Aktuell gibt es in Wien noch Gründerzeitviertel, in denen kein Lagezuschlag verlangt werden darf – das dürfte sich ändern.

Grafik: Der Standard

Zweieinhalb Seiten des neuen Regierungsprogramms beschäftigen sich mit dem Thema Wohnen. Einleitend wird dort gleich einmal festgestellt, dass Eigentum die "langfristig günstigste" Wohnform sei. "Wir müssen alles unternehmen, dass wieder vermehrt Wohnraum im Eigentum erworben werden kann", heißt es weiter. Eine größere Rolle soll dabei wie erwartet die Mietkaufoption im geförderten Wohnbau spielen. Hier sollen einerseits die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme erleichtert werden, andererseits offenbar auch noch stärker sichergestellt werden, dass mit den Kaufoptionswohnungen nicht spekuliert wird. Als einzige konkrete Maßnahme wird aber die (Wieder-)Verkürzung des Vorsteuerberechtigungszeitraums von 20 auf zehn Jahre genannt.

Ganz neues Mietrecht

Etwas konkreter wird das Regierungsprogramm beim Mietrecht – und manche hier genannte Vorhaben dürften die Immobilienwirtschaft im Allgemeinen, Wiener Zinshausbesitzer im Besonderen jubilieren lassen: Die türkis-blaue Regierung strebt offenbar ein ganz neues Mietrecht an, das dann "marktkonforme Mieten" nicht mehr nur in Neubauten, sondern auch in Altbauten ermöglichen soll, sofern diese "auf zeitgemäßen Standard" saniert wurden. Bekanntlich gilt heute in Gründerzeithäusern das Richtwertsystem mit seinen Zu- und Abschlägen, in beliebten Wohnvierteln kommt man damit als Vermieter nicht an das Marktniveau heran.

Die Mieten (bei Neuvermietungen) in Gründerzeitvierteln werden unter Türkis-Blau ganz bestimmt steigen, so viel ist sicher – auch wenn im Regierungsprogramm gleich mehrmals ein "fairer Interessenausgleich zwischen Mietern und Vermietern" postuliert wird. Bis ein neues Mietrecht (im Rahmen eines "Mietrechtskonvents") geschaffen wird, plant die Regierung nämlich auch im bestehenden Mietrecht wesentliche Änderungen: Die wohl bedeutendste wird die geplante Aufhebung des Verbots des Lagezuschlags in Gründerzeitvierteln sein. Dieses Verbot ist schon lange ein großes Ärgernis für Wiener Zinshausbesitzer, es gab erst in jüngster Vergangenheit diverse Verfassungsbeschwerden dagegen, die allerdings keinen Erfolg hatten. Nun sollen die VfGH-Erkenntnisse, die das Lagezuschlagsverbot einzementierten, offenbar mit Gesetzesnovellen ausgehebelt werden.

Verschärfungen sind auch bei den Eintrittsrechten geplant: Nur noch Ehegatten, eingetragene Partner und Kinder bis zum 25. Lebensjahr sollen künftig unverändert in einen Mietvertrag eintreten können. Bisher waren auch Geschwister und Enkel unter bestimmten Voraussetzungen eintrittsberechtigt.

Anreize für längere Mietverhältnisse

Um die vielen Befristungen von Mietverträgen wieder ein wenig zurückzudrängen, plant die Regierung außerdem ein "Anreizsystem", um längerfristige Mietverhältnisse zu fördern, wie es im Programm heißt. Wie das konkret aussehen soll, wird nicht erwähnt, denkbar wäre aber etwa die Wiedereinführung des gestaffelten Befristungsabschlags (der übrigens von Schwarz-Blau I einst abgeschafft wurde). Außerdem sollen Vermieter künftig Mieter "rechtzeitig" darüber informieren müssen, dass beziehungsweise wann ihr Mietvertrag ausläuft.

Umgekehrt soll es offenbar auch in bestimmten Fällen künftig erlaubt sein, kürzere Befristungen als die bisher geltenden drei Jahre (im Voll- und Teilanwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes) einzugehen. Zwei solche Fälle werden im Regierungsprogramm genannt: Mietverträge, die für die Dauer einer Ausbildung abgeschlossen werden, sowie Mietverträge für Wohnungen, die leerstehen, weil das Haus saniert werden soll. Wie genau sich diese "Dispositionsfreiheit" gestalten wird, steht noch nicht fest.

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass geplant ist, für die gewerbsmäßige tageweise Vermietung von Wohnungen (also zum Beispiel über Plattformen wie Airbnb) eine Gewerbeberechtigung vorzuschreiben.

Regelmäßige Einkommens-Checks

Ein weiteres großes Vorhaben von Türkis-Blau sind die regelmäßigen Überprüfungen im sozialen Wohnbau, ob ein Mieter noch die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt. "Regelmäßige Mietzinsanpassungen für Besserverdiener im kommunalen und gemeinnützigen Wohnbau", heißt es im Regierungsprogramm, und das bedeutet, dass Mieter künftig mit Einkommensnachweisen regelmäßig (also nicht wie bisher nur beim Erstbezug einer geförderten Wohnung) bestätigen werden müssen, dass sie weiterhin nicht über der jeweils geltenden Einkommensgrenze liegen. Dieser Punkt wird ganz bestimmt noch für hitzige Diskussionen sorgen, lehnt doch etwa die Wiener SPÖ solche "Einkommens-Checks" in ihren Gemeindebauten bisher vehement ab.

Gelten wird das aber ziemlich sicher nur für künftige Mietverträge, nicht für bereits bestehende. Einerseits wäre Letzteres rechtlich ohnehin äußerst schwierig umzusetzen, andererseits soll generell in bestehende Verträge nicht eingegriffen werden – so lautet ein wohnrechtliches Credo der Regierung.

Bekenntnis zur Gemeinnützigkeit

Ein anderes lautet, dass man sich klar zum System der Wohnungsgemeinnützigkeit bekennt. Versuchen, Geld aus dem geförderten Sektor abzuziehen (in Form großzügigerer Gewinnausschüttungen), soll ein Riegel vorgeschoben werden. Wie der Sektor zu frischem Geld kommen kann, etwa durch Pensions- und Mitarbeitervorsorgekassen, soll "geprüft" werden.

Weitere geplante Maßnahmen: baurechtliche Normen harmonisieren, Baukosten senken, Bauland mobilisieren, Nachverdichtung forcieren, Mobilitätskonzepte im großvolumigen Wohnbau fördern. Und auch die Bundesförderung für thermische Sanierungen – vulgo "Sanierungsscheck"-Aktion – soll verlängert werden, steht im Regierungsprogramm; wie gut dieser Fördertopf gefüllt werden wird, muss man aber erst sehen. (Martin Putschögl, 16.12.2017)