Die Aufregung war groß, als erste Vorhaben von ÖVP und FPÖ zur Arbeitszeit präsentiert wurden. So groß, dass sich FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache via Facebook um Beruhigung bemühte und von Fake-News sprach. Ein Zwölf-Stunden-Arbeitstag und die 60-Stunden-Arbeitswoche würden mit der FPÖ nicht zur Regel werden.

Es bleibt aber auch nicht – wie bislang – bei der Ausnahme: Die tägliche Höchstarbeitszeit soll generell bis auf zwölf Stunden angehoben werden, und das bis zu fünfmal pro Woche. Bei der wöchentlichen Arbeitszeit sind künftig also generell bis zu 60 Stunden möglich. Auch bei Gleitzeit – dem mit Abstand beliebtesten Arbeitszeitmodell in Österreich – wird die tägliche Arbeitszeit von zehn auf zwölf Stunden angehoben.

An der täglichen und wöchentlichen Normalarbeitszeit soll sich dabei nichts ändern, Überstunden sollen wie bisher abgegolten werden, steht im Regierungsprogramm. Ausgehandelt werden die neuen Regelungen künftig auf Betriebsebene – also in Absprache mit dem Betriebsrat beziehungsweise, wenn kein solcher vorhanden ist, direkt mit den Beschäftigten.

Mit dem Chef verhandeln

Damit sind die schlimmsten Befürchtungen von Arbeitnehmervertretern ausgeblieben. Allerdings: Dass Entscheidungen zur Arbeitszeitgestaltung – einschließlich Ausnahmen von der Wochenend- und Feiertagsruhe – vermehrt auf betrieblicher Ebene getroffen werden sollen, kann als Schwächung von Kollektivvertragspartnern interpretiert werden.

Für Martin Risak, Professor für Arbeitsrecht an der Uni Wien, ist dieser Punkt die "wirkliche Bombe" im Programm. Das betreffe nämlich auch die Durchrechnungsmodelle. Werden diese ausgeweitet, können Überstundenzuschläge teils entfallen. Da Betriebsräte in der Regel schlichtweg weniger Verhandlungsmacht als Kollektivvertragspartner haben, wird es wohl in vielen Fällen zu einer Ausweitung kommen.

Einseitige Flexibilität

Dass die Übertragung von Zeitguthaben und Zeitschulden auf den jeweils nächsten Durchrechnungszeitraum nicht nur einmal, sondern mehrmals möglich ist, kann als weitere Hintertür in der Abgeltung von Überstunden gesehen werden. Hat ein Arbeitnehmer 2017 also beispielsweise 60 Stunden zu viel gearbeitet, können diese nicht nur ins nächste, sondern auch ins übernächste Jahr übertragen werden, bevor sie abgegolten werden.

Die im Programm betonte Ausgewogenheit zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberinteressen kann Risak nicht erkennen: Möglichkeiten für Arbeitnehmer, ihre Interessen durchzusetzen – etwa wenn sie in bestimmten Lebensphasen die Arbeitszeit reduzieren oder von Teilzeit umsteigen wollen –, sind nicht beschrieben.

Einfacher, Überstunden zu verlangen

Stattdessen gibt es einige Erleichterungen für Arbeitgeber: So entfällt künftig die Voraussetzung einer arbeitsmedizinischen Unbedenklichkeitsbescheinigung, die Betriebe ohne Betriebsrat bei Ausweitung der Arbeitszeit auf bis zu zwölf Stunden bei vorübergehend auftretendem besonderem Arbeitsbedarf einholen mussten. Diese Gutachten seien in der Regel teuer, sie einzuholen habe Arbeitgeber außerdem wertvolle Zeit gekostet, führt Jens Winter, Partner bei CMS Reich-Rohrwig Hainz, aus.

Auch ein unverhältnismäßiger wirtschaftlicher Nachteil muss nicht mehr argumentiert werden, um Mehrarbeit zu verlangen. Dass es auch künftig Überstundenzuschläge gibt, werde den meisten Unternehmen nicht wirklich wehtun, glaubt Winter außerdem. Wer Arbeitskräfte dringend brauche, um einen Auftrag erfüllen zu können, der zahle für zusätzliche Stunden auch gerne Zuschläge, meint der Arbeitsrechtsexperte.

Auch dass künftig der Begriff der leitenden Angestellten ausgeweitet werden soll, kann laut Winter als Pluspunkt für die Arbeitgeberseite gesehen werden – auch wenn die genaue Definition noch unklar ist. Für sie gelten bekanntlich keine Höchstarbeitszeitgrenzen, weil sie gar nicht unter das Arbeitszeitregime fallen. Daher gibt es für diese Mitarbeiter gesetzlich auch keine Zuschläge.

Was kommt, was fehlt

Die Einführung eines sogenannten Zeitwertkontos soll geprüft werden. Es handelt sich demnach um eine Art Arbeitszeitsparbuch über ein ganzes Jahr. In Deutschland wird das seit einigen Jahren bereits praktiziert. Überstundenzuschläge können auf diese Weise kaum mehr entstehen. Es ist denkbar, dass das jener große Schritt in Richtung Flexibilisierung ist, den die Regierung nun noch nicht bereit ist zu gehen. Wie und wann ein solches Zeitwertkonto kommen könnte, ist nicht weiter beschrieben.

Wesentliche Zukunftsfragen sind im Regierungsprogramm hingegen gar nicht enthalten: Plattformarbeit, Homeoffice und andere neue Arbeitsrealitäten durch die Digitalisierung werfen nicht nur eine Menge rechtliche Fragen auf (Stichwort Uber), die international diskutiert werden, sondern verändern die Arbeitswelt bereits heute maßgeblich. (Lara Hagen, 16.12.2017)