Bild nicht mehr verfügbar.

Das Buch "Fire and Fury" sorgt für viel Aufsehen – und befeuert eine Diskussion über eine mögliche Amtsenthebung Donald Trumps.

Foto: Reuters / Shannon Stapleton

Normalerweise ist sie der ideale Rückzugsort, die Waldsiedlung Camp David in Maryland. Ein Ort zum Nachdenken, für Klausuren am Kamin, ein Refugium, in dem amerikanische Präsidenten innere Ruhe finden sollen. Eigentlich wollte sich Donald Trump am Wochenende ins Idyll Camp Davids zurückziehen, um mit den Spitzen der Republikaner die Meilensteine fürs angebrochene Jahr abzustecken. Dann aber ließ er ausgerechnet aus dem stillen Blockhüttenambiente den nächsten Twitter-Sturm über die Welt hereinbrechen.

Von wegen, er sei mental nicht stabil, wie ihm der Journalist Michael Wolff unterstelle. Er sei ein überaus erfolgreicher Geschäftsmann gewesen und später ein Fernsehstar, bevor er es im ersten Anlauf ins Weiße Haus geschafft habe. "Ich denke, das dürfte mich nicht nur als schlau, sondern als ein Genie qualifizieren. Noch dazu als sehr stabiles Genie", schrieb der 45. Präsident der Vereinigten Staaten.

Debatte um Impeachment

Ob Trump von der Psyche her in der Lage ist, ein Land zu regieren, auf diese Frage läuft im Grunde alles hinaus, was der New Yorker Reporter für sein Buch Fire and Fury zusammengetragen hat. Im Hintergrund schwebt der 25. Zusatzartikel zur Verfassung, der regelt, wie der erste Mann im Staat abgesetzt werden kann, falls das Kabinett zu dem Schluss gelangt, dass er seine Amtspflichten nicht mehr zu erfüllen vermag. Wolff zeichnet das Bild eines Staatschefs, der nicht nur egozentrisch und impulsiv ist, sondern dem auch die nötige Neugier fehlt, um sich kniffligen Sachfragen zu widmen.

Als Kronzeugin kommt Katie Walsh zu Wort, für kurze Zeit Vize-Stabschefin des Weißen Hauses, ein Name, der allenfalls Insidern etwas sagt. Man habe versucht, die plötzlichen Einfälle Trumps in ein Programm zu übersetzen, wird Walsh zitiert. Es sei ein Prozess voller Rätselraten gewesen, "als wollte man herausfinden, was ein Kind möchte".

Der Präsident als Kindskopf: Wie ein roter Faden zieht sich das Motiv durch Wolffs Erzählung. Ausnahmslos jeder, mit dem er gesprochen habe, teile diesen Eindruck, fasste es der Autor zusammen. "Sie alle sagen, er benimmt sich wie ein Kind. Was sie damit meinen, ist, dass er den Drang nach unverzüglicher Belohnung verspürt. Es dreht sich alles nur um ihn."

Bannon bedauert

Trump lese allenfalls Überschriften und Artikel, die sich mit ihm beschäftigten, dazu vielleicht noch die Klatschkolumne auf der sechsten Seite der New York Post, eines Boulevardblatts, schreibt Wolff. Umso ausgiebiger sehe Trump fern und telefoniere mit seinen Freunden. Von diesen Freunden, scheint es, hat mancher weitergetratscht, was ihnen der Milliardär in seinem Frust anvertraute. Die meisten leben in New York, reiche Männer, illustre Dinner-Runden. Man braucht nicht viel Fantasie, um sich auszumalen, wie sich die Episoden in den besseren Kreisen der Stadt fortpflanzten, bis sie irgendwann bei Wolff landeten. Die Hauptquelle aber dürfte Steve Bannon gewesen sein, der Rechtspopulist, der Trump von August 2016 bis August 2017 als Wahlkampfmanager und Chefstratege diente und sich für seine Entlassung rächte, indem er munter aus dem Nähkästchen plauderte.

Trump, der sich in der Öffentlichkeit fast nie ohne Krawatte zeigt, hat ihn mit einem neuen Spitznamen bedacht. Sloppy Steve, der schlampige Steve, eine Anspielung auf Bannons ungepflegtes Äußeres. Sloppy Steve, wetterte er in Camp David, habe Wolff ständig ins Weiße Haus mitgenommen, und deshalb könne er sich nun nach einem neuen Job umsehen.

Bannon selbst hat am Sonntag Bedauern über die Auswirkungen von Bemerkungen geäußert, mit denen er zitiert wird. In einer der Nachrichten-Webseite Axios zugeleiteten Erklärung bekundete er nach deren Angaben zugleich "unerschütterliche Unterstützung" für den US-Präsidenten und dessen Agenda.

Kritik an Ungenauigkeit

Dann wären da noch die Fehler, die dem Verfasser Michael Wolff unterliefen, einem Journalisten, der bekannt ist für einen flüssigen Erzählstil, aber eben auch dafür, dass er manches ausschmückt, ohne sich exakt an die Details zu halten. In einer Passage beschreibt er, wie dem Präsidenten in spe geraten wird, John Boehner, den ehemaligen Vorsitzenden des Repräsentantenhauses, als Cheforganisator in die Machtzentrale zu holen. "Wer ist das denn?", soll Trump gefragt haben, was wenig glaubwürdig klingt, zumal er zu jener Zeit mit Boehner schon des Öfteren Golf gespielt hatte.

Es sind Schnitzer wie diese, die den Publicity-Pulk des Weißen Hauses von einem Kompendium der Lügen sprechen lassen, während unabhängige Köpfe betonen, dass Wolff trotz manchen Schönheitsfehlers eines gelungen sei: den Kern der Sache zu treffen. Wie sonst lasse sich erklären, dass Donald Trump dermaßen gereizt reagiert? (Frank Herrmann aus Washington, 7.1.2018)