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Ein Foto von Alberto Nisman vom Mai 2013.

Foto: REUTERS/Marcos Brindicci

Buenos Aires / Wien – Am 19. Jänner 2015 hätte Alberto Nisman einen wichtigen Termin gehabt: Der 51-jährige Staatsanwalt sollte im argentinischen Nationalkongress über seine Ermittlungen zum Bombenanschlag auf das jüdische Gemeindezentrum Amia in Buenos Aires, bei dem 1994 85 Menschen getötet worden waren, Rede und Antwort stehen. Doch am Abend des 18. Jänner wurde er selbst tot in seiner Wohnung aufgefunden: Kopfschuss.

Zwar wurden an den Händen des Toten keine Schmauchspuren festgestellt, doch legte man sich rasch auf einen Suizid fest: Die Wohnung war von innen versperrt worden. Doch schon bald stellte die Justiz die Suizidversion, die auch von der damaligen Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner favorisiert wurde, infrage.

Nachdem bereits im Jänner 2017 ein Berufungsgericht festgestellt hatte, dass sich Nisman wohl nicht selbst erschossen hatte, legte am Dienstag Bundesrichter Julián Ercolini nach. In einer 656-seitigen Urteilsbegründung hält er fest: "Nismans Tod kann kein Suizid gewesen sein." Zugleich belastete er Nismans früheren Mitarbeiter Diego Lagomarsino: Der Informatiker habe wohl Beihilfe zum Mord geleistet, indem er das Vertrauen des Staatsanwalts ausnutzte, zum Beispiel um Zugang zu seinem Haus zu erhalten.

Verdacht auf Mordkomplott

Lagomarsino hatte bisher ausgesagt, Nisman kurz vor dessen Tod eine Pistole geliehen zu haben. Der Ermittler in der Causa Aima habe darum gebeten gehabt, um sich und seine Familie nach mehreren Morddrohungen besser schützen zu können. Für Bundesrichter Ercolini ist es sehr wahrscheinlich, dass Lagomarsino Teil eines Mordkomplotts ist, und stellte ihn sowie weitere Verdächtige nun unter Hausarrest.

Und Fernández de Kirchner? Schon Nisman hatte der früheren Staatspräsidentin sowie anderen hochrangigen Funktionären Vertuschung vorgeworfen: Sie hätten alles getan, um die Aufklärung des Terrorattentats zu verhindern, und versucht, den mutmaßlichen Attentätern aus dem Iran Straffreiheit zu verschaffen. Teheran selbst dementierte stets eine Verwicklung oder gar Täterschaft.

Sichergestellte Unterlagen bestätigen nunmehr, dass Nisman für die Zeit nach ihrem Amtsende schon eine Anklage gegen Fernández de Kirchner vorbereitet hatte.

Die argentinische Justiz stellte Anfang Dezember tatsächlich einen Haftbefehl gegen Fernández de Kirchner wegen Landesverrats aus – allerdings bleibt er vorerst ohne Wirkung, denn sie ist mittlerweile Senatorin und genießt daher Schutz vor Strafverfolgung. Seither fordert der damit befasste Richter Claudio Bonadío die Aufhebung der Immunität für Fernández de Kirchner.

Deren direkter Nachfolger als Präsident, der liberalkonservative Mauricio Macri, hatte nach seinem Amtsantritt vor zwei Jahren der Familie Nismans Gerechtigkeit versprochen. Er gab in der Folge alle Verschlusssachen in der Causa frei und hob die Schweigepflicht der damit befassten Geheimdienstler auf. Wohl aus diesem Grund wirft Fernández de Kirchner ihrem Nachfolger Macri "politische Verfolgung" vor.

Gute Bekannte der Justiz

Fernández de Kirchner ist keine Unbekannte für die argentinische Justiz: Schon 2009 gab es Korruptionsvorwürfe gegen sie und ihren kurze Zeit später verstorbenen Ehemann Néstor Kirchner, ihren Vorgänger als Staatspräsident. Die argentinische Antikorruptionsbehörde war bei der Untersuchung des Privatvermögens des prominenten Politikerehepaares auf zahlreiche Ungereimtheiten gestoßen. In der Substanz ging es u. a. um Geldwäsche und illegale Waffengeschäfte. Die Ermittlungen wurden eingestellt – neben der Causa Nisman ein weiterer Streitpunkt in der argentinischen Politik- und Justizgeschichte. (Gianluca Wallisch, 27.12.2017)