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Sahra Wagenknecht bei einer Wahlkampfveranstaltung in Leipzig über einer Skulptur von Karl Marx.

Foto: REUTERS/Thomas Peter

In der medialen Betrachtung wurde der Begriff des Populismus in den vergangenen Jahren sehr breitgetreten. In politischen Diskussionen wurde dieser oftmals als Argumentation gegen den weniger progressiven Mainstream eingesetzt. Aus diesem Vorgehen sind Kampfbegriffe für politische Debatten entstanden.

In der veröffentlichten Wahrnehmung ist somit der Eindruck einer negativen Besetzung des Populismus entstanden, was zu kurz greift und im Grunde nur der halben Wahrheit entspricht. Denn weniger als früher gilt dieses politische Stilmittel und Konzept als Spott für patriotische und rechte Parteien. Die medialen Meinungsmacher setzen Populismus oftmals mit Rechtspopulismus synonym und erwecken dadurch den Eindruck, als gebe es Populismus von links kaum. Ein gutes Beispiel für eine linkspopulistische Partei ist etwa Die Linke in Deutschland und eines für linkspopulistische Parteipolitik ist etwa die SPÖ in Österreich.

In einem Leserbrief im STANDARD vom 30. November 2016 von Karl Amesbauer ("Werdet populistisch!") wurde genau diese Thematik auf den Punkt gebracht. Im ständigen Wiederholen von "Populist" und "Rechtspopulist" hat der mediale Mainstream etwas gefunden, um gegen bestimmte Politiker und Parteien zu kampagnisieren.

Die Stimme des Souveräns

Natürlich ist der Populismus an sich keine Form des politischen Extremismus und wurde historisch betrachtet bereits als bürgernahes Politikinstrument bei römischen Politikern eingesetzt. Diese mischten sich unter das Volk (Populus) und hörten auf die Sorgen und Nöte, um später die Stimmungen aufzugreifen. Die gewonnenen Erkenntnisse wurden in die Politik eingebracht, um anschließend Politik für die Bürger zu forcieren.

Durch diese Volksnähe gab es mehr als heute in der Bevölkerung den Eindruck, dass die Stimmungen und auch der Wille der Menschen aufgegriffen sowie deren Sorgen angegangen werden. "Wir" haben heute in den repräsentativen Demokratien westlicher Prägung vielfach den direkten Draht zu der regierenden Elite weitestgehend verloren. Dazu haben die etablierten Medien und die Negativberichterstattung beigetragen. Auch Hugo Portisch konstatierte kürzlich im Jahreswechsel-Interview in der "ZiB 2" bei Armin Wolf, dass die politischen Systeme Europas in einer Krise stecken, was die Wahlergebnisse zeigen – und nicht ohne Grund oppositionelle und "neue" Parteien an die Macht kommen. Populismus bedeutet differenziert betrachtet also weit mehr auf die Stimme des Souveräns zu hören und weniger den Bürgern nach dem Mund zu reden.

Verbesserung für das Politsystem?

Bei der Umsetzung von Reformen und bei der Geldverteilung der Regierungen ist zu beobachten, dass die Volksvertreter zu vorsichtig agieren und eher für die eigenen Pfründe als für die Bürger arbeiten. Dadurch sinkt die Glaubwürdigkeit von "echten" Reformen, und das Phänomen der Politik(er)verdrossenheit steigt weiter an, wie zuletzt im OGM-Demokratiebefund vom Oktober 2017 bestätigt wurde. In der Geschichte war es immer so, dass populistische Politiker, welche für die Mehrheit der Menschen einen positiven Beitrag leisteten, populärer wurden und deshalb erfolgreich wiedergewählt worden sind.

Zu beobachten ist, dass zumeist denjenigen Parteien, die nicht in der Regierung sind, Populismus vorgeworfen wird, und den Regierenden nie. Diese Vorgehensweise ist niemals nachhaltig glaubwürdig, und Populismus kann, wenn richtig angewendet, eine Verbesserung für das Politsystem sein. Zudem ist es kein Zufall, dass der "böse" Populismus auch von dem Spruch "vox populi vox Dei", übersetzt "Die Stimme des Volkes ist die Stimme Gottes", abgeleitet werden kann. Es wird sich zeigen, ob eine künftige neue Regierung "neuen Stils" dieses Versprechen auch einlösen wird können. (Thomas Eisenhut, 8.1.2018)