Die Rauhnächte, das sind die zwölf Nächte um die Weihnachtszeit, üblicherweise zwischen dem 25. Dezember und dem 6. Jänner. Andernorts wird auch die Nacht der Wintersonnenwende, die Thomasnacht am 21. Dezember, als Beginn der Rauhnächte verzeichnet. Die vier wichtigsten Rauhnäche sind jedoch universal die bereits erwähnte Thomasnacht, Heiligabend, Silvester, und die Nacht des 5. Jänner, die Höhepunkt und Ende der Rauhnächte darstellt. Ähnlich wie Halloween gelten diese als Zeit, in der die Grenzen zwischen menschlicher und übernatürlicher Welt aufgehoben werden und von beiden Seiten leicht überschritten werden können.

Auf menschlicher Seite bieten sich so Möglichkeiten der Zukunftsschau, was auch in vielen Sagen belegt wird. Ein gewiefter Bauer etwa, der sich über das kommende Jahr informieren möchte, konnte sich in der Thomasnacht im Stall verstecken und den Tieren bei ihren Gesprächen lauschen, vorausgesetzt natürlich, er hatte sich Farnkraut in seine Schuhe gesteckt. Allgemein wird die Fähigkeit der Weissagung aber allen Rauhnächten zugesprochen. So gibt es Deutungsweisen, die jede Rauhnacht einem Monat mit dazugehörigem Tierkreiszeichen im kommenden Jahr zuordnen, und auf diese Weise Aussagen über das neue Jahr tätigen wollen. Diese Methode steht in enger Verbindung mit der Rückführung der Rauhnächte auf außerchristliche Ursprünge bei Kelten und Germanen.

In den Rauhnächten war Wahrsagen sehr beliebt, wie diese Illustration aus Russland von 1885 zeigt.
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Außerchristliche Ursprünge und christliche Übernahme

Gerade der Neopaganismus nimmt häufig das keltische Julfest als Ursprung der Rauhnächte an. Während hier Informationen historisch keinesfalls so wissenschaftlich fundiert sind, wie gerne angenommen wird, herrscht dennoch in der großteils populärwissenschaftlichen Literatur ein gewisser Konsens über die Bedingungen dieser Festlichkeit. Auch als Mittwinterfest bezeichnet, wird das Julfest für den 21. Dezember angesetzt. Dies ist die längste Nacht des Jahres, was sie für zahlreiche negative Konnotationen öffnet. Die Argumentation ist dabei durchaus schlüssig: es ist eine Zeit tiefster Finsternis, die Natur ist erstarrt und mit Kälte überzogen, alles wartet darauf, dass die Tage wieder länger werden und das Leben neu erblüht. Dementsprechend ist die Thomasnacht auch der Höhepunkt dieser Winterdepression, in der das Fest des wiederkehrenden Lichtes, das Julfest, gefeiert werden soll.

Was hier von vielen neopaganen Kulten zelebriert wird, ist die Geburt des Sonnengottes durch die große Mutter – ein Ereignis, das nicht per Zufall mit der Feier der Geburt Christi zusammenfällt. In diesem Kontext wird nämlich auch häufig eine Übernahme des keltischen Julfestes durch das Christentum festgestellt. Die Idee dahinter ist zwar schon allbekannt, jedoch darum nicht weniger logisch: Um den Heiden den Übergang zur neuen Religion zu erleichtern – oder um die Einnahme deren Länder für die Christen zu erleichtern – fanden gewisse Angleichungen an die pagane Religion statt, sodass aus dem Sonnengott der Gottessohn Jesus Christus wurde.

Die Wilde Jagd – Höllentreiben in den Lüften

Die Rauhnächte, die sowohl in neopaganer als auch in christlich-volksgläubischer Auslegung auf das Julfest oder die Geburt Jesu folgen, werden von einem Phänomen dominiert, das in zahlreichen Legenden in ganz Europa belegt wird. In dieser Zeit zieht nämlich die Wilde Jagd durch die Lüfte, ein tobendes Heer verfluchter Seelen, angetrieben von Dämonen und angeführt vom Wilden Jäger. Wer ihnen begegnet, muss sich sogleich bäuchlings zu Boden werfen, damit er nicht mit fort in die Lüfte gerissen wird. Auf keinen Fall sollte man in dieser Zeit weiße Leintücher zum Trocknen in den Garten hängen, der Wilde Jäger könnte sie mit sich reißen und im kommenden Jahr als Leichentuch für denjenigen verwenden, der sie törichterweise draußen ließ. Hier zeigt sich erneut der prophetische Charakter, der den Rauhnächten und somit auch der Wilden Jagd nachgesagt wird. So kann die Wilde Jagd durch ihr Erscheinen nicht nur vorhersagen, wer im kommenden Jahr sterben wird, auch kann anhand des Jaulens und Kreischens der verwünschten Tiere, die die Wilde Jagd begleiten, Krieg oder Seuche vorausgesagt werden.

"Asgårdsreien" von Peter Nicolai Arbo (1872) zeigt die Wilde Jagd.
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Wer jetzt aber hofft, der Wilden Jagd ein paar Fragen über die persönliche Zukunft stellen zu können, der soll gewarnt sein: mit Spöttern, Neugierigen oder Dieben verfährt der Wilde Jäger durchaus brutal. Neben der unfreiwilligen Teilnahme an der Jagd kann es schon passieren, dass man erblindet, in die Luft geschleudert wird, oder mit ungustiösen Geschenken wie abgetrennten Pferde- oder Menschenfüßen versehen wird. Die Gelegenheit zur Erlösung von den Leiden bietet sich erst nach einem Jahr, in dem man etwa am gleichen Ort auftaucht wie im Jahr zuvor, und den Wilden Jäger um Verzeihung bittet.

