Hat Bauchspeicheldrüsenkrebs noch vor einigen Jahrzehnten als seltene Karzinomerkrankung gegolten, ist er mittlerweile zur dritthäufigsten Krebstodesursache geworden. Nach vielen Jahren mit wenigen Fortschritten befindet sich die Situation aber derzeit buchstäblich schrittweise auf einem langsamen Weg der Besserung, betonten jetzt Wiener Experten (MedUni/AKH).

Am Comprehensive Cancer Center (CCC) existiert seit Beginn an ein Spezialteam (CCC-Pankreaskarzinom-Unit; PCU) mit den Koordinatoren Gerald Prager (Onkologie) und Martin Schindl (Chirurgie), in der fächerübergreifende Patientenbetreuung und Wissenschaftsprojekte gebündelt werden.

In Zahlen gefasst handelt es sich beim Pankreaskarzinom zwar nicht um eine der häufigsten Krebserkrankungen, doch wird seit Jahrzehnten ein kontinuierlicher, deutlicher Zuwachs registriert. "In Österreich gibt es pro Jahr 1.500 bis 1.600 Neudiagnosen. Für 2020 werden rund 2.000 pro Jahr prognostiziert: "Pankreaskarzinome machen nur vier Prozent der Karzinomerkrankungen aus, sind aber schon die dritthäufigste Krebs-Todesursache." Bei derzeit fast gleich vielen Neudiagnosen wie Todesfällen pro Jahr ist das ohne Zweifel eine ernste Situation.

Was Risikofaktoren sind

"Die Gründe für den Anstieg werden noch nicht verstanden. Der Altersgipfel für das Auftreten der Erkrankung liegt im Alter über 65 Jahre. Wir registrieren aber eine Zunahme der Erkrankung bei Patienten unter 60 Jahren. Krankhaftes Übergewicht und Fettsucht, Rauchen und der Alkoholkonsum gelten als Risikofaktoren. Es gibt zwar Familien, in denen das Pankreaskarzinom gehäuft auftritt, aber das ist nur bei einem kleinen Anteil der Fälle so", sagte der Chirurg.

Eine möglichst frühe Diagnose entscheidet über die Aussichten der Betroffenen. "Leider sehen wir nach wie vor die meisten Patienten in einem fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung", meinte Schindl. "Eine plötzlich auftretende Gelbsucht, in den Rücken ausstrahlende Schmerzen oder ungewollter Gewichtsverlust in Verbindung mit Oberbauchschmerzen gehören möglichst schnell abgeklärt", betonte Onkologe Prager. Längere Abstände zwischen einzelnen Untersuchungsschritten, die zur Diagnose führen können, schädigen die Überlebensaussichten der Patienten.

Entscheidend sind heute die bildgebenden Befunde aus der Computertomografie und/oder der Magnetresonanztomografie. Dadurch kann in vielen Fällen eine verlässliche Verdachtsdiagnose für ein Pankreaskarzinom gestellt werden und die Entfernbarkeit des Tumors per Chirurgie sowie das Vorhandensein eventueller Absiedlungen in anderen Organen beurteilt werden. Durch die hohe Auflösung dieser Untersuchungen wird daraus auch die Indikation für eine Operation gestellt.

Wie die Behandlung beginnt

Im Gegensatz dazu ist eine Diagnosesicherung aus dem Tumorgewebe mittels Biopsie vor einer geplanten Chemotherapie oder Strahlentherapie notwendig, oder wenn die Veränderung in der Bildgebung nicht sicher zur beurteilen ist. Die Gewebeentnahme erfolgt zumeist durch die per endoskopischen Ultraschall gezielte direkte Punktion des Tumors durch die Magenwand. Derzeit laufen Studien, welche den Wert von Kombinationsuntersuchungen wie PET-CT (Positronen-Emissionstomografie) und PET-MR bestimmen sollen. Einen Spezialfall stellen Zysten in der Bauchspeicheldrüse dar, weil ein Teil von diesen Vorstufen für Pankreaskarzinome darstellen. "Hier wird gegebenenfalls operiert, um die Entstehung eines Karzinoms zu verhindern", erklärte Schindl.

Die Symptome bei Bauchspeicheldrüsenkrebs sind unspezifisch. Das lässt oft erst spät einen Verdacht schöpfen. Ein Problem liegt aber auch darin, dass die Bauchspeicheldrüse sehr zentral im Bauchraum liegt, hinter dem Magen, umgeben vom Darm. Darüber hinaus breiten sich die Krebszellen oft schnell in die Umgebung entlang von Blut- und Lymphgefäßen und Nervenscheiden aus.

Laut dem Chirurgen Martin Schindl bedingen diese Umstände, dass bei erstellter Erstdiagnose zumeist schon zumindest Mikrometastasen vorliegen, wenn sich die Krebserkrankung nicht bereits auf die Leber oder andere Organe mit in der bildgebenden Diagnostik erkennbaren Tochtergeschwülsten ausgebreitet hat. Die Verbreitung der Tumorzellen geschieht auch entlang von Nerven.

