Bild nicht mehr verfügbar.

Die neue Regierung will etwa in Gesichtsfelderkennung und Drohnen investieren

Foto: DPA/Pleul

Die neue Regierung plant einen großflächigen Ausbau der elektronischen Überwachung. Außerdem soll es zu Investitionen im Bereich der Cyberabwehr kommen. Das geht aus dem Regierungsprogramm hervor, das ÖVP und FPÖ am Samstag präsentiert haben. Im Kapitel Sicherheit heißt es, dass "zukunftsorientierte Ermittlungsmethoden" forciert werden sollen. Als Beispiele werden die Gesichtsfelderkennung und Big-Data-Analysen genannt. Auch der Bereich der Abwehr und des Einsatzes von unbemannten Objekten, also Drohnen, soll ausgebaut werden.

Bundestrojaner kommt wohl

Der strittigste Punkt ist der sogenannte Bundestrojaner. So bezeichnet man ein Schadprogramm, mit dem Smartphones von Verdächtigen infiziert werden, um deren Inhalte auslesen zu können. Die ÖVP war bislang die einzige Partei, die sich für eine derartige Lösung starkgemacht hat; die FPÖ war hingegen bisher strikt gegen derartige Überwachungsmethoden. Aus dem Regierungsprogramm geht nicht eindeutig hervor, ob ein Bundestrojaner kommt. Die Wortwahl weist jedoch in diese Richtung.

So heißt es, dass "die Lücken bei der Überwachung internetbasierter Telekommunikation geschlossen" werden sollen. Innenministerium und Justizministerium hatten bislang argumentiert, dass das Auslesen von Chats nur durch einen Bundestrojaner passieren kann. Tatsächlich setzen viele Chatdienste wie Whatsapp auf Verschlüsselung. Whatsapp selbst kann Nutzerchats nicht mitlesen und diese Inhalte also auch bei richterlichem Beschluss nicht an die Polizei übermitteln. Ein Bundestrojaner würde direkt am Smartphone des Nutzers ansetzen.

Allerdings gefährdet eine solche Ermittlungsmethode laut Kritikern die Sicherheit aller Nutzer, da der Trojaner eine Lücke braucht, um auf das Smartphone des Verdächtigen zu gelangen. Diese Lücken wären dann bei allen gleichen Smartphones offen, wodurch etwa Kriminelle spionieren könnten. Dazu kommt, dass die Kosten für den Einsatz des Trojaners unverhältnismäßig hoch sein dürften, da die Software auf das Gerät und das Betriebssystem des Verdächtigen zugeschnitten werden muss.

Unklar ist, warum vor der Passage über die Überwachung der internetbasierten Kommunikation steht, dass die "Weitergabe sicherheitsrelevanter Daten zur Kriminalprävention im Zusammenwirken mit den Bürgern" geschehen soll. Die zwei Passagen sind durch einen Doppelpunkt miteinander verbunden, das dürfte ein Fehler sein. Das Sicherheitspaket soll zeitlich befristet und vom Parlament dann erneut evaluiert werden.

Quick Freeze statt Vorratsdatenspeicherung

Eine weitere Überwachungsmethode ist der sogenannte Quick Freeze. Es handelt sich dabei um eine abgemilderte Form der Vorratsdatenspeicherung. Besteht ein Anfangsverdacht gegen bestimmte Personen, soll die Staatsanwaltschaft Telekomfirmen künftig zur Speicherung ihrer Daten verpflichten können. Ein Richter soll dann entscheiden, ob die Ermittler auf diese Informationen zugreifen können. Anbieter sollen künftig eine klare Zuordnung von IP-Adressen ermöglichen, also eine sogenannte "Individualisierungspflicht" beachten. Asylwerber sollen bei der Einreise künftig digital durchleuchtet werden – mittels Handy- und Social-Media-Daten sollen ihre Angaben überprüft werden.

Datenaustausch intensivieren

Die türkis-blaue Regierung will außerdem den Datenaustausch im In- und Ausland verstärken. Die "sicherheitspolizeiliche Zusammenarbeit" und der "Datenaustausch" sowie die "Datenverarbeitung" sollen "intensiviert werden", heißt es. Verfassungsschutz, Bundeskriminalamt und Heeresdienste – also Abwehramt und Heeresnachrichtendienst – sollen künftig enger zusammenarbeiten. Alle genannten Behörden unterstehen künftig den Freiheitlichen, zumindest vorerst.

Geheimdienstreform

Denn es soll zu einer "Weiterentwicklung der Staatsschutzbehörden nach Evaluierung und internationalen Vorbildern" kommen. In den vergangenen Tagen war etwa gemunkelt worden, dass ein neuer Supergeheimdienst im Bundeskanzleramt angesiedelt werden soll. Dieser könnte nach dem deutschen Bundesnachrichtendienst (BND) modelliert werden. Fix ist gemäß Pressekonferenz, dass die genannten Behörden künftig eine Berichtspflicht an Kanzler und Vizekanzler haben. Konkrete Pläne dazu fehlen aber im Regierungsprogramm. Dafür sollen bestimmte Verwaltungsbehörden "Datenübermittlungsbefugnisse und -verpflichtungen" erhalten, also etwa Führerscheinbehörden.

Cyber, Cyber

Einen Schwerpunkt setzt die künftige Regierung auf die Cybersicherheit. So soll ein neues Cybersicherheitszentrum eingerichtet werden, die bisher bestehenden "Cyber Security"- und "Cybercrime Competence"-Zentren sollen zu "modernen Hightech-Einheiten" entwickelt werden. Cybersicherheit soll einer der Schwerpunkte des EU-Ratsvorsitzes in der ersten Jahreshälfte 2018 werden. Ein Fokus soll etwa auf den Schutz digitaler Dokumente von Bürgern gelegt werden. Ein entsprechendes Testprojekt war vor kurzem mit "IDA" eingeführt worden.

Massiver Ausbau

Insgesamt führen die vorgestellten Pläne zu einem massiven Ausbau der elektronischen Überwachung in Österreich. Das widerspricht den bisherigen Standpunkten der FPÖ, die mit Innen- und Verteidigungsministerium jedoch zwei Schlüsselministerien im Bereich der Überwachung und Cyberabwehr erhält. Im internationalen Vergleich sind die Pläne jedoch als moderat zu bezeichnen, da weltweit immer mehr Staaten ihre eigenen Bürger überwachen. In Deutschland sind etwa Bundestrojaner und Vorratsdatenspeicherung – die weit aggressiver als ein "Quick Freeze" ist – bereits Realität.

Allerdings wurde die konkrete Ausgestaltung eines Bundestrojaners weiter verschoben. Die im Regierungsprogramm formulierte "Überwachung internetbasierter Kommunikation" lässt einigen Interpretationsspielraum offen, das könnte später für ersten Zwist zwischen FPÖ und ÖVP sorgen. (Fabian Schmid, 16.12.2017)