Wien – Wissenschaft wird im türkis-blauen Regierungsprogramm auf sieben Seiten abgehandelt. Auf der To-do-Liste für den neuen Ressortchef, den bisherigen Vizerektor der Uni Wien, Heinz Fassmann, steht als erster Satz: "Wissenschaft und Forschung sind Voraussetzungen echter Persönlichkeitsentfaltung in einer Gesellschaft und Basis für eine positive Zukunft unseres Heimatlandes."

Im Maßnahmenpaket dazu finden sich neben den bereits berichteten "moderaten Studienbeiträgen" (ohne Nennung eines Betrags) auch Restposten aus der Zeit der rot-schwarzen Vorgängerregierung, etwa die "Universitätsfinanzierung neu", also die kapazitätsorientierte Studienplatzfinanzierung, die ein "neues Zugangsregelungsmanagement" bringen soll, um vor allem die "historisch gewachsenen Studienbedingungen in Massenfächern" zu verbessern. Interessant wird die Umsetzung des Punktes, den "grundlegenden Unterschied" zwischen Universitäten und Fachhochschulen "künftig wieder stärker zu akzentuieren".

Bildungsscheck und steuerliche Absetzbarkeit

Parallel zur "Einführung moderater Finanzierungsbeiträge für Studierende" sind folgende Komponenten vorgesehen: leistungsorientierter Bildungsscheck (Voraussetzung: fünfjährige Aufenthaltsdauer in Österreich), nachträgliche steuerliche Absetzbarkeit für die geleisteten Studienbeiträge, für Studierende aus Nicht-EU-Ländern soll es ein qualitatives Aufnahmeverfahren geben, der Studienzuschuss soll ausgeweitet und besondere Lebensumstände (zum Beispiel Geschwister in der Ausbildungsphase, Spitzen- und Leistungssport, Betreuungspflichten) berücksichtigt werden. Das Leistungsstipendiensystem wollen ÖVP und FPÖ stärker leistungsorientiert gestalten.

Die Österreichische HochschülerInnenschaft (ÖH) muss sich darauf einstellen, dass sie politisch an die kurze Leine genommen wird, denn "im Sinne der Verbesserung des Services für Studierende" soll "ihr gesetzlicher Auftrag stärker konkretisiert werden". Ihre Geldmittel sollen "ausschließlich für Aufgaben der Beratung und Interessenvertretung von Studierenden verwendet werden können". Dazu sollen ihr gegenüber auch die "Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten" ausgeweitet werden.

Maximale Studiendauer könnte festgelegt werden

Im Bereich des Studienrechts soll die "Lehr-, Lern- und Prüfungskultur" weiterentwickelt werden. In den aufgelisteten Punkten, die "behandelt und geprüft" werden, könnte sich allerdings einiger Sprengstoff verbergen. Denn ein Punkt ist "die Frage der Festlegung maximaler Studiendauern", wohl für den Fall, dass die geplanten "Verhaltensanreize für ein zügigeres Studieren und eine Steigerung der Ernsthaftigkeit und Verbindlichkeit" nicht ausreichend fruchten. Eine "Abmeldepflicht bei Inaktivität" steht ebenso zur Debatte wie die Anzahl der Prüfungstermine und Wiederholungsmöglichkeiten.

Das hatte im November auch der Vorsitzende der Universitätenkonferenz, Oliver Vitouch (Uni Klagenfurt), thematisiert, als er von "Studieren auf Österreichisch" sprach und damit die Praxis meinte, dass im österreichischen Unisystem Studierende Prüfungen bis zu viermal wiederholen können und "jahrelang einfach nicht zur Prüfung antreten, ohne jegliche Konsequenzen".

Auch die Mehrfachinskriptionsmöglichkeit an einer Uni soll eingeschränkt werden. Und nach dem Vorbild der ETH Zürich sollen "Bestimmungen für die ersten Semester inklusive Erreichen einer bestimmten Anzahl von ECTS", also Leistungspunkten, geprüft werden. Die ETH Zürich hat allerdings für rund 20.000 Studierende ein Budget von 1,7 Milliarden Schweizer Franken (1,5 Milliarden Euro) zur Verfügung. Im Vergleich dazu hat die Uni Wien, die alleine schon 94.000 Studierende zu betreuen hat, ein Budget von nur 1,2 Milliarden Euro – und das für drei Jahre (2016 bis 2018). Alle 21 öffentlichen Universitäten hatten für die dreijährige Leistungsvereinbarungsperiode 2016 bis 2018 gemeinsam rund acht Milliarden Euro zur Verfügung, macht grob umgelegt pro Jahr 2,7 Milliarden Euro für insgesamt rund 380.000 Studierende.

Im Gegenzug soll auch die Studierbarkeit verbessert werden, darunter listen ÖVP und FPÖ zum Beispiel die Vermeidung von "Verschulungstendenzen" und größere Anteile an Wahlfächern auf. Aber auch die Durchlässigkeit im Hochschulsystem und der Zugang ohne Matura sollen erleichtert werden.

Kampf um österreichische Titel

Ausgehend vom Umstieg auf das Bologna-System mit Bachelor und Master sollen offenbar alte Diplomstudien – extra genannt wird Jus – erhalten werden. Weitere Bologna-Umstellungen soll es "nur im Konsens mit den betroffenen wissenschaftlichen Disziplinen geben". Ein bisschen sehr österreichisch klingt in diesem Zusammenhang das Begehr der "Evaluierung der Titelvielfalt mit dem Ziel einer besseren Vergleichbarkeit, Übersichtlichkeit und Klarheit" – mit der "Möglichkeit des Erhalts der Titel Dr./Dipl.-Ing./Mag.".

Ein altes Problem – wie umgehen mit dem großen Andrang ausländischer Studierender zu bestimmten Fächern? – soll ebenfalls auf die Agenda der neuen Regierung: "Prüfung einer europarechtskonformen Umsetzung des Herkunftslandsprinzips für die Universitätszulassung bei ausgewählten Studien" meint, dass man hierzulande nur dann studieren dürfen sollte, wenn man zu Hause im jeweiligen Studienfach auch einen Studienplatz bekommen hätte.

Zusammenlegung von Unis geprüft

Ein weiterer Schwerpunkt ist der Ausbau des Hochschulsektors mit gezielter Profilbildung und stärkerer Ausrichtung am gesellschaftlichen Bedarf (Ausbau im Bereich digitaler Kompetenzen und im Mint-Bereich). Neben "klaren Exzellenzbereichen" sollen im Interesse der internationalen Sichtbarkeit "Strukturreformern und Standortoptimierungen bis hin zu möglichen Zusammenlegungen von Hochschulen geprüft werden". Derzeit gibt es in Österreich 21 öffentliche Universitäten.

Der Fachhochschulsektor soll ausgebaut werden, vor allem im Mint-Bereich, und für Elementarpädagoginnen und Elementarpädagogen sind neue hochschulische Studienangebote in Aussicht gestellt.

Außerdem sollen die Hochschulen "Vorreiter einer modernen und effizienten Verwaltung" werden, und mehr Laufbahnstellen an den Unis sollen Karriereperspektiven für "die besten Köpfe" schaffen. (Lisa Nimmervoll, 16.12.2017)