Eine Strategie gegen Rückenschmerzen: sich vom Physiotherapeuten ein Programm zusammenstellen lassen und regelmäßig trainieren.

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STANDARD: Geht es um Rückenschmerzen, wird oft Halbwissen herumgereicht. Stimmt etwa die verbreitete Ansicht, dass hinter Rückenschmerzen immer etwas Schlimmes steckt?

Sandor: Nein. In den meisten Fällen sind sie Zeichen einer Überlastung, wir nennen das unspezifische Schmerzen. Muskeln, Sehnen, Bänder und Faszien am Rücken sind verspannt, verhärtet oder gereizt – das tut weh. Zu unspezifischen Schmerzen kann es kommen, wenn man sich zu wenig bewegt oder am Schreibtisch ständig in der gleichen Position sitzt. Zum Arzt braucht man nicht unbedingt zu gehen – es sei denn, man kann Arme oder Beine nicht mehr bewegen, hat Probleme mit Stuhlgang oder Wasserlassen, spürt auf der Haut nichts mehr oder ist auf den Rücken gestürzt. Denn dann könnte eine konkrete Ursache dahinterstecken, etwa ein Bandscheibenvorfall oder ein Wirbelkörperbruch.

STANDARD: Soll man bei akuten Rückenschmerzen immer ein Röntgenbild machen lassen?

Sandor: Nein, ein Röntgenbild gibt sehr selten hilfreiche Informationen. Nur wenn ich nach der körperlichen Untersuchung eine konkrete Ursache vermute, lasse ich ein Bild der Wirbelsäule machen. Zum Beispiel eine Computertomografie, wenn jemand auf das Steißbein gefallen ist und höllische Schmerzen hat – denn einen Bruch würde man auf diese Weise gut sehen. Bei unspezifischen Schmerzen ist meist kein Bild notwendig. Das kann nur unnötig Angst machen und überflüssige Untersuchungen nach sich ziehen.

STANDARD: Muss man Rückenschmerzen in jedem Fall behandeln?

Sandor: Man kann sie auch einfach aushalten, wenn sie nicht so schlimm sind. Kreuzschmerzen bessern sich in den meisten Fällen innerhalb weniger Wochen von selbst. Das Wichtigste ist: in Bewegung bleiben. Sind die Schmerzen zu stark, kann man für kurze Zeit nichtsteroidale Antiphlogistika, COX-2-Hemmer oder Metamizol nehmen. Paracetamol wird nicht empfohlen, weil das nicht so gut wirkt. Helfen können auch Akupunktur, Physiotherapie oder Entspannungsübungen.

STANDARD: Wie sieht es mit hinlegen aus – ist das eine gute Sache?

Sandor: Bloß nicht! Bettruhe erhöht das Risiko, dass die Schmerzen chronisch werden, sie verzögert die Heilung, die Muskeln schwinden allmählich, und man bekommt eher eine Thrombose. Am besten bewegt man sich so, wie im Alltag sonst auch, oder man versucht es zumindest. Man kann – einfach ganz vorsichtig – auch das machen, was einem Spaß macht: Muskeltraining, Aerobic, Yoga, Pilates, Tai-Chi, tanzen oder schwimmen.

STANDARD: Sind Spritzen empfehlenswert?

Sandor: Bei akuten Rückenschmerzen würde ich die Finger davon lassen und eher Schmerzmittel nehmen und mich bewegen. Die Schmerzen verschwinden mit Spritzen nicht besser, aber diese können ziemlich wehtun.

STANDARD: Bewahrt einen Rückentraining im Fitnessstudio vor Rückenschmerzen?

Sandor: Auch ohne Studio kann man sich bewegen und sein Risiko senken. Es gibt aber keine Garantie: Selbst wer regelmäßig trainiert, kann Rückenschmerzen bekommen.

STANDARD: Bedeutet ein Bandscheibenvorfall zwangsläufig operieren?

Sandor: Nein, die Bandscheibe fällt ja nicht hinaus, sondern es wölbt sich nur das Innere der Bandscheibe vor – als würde man sich auf ein kaputtes Sofakissen setzen, und plötzlich kommt der Schaumstoff raus. Je nachdem, wohin Bandscheiben sich hinwölben, kann das unterschiedliche Beschwerden machen. Der Körper baut die vorgefallene Bandscheibe von selbst ab. Man hat nach einem Jahr die gleichen Beschwerden – egal ob man operiert oder nicht. Will man aber schnell wieder fit sein, ergibt eine Operation durchaus Sinn. Gefährlich ist es, wenn man Probleme mit Stuhlgang und Wasserlassen hat: Dann muss sofort operiert werden.

STANDARD: Hilft Wärme immer gegen Rückenschmerzen?

Sandor: Nicht in jedem Fall. Bei Muskelverhärtungen schon, bei einer entzündlichen Wirbelsäulenkrankheit hingegen nicht. Zudem ist es individuell unterschiedlich: Der eine hasst Wärme, der andere liebt sie. (Felicitas Witte, 8.1.2018)