam und der arabischen Kultur ein grundsätzliches Hindernis für die Entwicklung demokratischer Systeme.

Kneissl eckt bei Muslimen und Israelis an

Mit der Besetzung des Außenamtes mit einer formal parteiunabhängigen Politikerin aus dem FPÖ-Umfeld, macht Kurz auch klar, dass ihm Österreichs Ansehen im Ausland schlicht völlig egal ist. Der neue Kanzler scheint sich seiner Sache so sicher zu sein, dass er gar niemanden mehr zu benötigen glaubt, der etwas von Diplomatie und Außenpolitik versteht und Österreich im Kontakt mit internationalen Kollegen halbwegs vertreten könnte. Oder will Kurz, dass wir angesichts seiner Nachfolgerin seine eigene Ära als Außenminister endlich zu schätzen lernen?

Karin Kneissl soll unter Kanzler Kurz Außenministerin werden.
Foto: APA

Die künftige Außenministerin hat es immerhin schon vor ihrer Angelobung geschafft, mit ihren antimuslimischen und antiarabischen Aussagen sowohl Muslime und Araber als auch mit ihren antiisraelischen Bemerkungen die Israelis und ihre Freunde zu verärgern.

Zionismus ist für Kneissl "Blut-und-Boden-Ideologie"

Der proisraelische Think-Tank "Mena-Watch" kritisierte, dass die Außenministerin in spe in ihrem Buch "Mein Naher Osten" vor drei Jahren geschrieben hatte, der Zionismus sei eine "an den deutschen Nationalismus angelehnte Blut-und-Boden-Ideologie". Nun gibt es innerhalb des Zionismus zweifelsohne auch völkische Strömungen, diese waren und sind jedoch keineswegs Mainstream und mit dem Zionismus an sich gleichzusetzen. Vielmehr stellte der Zionismus von Anfang an eine sehr heterogene Bewegung dar, die lediglich durch den Wunsch der Errichtung eines jüdischen Staates zusammengehalten wurde. Dominiert wurde der Zionismus bis zur Staatsgründung Israels 1948, und noch lange darüber hinaus, von der Linken und Sozialdemokraten. Die Staatsgründer Israels waren zionistische Sozialdemokraten und der noch weiter links stehende Hashomer Hatzair, eine internationale sozialistisch-zionistische Jugendorganisation, träumte gar von einer Art jüdischem Sozialismus, der sich an der Sowjetunion orientieren sollte. Über die Palästinenser machten sich diese frühen Zionisten wenig Gedanken, sie waren dann für die Gründung des jüdischen Staates allerdings im Weg.

Großisraelische Nationalisten waren diese Zionisten aber nicht, geschweige denn Rassisten mit einer völkischen Blut- und Boden-Ideologie. Eine solche wurde nicht einmal von allen zionistischen Revisionisten – damals noch eine relativ kleine Strömung innerhalb des Zionismus – vertreten, die später zur Likud-Partei Netanyahus werden sollte. Abgesehen davon, dass diese Aussage für die allermeisten und vor allem für die größten Strömungen des Zionismus schlicht falsch war, stellt sich tatsächlich auch die berechtigte Frage, ob solche Zuspitzungen ausgerechnet für eine österreichische Außenministerin eine gute Voraussetzung darstellen.

Muslime sind "Gefahr für die europäische Kultur"

Noch weniger als vom jüdischen Staat, scheint die angehende Außenministerin allerdings von Arabern und Muslimen zu halten. Obwohl Kneissl bei jeder Gelegenheit behauptet, perfekt Arabisch zu können, hielt sie gerade erst im Oktober 2017 bei der Fortbildungsveranstaltung des "Österreichischen Integrationsfonds" für Deutschlehrer für Flüchtlinge einen Vortrag, auf dem sie behauptete, dass es im Arabischen keine Zukunftsform gäbe und "die wenig zukunftsorienterte, gott- und schicksalsergebene Mentalität arabischer Menschen" herleitete, wie einige aufgebrachte Deutschlehrer den Vortrag später schilderten.

Abgesehen davon, dass es schlicht nicht stimmt – im Arabischen gibt es sogar zwei Zukunftsformen – ist diese Vulgarisierung der Sapir-Whorfschen-Hypothese, wonach die Denkweise eines Menschen stark von der semantischen Struktur seiner Muttersprache determiniert wäre, schlicht Humbug. In der Sprachwissenschaft und Sozial- und Kulturanthropologie wird diese Hypothese, die immer auf äußerst wackeligen empirischen Beinen stand, heute nicht mehr weiter verfolgt. Bei der Sprache der Hopi, bei der der amerikanische Linguist Benjamin Whorf in den 1930er-Jahren tatsächlich angenommen hatte, dass es keine Zukunftsform gäbe, hatte sich nach Forschungen in den 1980er-Jahren herausgestellt, dass es diese doch gibt und damit brach diese Annahme in sich zusammen.

Selbst wenn es im Arabischen also keine Zukunftsformen gäbe, würde heute kein Wissenschafter auf die Idee kommen, daraus eine mangelnde Zukunftsorientierung der Araber abzuleiten. Und vom Arabischen weiß ohnehin jeder Anfänger, dass es in der arabischen Sprache immer Zukunftsformen gegeben hat. Steht hinter Kneissls Ausführungen doppelter Dilettantismus oder der bewusste Versuch die Deutschlehrer in die Irre zu führen und Ressentiments gegen ihre Schüler zu schüren?

Kneissl (rechts) bei der Ausstellung "Orient & Okzident" im Belvedere 2012.
Foto: Belvedere/APA-Fotoservice/Lusser

Dass die zukünftige Außenministerin ein Problem mit Muslimen und Arabern hat, zeigte sich allerdings schon bei früheren Gelegenheiten. Bereits in ihrem Buch "Testosteron Macht Politik" führte sie die Proteste und Revolutionen in der arabischen Welt ausschließlich auf testosterongesteuerte junge Männer zurück, die in der Folge auch immer wieder in ihren Aussagen über Flüchtlinge aus der Region in Europa auftauchten. Im Weltbild der künftigen Außenministerin sind diese eine Bedrohung für europäische Frauen und die europäische Kultur.

Ministerin der Ressentiments

Die Außenministerin in spe hat es damit geschafft, schon vor ihrem Amtsantritt sowohl Muslime als auch Juden, sowohl Araber als auch Israelis zu verärgern. Man könnte das ja fast schon für eine Kunst oder eine eigenwillige Interpretation der österreichischen Neutralität halten, wenn dies eine Folge eines klugen Nahostfriedensplans gewesen wäre, der beide Seiten nicht wirklich befriedigt hätte. Wenn jemand allerdings nur aufgrund unfundierter Pauschalurteile und Ressentiments gegen verschiedenste "Andere" von einem Fettnäpfchen ins andere tritt, darf durchaus bezweifelt werden, ob diese Person dazu in der Lage sein wird, Österreich auf internationalem, diplomatischem Parkett zu vertreten.

Vielleicht ist Kneissl allerdings auch genau das richtige Aushängeschild der neuen Regierung. Immerhin gibt es dann kein freundliches Gesicht zur rechts-rechten Politik, sondern ist eben genau das zu sehen, was hierzulande gewählt wurde. Österreich wäre damit zur Kenntlichkeit entstellt. (Thomas Schmidinger, 15.12.2017)

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