Die Identität des Wilden Jägers

Ähnlich wie Perchtra und Krampus kann auch diese Gestalt sowohl christlich als auch vorchristlich gedeutet werden. Am beliebtesten ist dabei die Gleichsetzung des Wilden Jägers mit Wotan/Odin, weswegen die Wilde Jagd je nach Gebiet den Namen der Gottheit im Titel trägt. Auch Jakob Grimm schreibt in seinem Werk "Deutsche Mythologie" von der Wotansjagd, was sich auch noch im Dialekt mit "Wodesgejaid" oder "s’wüde Gjoad" findet. Es liegt nahe, dass die Jagdgemeinschaft Wotans/Odins ein Verweis auf die gefallenen Krieger Walhallas ist, die mit ihrem Kriegsherren alljährlich, wie zur Übung für den Weltenbrand, durch die Lüfte ziehen. In dieser Auslegung könnte dann aber das Wilde Heer, wie die Wilde Jagd ebenfalls häufig bezeichnet wird, kaum negativ besetzt sein. Die Aufnahme nach Walhalla war bekanntlich die höchste Form der Ehre, die einem Krieger zuteilwerden konnte, und auch die Mission dieser Krieger, am Weltenende Odin/Wotan beizustehen, würde eher für Respekt und Bewunderung seitens der noch lebenden Bevölkerung sorgen. Wie also konnte die Wotansjagd eine Negativierung erfahren?

Auch hier ist die Übernahme durch das Christentum verantwortlich für die heutige Sichtweise der Wilden Jagd und deren Anführer. Die Wilde Jagd, wie sie uns in den meisten Sagen begegnet, wird wahlweise angeführt durch Dämonen oder sogar den Teufel selbst. Auch Adelige, die während der Sonn- und Feiertage lieber durch die Wälder pirschten, als die Eucharistie zu feiern, nehmen im Leben nach dem Tod diesen unrühmlichen Posten ein. In ihrem Tross befinden sich dann verdammte Seelen, ganze Hofgesellschaften an lasterhaften Rittern und Hofdamen, die ihre Sünden in diesem Geisterzug büßen müssen. Das Jaulen und Winseln, das Schreien und Klagen, welches vielerorts während der Rauhnächte durch die Täler und über die Berge streift, erfährt darin seine grausige Begründung.

Interessanterweise werden auch weibliche Sagenfiguren an die Spitze der Wilden Jagd gesetzt. Die in einem anderen Blogbeitrag bereits behandelte Perchtra ist eine von ihnen, aber auch Frau Holle, die in diesem Kontext jedoch nicht Märchenfigur, sondern Gottheit darstellt und manchmal auch mit der Göttin Hel gleichgesetzt wird, werden in dieser Funktion erwähnt. Diese Frauen sind dabei jedoch keinesfalls Peinigerinnen, sondern Seelenführerinnen, die ihre Schützlinge hinüber in die jenseitige Welt geleiten.

Wotan führ in dieser Interpretation von Friedrich Wilhelm Heine (1882) die Wilde Jagd an.
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Schutzmaßnahmen in den Rauhnächten – nur Schall und Rauch

Angefangen von den Perchtenläufen bis zu den Sternsingern scheint der ganze Dezembermonat gekennzeichnet von Glockengeläut und Weihrauchgeruch. Gerade die Rauhnächte sind dabei keine Ausnahme. Räuchern in den vier großen Rauhnächten ist obligatorisch, an den anderen acht dafür eher auf freiwilliger Basis. Die Vertreibung von allem esoterischen Unrat des letzten Jahres ist dabei ein genauso wichtiger Faktor wie der Schutz vor der Wilden Jagd, auch wenn diese nicht mehr im Bewusstsein heutiger Räucherrituale steht. Auch hier verschmelzen volksgläubisches Brauchtum und Christentum, indem beispielsweise vielerorts die Räucherung des Hauses durch Ministranten vorgenommen wird. Wie schon angedeutet, ist auch das Glockenläuten wirksam gegen Geister aller Art, was nicht zuletzt auch in einigen Sagen überliefert wird. Oft rettet das Einsetzen der Kirchturmglocken in letzter Sekunde die Übermütigen, die die Wilde Jagd provozierten. Auch während des Räucherns empfiehlt es sich, mit Glocken in die Ecken der Zimmer zu läuten, um auch die besonders bewegungsfaulen Geister loszuwerden.

Beispielhaft dazu gibt es in Tröpolach im Gailtal einen Brauch, bei dem Kinder mit Glocken läutend am letzten Abend der Rauhnächte, der Perchtra-Nacht am 5. Jänner, durch das Dorf ziehen. Vor jedem Marterle – kleine, überdachte Kruzifixe an Weggabelungen – muss gebetet werden, insgesamt muss das ganze Spektakel dreimal erfolgen. Am Heimweg dann darf aber keine einzige Glocke geläutet werden, da sonst die Wilde Jagd herbeigerufen werden, und einen mit in die Lüfte reißen könnte.

Auch wenn die Rauhnächte bald überstanden sind, so steht uns die wildeste Nacht, die Perchtra-Nacht, noch bevor. In diesem Sinne rate ich Ihnen: stellen Sie Ihr Handy auf lautlos, verwenden Sie für Ihre weiße Wäsche den Trockner und halten Sie sich bereit, sich jederzeit auf den Boden werfen zu müssen. Auch wenn es wie Sturmheulen klingt – man weiß nie, ob nicht vielleicht doch die Wilde Jagd durch die Lüfte zieht. (Raphaela Hemet, 5.1.2018)

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