Bausteine für Therapie

Im vergangenen Jahrzehnt hat die Medizin rund um das Pankreaskarzinom deutliche Fortschritte gemacht. "Viele Patienten erhalten möglichst bald nach der Diagnose bei Vorliegen einer Erkrankung im fortgeschrittenen Stadium eine onkologische Therapie. Es stehen mittlerweile sieben verschiedene Chemotherapie-Substanzen zur Verfügung", sagte Onkologe Gerald Prager. In immer mehr Fällen gelingt es damit, einen anfänglich nicht operablen Primärtumor operierbar zu machen und die Metastasen zurückzudrängen. Bei manchen Patienten werden bei der Operation bei entferntem Tumorgewebe keine vitalen Krebszellen mehr festgestellt.

5-Fluorouracil, Platin-Präparate, Nab-Paclitaxel, Irinotecan, Nal-Irinotecan, Gemcitabin und Erlotinib (gezieltes Therapeutikum) werden in der onkologischen Therapie verwendet. Das gilt auch für die adjuvante, also die unterstützende Therapie nach der Operation und für Patienten. Neue Ansätze in den vergangenen Jahren bedeuteten in Fettkügelchen (Liposome) oder Eiweißkügelchen eingeschlossene Zytostatika. "Damit kann man offenbar das Chemotherapeutikum leichter durch das umgebende Bindegewebe an die Karzinomzellen heranbringen", sagte Prager.

Neue Ansätze untersuchen auch zusätzlich zur Chemotherapie verabreichte Enzyme, welche das den Tumor schützende Bindegewebe "antauen" sollen. In bestimmten Fällen ist auch eine Strahlentherapie hilfreich. Derzeit laufen am Wiener AKH Studien sowohl zur möglichen Beeinflussung der Tumorumgebung, um die Effektivität der Chemotherapie zu erhöhen, als auch zur zusätzlichen Strahlentherapie noch vor der Operation.

Ziel ist die Chronifizierung

"Es gelingt heute öfter, das Pankreaskarzinom von einer absolut tödlichen Erkrankung in eine chronische Erkrankung zu verwandeln. Für viele Patienten bedeutet das, dass sie im Verlauf ihrer Erkrankung pro Monat nur noch ein- oder zweimal an unserer Tagesklinik behandelt werden", so Prager. Ein Erfolgserlebnis: Bei einem Patienten, bei dem das Pankreaskarzinom vor fünf Jahren zunächst inoperabel war, machte die Chemotherapie das Karzinom operierbar. Nach viereinhalb Jahren ohne Rückfall denken die Spezialisten jetzt daran, in sechs Monaten mit der Nachbeobachtung überhaupt aufzuhören. Der Patient dürfte geheilt sein.

Entscheidend ist die enge Zusammenarbeit aller Spezialisten, welche im Tumorboard für Pankreaskarzinom-Fälle im Rahmen des CCC von MedUni Wien und AKH regelmäßig das individuelle Vorgehen bei jedem einzelnen Patienten diskutieren. Operationen an der Bauchspeicheldrüse erfordern ein hohes Maß an Erfahrung und tägliche Routine. Es braucht ein eingespieltes Team, sowohl für die Beurteilung der Situation vor der Operation, Planung und Durchführung des Eingriffes selbst, als auch für die postoperative Betreuung.

Diese Art von Operationen gehört in dafür spezialisierte Zentren und sollte auch nur von darauf spezialisierten Chirurgen durchgeführt werden. In der Pankreaskarzinom Unit am AKH Wien werden jährlich mehr als 90 Operationen dieser Art durchgeführt. Damit ist es eines der Zentren mit der meisten Erfahrung in Österreich.

Nach der Operation

Durch die Verwendung moderner Instrumente für die Gewebedurchtrennung und Gefäßversiegelung wurden die Operationen außerdem schonender für den Körper, die Operationszeiten kürzer, Blutverluste auf ein Minimum reduziert. Die Sterblichkeit bei der Operation liegt bei unter drei Prozent, die Sterblichkeit innerhalb der ersten 30 Tage danach bei unter fünf Prozent", sagte Schindl. Es ist keine Seltenheit, dass die Patienten eine Woche nach eine Pankreasoperation bereits nach Hause entlassen werden.

Da das Pankreaskarzinom ein hohes Rückfallrisiko in sich birgt, ist die Nachsorge besonders wichtig, um im Fall des Falles möglichst schnell reagieren zu können. "Mittlerweile haben wir in der Onkologie drei Therapieschienen, was ein längeres Kontinuum an Behandlungsmöglichkeiten erlaubt", erläuterte Prager. Damit stehen die Chancen immer besser, dass die moderne Medizin auch die buchstäblich harte Nuss des Pankreaskarzinoms immer öfter knacken könnte. (APA, 8.1.2017)